Jetzt Verhandlungen mit dem Freistaat aufnehmen – Nachbarschaftsschule in kommunale Trägerschaft übernehmen und vor dem Aus bewahren

Pressemitteilung vom 13. August 2014

Mit dem neuen Schuljahr wird der Druck auf die Schulen in Leipzig durch die sehr hohen Schülerzahlen immer größer. Darunter haben besondere Angebote, neue Lehrmethoden und inklusive Schulansätze zu leiden. Weil Stadt und Land versäumten, ausreichend Schulen im Stadtgebiet einzurichten, wird die Qualität geopfert.

Die Nachbarschaftsschule erfährt als staatliche Gemeinschaftsschule, die sich der Reformpädagogik verpflichtet sieht, schon seit Jahren ungebrochen hohes Interesse von Familien. Die Bildungsagentur Leipzig hat bisher akzeptiert, dass das (Erfolgs-)Konzept der Nasch es nicht verträgt, dass die Klassen auf die im Schulgesetz vorgegebenen Anzahl aufgefüllt werden. Doch nun wird der Druck größer, die Schule untersteht als Modellschule dem Kultusministerium Sachsen und das zieht die Daumenschrauben an.

Dazu Katharina Krefft, bildungspolitische Sprecherin und Fraktionsvorsitzende:
„Wir werden nicht sehenden Auges zulassen, dass das Land Sachsen eine ihrer profiliertesten Schulen opfert, weil in Leipzig die Plätze an Schulen knapp sind. Die Nachbarschaftschule (NASCH) wurde aus dem Engagement von Eltern und Lehrenden nach zweijähriger Vorbereitungszeit 1991 begründet und seitdem hat sie Generationen von Schülerinnen und Schülern zu überdurchschnittlich guten Abschlüssen geführt. Aber: Ihr Gemeinschaftsschulkonzept wird nicht mehr umsetzbar sein, wenn der NASCH eine maximal ausgereizte Obergrenze von Lernenden pro Lehrendem/Lehrender aufoktroyiert wird. Epochenunterricht, Projekttage, Wochenplan, Ausflüge und der hohe Mehraufwand den die Lehrenden an dieser Schule erbringen ist mit mehr, mehr, mehr Kindern nicht mehr zu bewältigen.

Wir wollen, dass die NASCH aus dieser Gefahrenzone gebracht wird. Darum muss die Stadt Leipzig die NASCH als Gemeinschaftsschule in kommunale Trägerschaft übernehmen. Für diesen in Sachsen neuen Weg beauftragen wir die Stadtverwaltung, mit der Landesregierung in Dresden zügig Verhandlungen aufzunehmen. Den Stadtoberen wie Alt-OBM Tiefensee und OBM Jung ist die NASCH erklärtermaßen ein Lieblingsprojekt, wir hoffen daher sehr auf die Zustimmung der Stadtverwaltung zu unserem Antrag. Mit einer kommunalen Schule würde die Personal- und Konzepthoheit an den Träger übergehen, also an die Stadt Leipzig. Die Finanzierung der Schule müsste, wie bei allen Schulen unabhängig von der Trägerschaft, weiterhin der Freistaat absichern.“

Thema: Nachbarschaftsschule in kommunale Trägerschaft übernehmen

Beschlussvorschlag Antrag V/A 577

  1. Die Stadt Leipzig verhandelt mit dem Freistaat Sachsen zur grundsätzlichen Möglichkeit der Übernahme staatlicher Schulen in kommunale Trägerschaft als „dritter Weg“.
  2. Die Stadt Leipzig beantragt für die Nachbarschaftsschule die Übernahme in kommunale Trägerschaft zum Schuljahr 2015/16 und führt die Schule dauerhaft weiter als Gemeinschaftsschule. Dazu führt die Stadt Leipzig Gespräche mit dem Freistaat und der Sächsischen Bildungsagentur zur Fortführung des konzeptionellen Ansatzes und zu einer Dauerfinanzierung.

Begründung:

Das besondere Lernkonzept der Nachbarschaftsschule (NASCH) ist akut gefährdet. 23 Jahre nach ihrer Gründung droht die NASCH ihren Charakter als Gemeinschaftsschule zu verlieren. Die Bildungsagentur hat angekündigt, dass die NASCH so wie andere Schulen mit Schülerinnen und Schülern aufgefüllt werden müsse. Die Übernahme als kommunale Schule wäre der richtungs-weisende Weg, um ein mit diesem Eingriff verbundenes, mögliches Ende der NASCH und ihres Konzeptes als Gemeinschaftsschule abzuwenden. Dafür soll die Stadt Leipzig mit dem Freistaat über Möglichkeiten und notwendigerweise auch die vollständige Kostenübernahme verhandeln.

In kommunaler Trägerschaft besteht die Chance, das Schulkonzept der Gemeinschaftsschule zu retten und deren weitere Entwicklung zu unterstützen. Voraussetzung ist die Kompetenz der Kommune, die Personalhoheit auf die Schule delegieren zu können.

In diesem Sinne haben andere Bundesländer reagiert und Kommunen die Möglichkeit eröffnet, Schulen komplett in eigene Trägerschaft zu übernehmen. Bekanntes Beispiel hierfür bildet Jena (Thüringen), wo bereits 2 Schulen in kommunale Trägerschaft übergegangen sind. Die Vorteile einer kommunalen Trägerschaft sind die direkten Einflussmöglichkeiten der Kommune bei pädagogischen, personellen und organisatorischen Fragestellungen und Entscheidungen.

Anlage:

Während andere Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Saarland, Thüringen, Nordrhein-Westfalen) die Vorteile der Gemeinschaftsschule erkannt haben, will die sächsische Landesregierung von deren Vorzügen nichts wissen. So sind von einst 9 Gemeinschaftsschulen nur noch zwei in Sachsen erhalten – eine davon ist die NASCH.

Die Gemeinschaftsschule ist eine Schulform, in welcher gemeinsam von Klasse 1 bis 10 gelernt wird. Alle Kinder, egal welcher Herkunft und ohne frühzeitige Selektion lernen an der Gemeinschaftsschulen alle nach einem anerkannten, einheitlichen Lehrplan. Das ermöglicht gleiche Bildungschancen für alle Kinder, unabhängig vom sozialen oder finanziellen Hintergrund der Herkunftsfamilien. Das längere gemeinsame Lernen ist einer der Gründe für die starken Ergebnisse Finnlands im PISA-Test.

Die Besonderheit der Schulform der NASCH, so z. B. das gemeinsame altersgemischte Lernen von Klasse 1-3, der Projektunterricht für alle Jahrgangsstufen, der Hort bis Klasse 6, Zensuren ab Klasse 7, Patenschaften zwischen großen und kleinen Klassen, etc.) zeigt seit Jahren große Erfolge. So liegen die Anmeldezahlen beim x-fachen der vorhandenen Kapazität. Und das liegt auch an den Bildungserfolgen und dem guten Ruf der Schule. So beendeten im Jahr 2013 56 Schüler/-innen die NASCH, davon erreichten, wie schon in den vergangenen Jahren, der Großteil (84 %) einen Realschulabschluss, 15 % erlangten einen Hauptschulabschluss. Ohne Abschluss blieb kaum ein/-e Abgänger/-in. Für das gesamte Stadtgebiet Leipzigs fielen die Werte negativer aus (70 % Realschulabschluss, 20 % Hauptschulabschluss, 10 % ohne Abschluss). Warum sollte Leipzig eine erfolgreiche Schule opfern, die Vorbild für andere sein kann?

Die Eingriffe in der NASCH werden vorgeblich begründet mit den hohen Schülerzahlen in Leipzig. Mit diesem argumentativen Druckmittel würde bei Umsetzung der Planungen der Schule unumkehrbarer Schaden zugefügt, denn diese Eingriffe in dien konzeptionelle Hoheit der Schule beschädigt die Grundlagen der Arbeit als Gemeinschaftsschule, das Prinzip des offenen Lernens und das Verhältnis zwischen Lehrerschaft, Elternschaft und Schüler, welche sich ausdrücklich zum Konzept bekennen.

Nicht nur, aber auch mit der Bildungspolitischen Stunde im Leipziger Stadtrat und den Bildungspolitischen Leitlinien wird die Bedeutung der Bildung im öffentlichen Bewusstsein gehoben. Dabei wurde seitens der Fraktionen und der Fachreferenten über die Bedeutung von Bildungsverantwortlichkeit diskutiert, beispielhaft festzumachen an der Diskussion der über dem Landesdurchschnitt liegenden Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss.

Die Stadt Leipzig weiß um die Notwendigkeit einer besseren Bildung vor Ort und sollte daher im Rahmen ihrer Möglichkeiten Einfluss auf die Qualität des Bildungsstandorts nehmen.

Bildung findet in einem Netzwerk aus Schule, Familie, Jugend- und Freizeitangeboten und Stadtumfeld statt. Mit dieser Erkenntnis weitet sich auch der Bildungsbegriff und damit muss sich auch der Blick für politische Verantwortlichkeiten verändern. Die Kommune als Schulträgerin ist – neben der Schulaufsicht – für die Umsetzung des Bildungsauftrages verantwortlich, wie auch die Auswirkungen von Bildung – positive wie negative – Aufgabe der Kommune sind. Das macht deutlich, dass die kommunale Einflussnahme auf bildungspolitische Entscheidungen des Landes Sachsen nicht nur wünschenswert, sondern erforderlich ist, soll der Begriff der Trägerschaft nicht zur leeren Hülle werden. Solche Entscheidungen betreffen Fragen des Bildungsauftrages, in besonderem Maße aber personelle Entscheidungen. Damit ist Schulbildung in einem umfassenderen Verständnis bereits jetzt eine kommunale Aufgabe.

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