Grüne fordert personelle, strukturelle, kulturelle und prozessuale Veränderungen im Jugendamt!

Foto: Martin Jehnichen

Pressemitteilung vom 30. September 2020

Der nunmehr veröffentlichte Finanzbericht der Stadt Leipzig zum 30. Juni 2020 weist erneut eine deutliche Budgetüberschreitung bei den Hilfen zur Erziehung in Größenordnung aus. Diese Mehr-aufwendungen schlagen mit 37,4 Mio. € zu Buche und resultieren nach Angaben der Jugendamts-leitung in erster Linie aus einem weiteren Anstieg der Fallzahlen sowie der Fall- und Personalkos-tensteigerungen.

Hierzu äußert sich Michael Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

„Die weiter ansteigenden Fallzahlen und aus dem Ruder laufenden Kosten sind schockierend aber wenig überraschend. Sie zeigen ein Abbild der jahrelangen Konzeptlosigkeit des Amtes für Jugend, Familie und Bildung gegenüber den steigenden Fallzahlen bei den Hilfen zur Erziehung.
Die Integrierte Kinder- und Jugendhilfeplanung und die darin enthaltene seit 2015 überfällige Teil-fachplanung Hilfen zur Erziehung stecken seit Jahren in der konzeptionellen Sackgasse, ein wirklicher Richtungswechsel ist nicht erkennbar.
Ich erwarte, dass endlich die Voraussetzungen für gelingende Familienarbeit gelegt werden. Hierzu gehört, dass betroffenen und mit der Erziehung überforderten Familien passgenaue sozialpädagogische und sonstige Hilfen zuteilwerden, die engmaschig das Ziel verfolgen, Kinder – sofern eine stationäre Unterbringung das Mittel der Wahl war – zeitnah zu ihrer Herkunftsfamilie zurückzuführen. Stattdessen sind wir seit Jahren unvermindert mit dem Problem einer ungewollten auswärtigen Unterbringung konfrontiert, weil entweder die passgenauen Hilfsangebote in Leipzig fehlen oder nicht genügend Plätze verfügbar sind. Eine reine Konzentration auf die Etablierung zusätzlicher Plätze hilft da nur eingeschränkt. Rückführungen in die Familie, eigentlich das oberste Ziel erziehe-rischer Hilfen, scheint hingegen keine Priorität zu haben.
Zum Anderen braucht es wirksame präventive Hilfen, um teure Hilfen gar nicht erst entstehen zu lassen. Hier sehe ich beispielsweise in der Kitasozialarbeit und der Weiterentwicklung von Kitas in Kinder- und Familienzentren wirksame und erfolgreiche Instrumente zur Stärkung von Familien und der Sozialstrukturen, gerade in Schwerpunktgebieten.“

Foto: Martin Jehnichen

Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, ergänzt:

„Meine Fraktion verbindet große Hoffnung in den morgigen Amtsantritt der neu gewählten Bürgermeisterin für Jugend, Schule und Demokratie, Vicki Felthaus. Ganz klar stehen große strukturelle und prozessuale Veränderungen ganz oben auf dem Arbeitsprogramm. Die Dringlichkeit ist durch die erheblichen Mehraufwendungen deutlich geworden. Klar ist aber auch, dass diese Zeit benötigen und die Ergebnisse gut geführter sozialpädagogischer Arbeit erst sukzessive eintreten werden. Hierbei werden wir sie im Stadtrat nach Kräften unterstützen.
Die Stadtspitze sollte mittlerweile aber auch erkannt haben, dass es im Amt für Jugend, Familie und Bildung auch nach einer Trennung in ein klassisches Jugendamt und ein Amt für Schule und Kitas einen personellen Neuanfang braucht. Die vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, dass in der Amtsführung weder den Führungsleitlinien der Stadt Leipzig, noch mit der dringend notwendigen fachlichen Expertise, der Prozess- und Strukturverantwortung entsprochen wird. Ohne einen personellen Neuanfang wird sich keine grundlegende Verbesserung der Situation um die Kinder- und Jugendlichen und das Amt selbst erreichen lassen. Neben dem personellen Neustart fordert meine Fraktion die zeitnahe Einrichtung einer weisungsfreien Stabsstelle, um sowohl strukturelle und prozessuale Veränderungsprozesse in Jugendamt und ASD anzustoßen und zu begleiten, sowie eine Kultur der sozialpädagogischen Arbeit auf Augenhöhe zu implementieren.“


Auszug aus dem Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz (SGB VIII)

§ 34 SGB VIII Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform
Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie
1. eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2. die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3. eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

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