Grüne Ratsfraktion begrüßt Urteil zur Tagespflege und fordert sofortige Umsetzung der Verbesserung!

Pressemitteilung vom 13. Juni 2014


Nach dem ergangenen Urteil gegen die Finanzierung der Kindertagespflege in Leipzig äußert sich Michael Schmidt, familienpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat:

„Seit Jahren fordert meine Fraktion eine bessere Bezahlung der Tagesmütter und –väter. Die Stadt Leipzig hat jahrelang die Tagespflege als billigen Ersatz für den verschleppten Bau dringend benötigter Kitas genutzt, ohne dabei ernsthaft Verbesserungen in Qualität und Finanzausstattung sowie in die perspektivischen Berufsaussichten der Tagespflegepersonen vorzunehmen. Doch dies ist aus meiner Sicht dringend nötig. Das gestrige Urteil kommt für mich und meine Fraktion daher nicht überraschend und bestätigt vielmehr unsere seit Jahren geäußerten Forderungen.

Wir fordern daher von der Verwaltung, unsere weitreichenden Vorschläge aus dem Jahr 2012 erneut aufzugreifen und zur Grundlage für die Erhöhung der monatlichen Geldleistung und der Nebenkosten zu nehmen:

  • Für eine zusätzliche Private Alterssicherung erfolgt auf Nachweis die hälftige Erstattung bis zu einem Beitrag von 20 EUR pro betreutem Kind pro Monat.
  • Auf Nachweis erhält die Tagespflegeperson für das gesamte Jahr die  Unfallversicherung in Höhe des von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) festgesetzten Betrages.
  • Auf Nachweis erfolgt eine Übernahme für extern angemieteten Wohnraum i.H.v. 2,50 €/qm, sofern dieser ausschließlich der Kindertagespflege dient.

Außerdem fordern wir weiterhin die Umsetzung des Ratsbeschlusses, eine mehrstufige leistungs- und qualifikationsorientierte Vergütung einzuführen, die ebenfalls zu merklichen Verbesserungen der finanziell angespannten Situation der Tagesmütter und –väter führt und zugleich die Motivationsbereitschaft zur eigenständigen pädagogischen Fortbildung erhöht.“

Zum Hintergrund:

Die laufende Geldleistung liegt nach wie vor deutlich unter dem bundesdeutschen Schnitt. Im Dezember 2012 konnten wir mit unserer Forderung zur Erhöhung der monatlichen Geldleistung um 3% keine Mehrheit im Stadtrat finden. Stattdessen wurde nur ein Minimalbeschluss gegen des Willens der Stadtspitze gefasst. Erinnert sei hierbei an die fehlende Kompromissbereitschaft der SPD-Fraktion, die letztlich dem von Oberbürgermeister Jung vorgegebenen Sparkurs mitgegangen ist und lediglich marginale Anhebungen im Bereich des Inflationsausgleichs mitgetragen hat, was letztlich keine Verbesserung der finanziellen Situation der Tagesmütter und –väter darstellte.
Auch die von uns damals vorgeschlagenen Veränderungen, die aus den Diskussionsergebnissen einer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen durchgeführten Workshop mit Vertretern aus Praxis, Wissenschaft, Politik und Verwaltung zur Kindertagespflege resultierten, bei Zuschüssen zur privaten Rentenversicherung wurden ebenso abgelehnt wie Zuschüsse zu extern angemietetem Wohnraum. Letzteres wird in immer stärkerem Maße von Tagesmüttern und –vätern genutzt, also die Ausübung der Tagespflege außerhalb der eigenen Wohnung.

Ende 2012 wurde jedoch, ebenso auf Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, erfolgreich beschlossen, dass die Stadtverwaltung bis Juni dieses Jahres eine Neuordnung der finanziellen Vergütung von Tagespflegepersonen erstellt. So hieß es im Beschluss:
Der Oberbürgermeister erarbeitet eine Neuordnung der finanziellen Vergütung von Tagespflegepersonen, welche sich am wissenschaftlichen Diskurs zur leistungsorientierten Vergütung orientiert und anhand mehrerer Qualifikationsstufen eine finanzielle Staffelung der monatlichen Geldleistung vorsieht. Diese wird dem Stadtrat bis zum 2. Quartal 2014 vorgelegt.

Der nunmehr vorgelegte und nach dem gestrigen Urteil wieder zurückgezogene Beschlussvorlage der Verwaltung sah lediglich eine zusätzliche Vergütung für die Betreuung von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf vor, eine Leistung die bisher schon dazu führte, dass die Tagesmutter in einem solchen Fall nur bis maximal vier statt fünf Kinder betreuen durfte, um dem erhöhten Förderbedarf des einen Kindes gerecht zu werden. Dieser dann folgende Verdienstausfall sollte nach Vorschlag der Verwaltung durch Fördermittel des Freistaates aufgefangen werden. Ein Nullsummenspiel für die Stadt.

Alle anderen finanziellen Staffelungen, etwa eine erhöhte monatliche Geldleistung für Tagesmütter und –väter mit pädagogischem oder Erzieherabschluss oder für diejenigen, die sich nicht die möglichen 3 Jahre für den berufsbegleitenden Abschluss ihres Curriculums Zeit nehmen - all diese Vorschläge wurden geprüft und aufgrund der zusätzlichen Kosten („Verteuerung der Tagespflege“) durchgehend abgelehnt. Auch von der Überlegung, die Bürgermeister Fabian in der Antwort auf eine Anfrage unserer Fraktion im November 2013 äußerte, Betreuungsstunden nach 16:30 Uhr und über die üblichen 8 Stunden hinaus extra und besser zu vergüten, wollte die Verwaltung mittlerweile offenbar nichts mehr wissen. Obwohl gerade auch dies zu einer Attraktivierung der Tagespflege für die berufstätigen Familienmütter und –väter führen würde.

Zudem hat die Stadt auch nach wie vor zu wenig unternommen, um den Tagesmüttern und –vätern berufliche Perspektiven aufzuzeigen. Die mit dem Ausbau der Kita-Kapazitäten perspektivisch sinkende Nachfrage an Plätzen in der Tagespflege wird unweigerlich zu einem Abschmelzen dieser Kapazitäten führen, während zunehmend qualifiziertes Personal in den Kitas gebraucht wird. Gerade freie Träger haben schon seit Jahren mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen, da sie nicht im Stand sind, wie die Stadt nach TVÖD zu entlohnen. Berufsbegleitende Weiterbildungen zum Erzieherberuf sind weiterhin für Tagespflegepersonen nahezu unmöglich. Hier muss seitens des Freistaates und der Stadt eine Lösung gefunden werden.

Zurück