Jugendhilfe auf gutem Niveau sichern und punktuell stärken

Foto: Martin Jehnichen

Pressemitteilung vom 26. Januar 2021

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat für die anstehenden Diskussionen um den Entwurf des Doppelhaushaltes 2021/22 einen Änderungsantrag zur weiteren Stärkung der Kinder- und Jugendhilfe eingereicht. Dieser hat zum Ziel, die aktuelle Angebotsvielfalt zu erhalten und punktuell den wachsenden Herausforderungen und Bedarfen anzupassen, sowie um einzelne innovative Konzepte zu ergänzen.

Hierzu Michael Schmidt, jugendpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und stellvertretender Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses:

„Die Corona-Pandemie stellt die Kinder- und Jugendhilfe vor neue und große Herausforderungen. Die monatelangen Kontaktbeschränkungen, die geschlossenen Kitas, Schulen, Jugendclubs und Freizeittreffs und die zwangsweise heruntergefahrenen vielfältigen Freizeitangebote werden einen enormen sozialpädagogischen Nachholbedarf bei den Kindern und Jugendlichen und ihren Familien erzeugen. Die Herausforderungen, der „Generation Corona“ nachhaltig die Unterstützung zu geben, die sie braucht, um die verlorene Zeit aufzuholen, wird die Kinder- und Jugendhilfe nur leisten können, wenn sie in ihrem Bestand nicht nur gesichert wird, sondern wenn auch eine zumindest punktuelle Stärkung durch Angebotsausbau und neue innovative Angebote gelingt. Hierzu steht die Politik in der Verantwortung.“

Foto: Martin Jehnichen

Martin Meißner, familienpolitischer Sprecher der Fraktion ergänzt:
„Auch bei der gezielten Unterstützung von Familien sehen wir große Bedarfe, für die eine Finanzierung gefunden werden muss. Sei es der Ausbau des im vergangenen Jahr neu an den Start gegangenen Familienzentrums des CVJM in Schönefeld, die Sicherung des mit dem Familienfreundlichkeitspreis prämierten Projektes MAQAM des Mütterzentrums Plagwitz oder auch die Etablierung eines neuen und zusätzlichen Angebotes der Familienbildung, bspw. im Schwerpunktraum Paunsdorf. Eine Stärkung auch dieses Bereiches würde der anhaltenden Diskussion um die außer Kontrolle geratenen Kosten bei den Hilfen zur Erziehung durch gezielte Präventionsangebote entsprechen. Hierfür werden wir uns einsetzen, brauchen dazu aber eine Erhöhung des Gesamtbudgets – trotz coronabedingt knapper Kassen!“

Der aktuelle Haushaltsansatz steht zwar unter der Prämisse, dass es keine Kürzungen geben soll, wie der Kämmerer dies bei der Einbringung des Haushaltsplanentwurfes in der Ratsversammlung im November postulierte.

„Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass eine lediglich 1%ige Steigerung des zur Verfügung gestellten Budgets zahlreiche versteckte Kürzungen zur Folge haben wird oder zur Streichung mehrerer Angebote führen würde. Insofern halten wir Grüne es für folgerichtig und begrüßenswert, dass der Jugendhilfeausschuss entsprechende Änderungsanträge zur Erhöhung des Jugendhilfebudgets eingereicht hat. Wir schließ und diesen Forderungen in Inhalt und Höhe an und haben dem folgend einen Fraktionsantrag in ähnlicher Höhe ins Verfahren gebracht., so Martin Meißner und Michael Schmidt abschließend.

Die auf Initiative des Jugendhilfeausschusses beschlossene personelle Stärkung, die in den Vorjahren 2019 und 2020 über fast alle Angebote erfolgte, war hingegen das Ergebnis jahrelanger Bemühungen um Fachstandards, um die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe auf ein fachliches und personelles Mindestmaß zu heben, unter dem sie jahrelang – verbunden mit allen Zwängen und nachteiligen Folgen – lagen.


Hintergrund:

Antrag: Dynamisierung des Budgets der Förderung von Vereinen und Verbänden der Kinder- und Jugendhilfe
Antrag: MAQAM – interkulturelle Familienarbeit-Projektstellen im Mütterzentrum weiterführen
Antrag: Förderung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildungseinrichtung INSPIRATA e. V.

Aus der Begründung des Änderungsantrages des Jugendhilfeausschusses zum Doppelhaushalt 21/22:

Jugend & Corona

Die Corona-Pandemie hatte und hat vielfältige Konsequenzen für den Alltag junger Menschen. Denn junge Menschen stehen noch mehr als Erwachsene vor der Herausforderung, ihren Platz innerhalb der Gesellschaft zu finden und die vielfältigen an sie gerichteten Entwicklungsaufgaben zu meistern. Die Jugend als Lebensphase wird besonders durch unterschiedliche Sozialkontakte an verschiedenen Orten und Interaktion geprägt. Viele gewohnte Routinen sind in den vergangenen Monaten zerbrochen, (Jugend)freiräume konnten nicht genutzt werden, Möglichkeiten für soziale Teilhabe, Beteiligung und Bildung sind verschlossen.

Eine kürzlich erschienene Jugendstudie zeigt, dass die Erfahrungen der Corona-Pandemie jungen Menschen Angst vor der Zukunft machen, sie mit Sorgen auf ihr persönliches Leben und die gesellschaftliche Entwicklung blicken. Diese Sorgen sind durchaus begründet: Unternehmen bieten weniger Ausbildungsplätze an, Schüler*innen haben durch die psychischen Belastungen Probleme, ihre Leistungen abzurufen und müssen in der Folge fürchten, keinen Ausbildungsplatz zu finden oder den benötigten NC für das Studium ihrer Wahl zu verfehlen, leistungsschwächere Schüler*innen müssen gleich ganz befürchten komplett unter die Räder zu geraten. Schon heute wird deshalb teilweise in der Sozialwissenschaft von der „Generation Corona“ gesprochen. Diese Einschätzung ist sicher noch verfrüht, zeigt jedoch vor allem eins: Die Erfahrungen der Corona-Pandemie werden junge Menschen noch längere Zeit beschäftigen und müssen bewältigt und verarbeitet werden, damit die Krise eben nicht zur prägenden Erfahrung einer ganzen Generation wird. Neben dem Elternhaus gibt es dafür kaum eine verlässlichere Struktur als die Kinder- und Jugendhilfe mit ihren vielfältigen Angeboten und Maßnahmen.

Aufgrund der Pandemie und die damit zusammenhängenden Entwicklungsherausforderungen für junge Menschen ist für die kommenden Jahre von einem noch größeren Bedarf an Sozialer Arbeit und Jugendhilfe auszugehen. Es braucht vielfältige Erfahrungsräume, um diesen individuellen Entwicklungsbedarfen in den Sozialräumen gerecht zu werden. Beratungsangebote, um psychische Belastungen zu bearbeiten, aber auch einfach Freiräume, in denen junge Menschen einen Ausgleich finden zum Stress und den Belastungen der letzten Monate. Nach der nationalen Kraftanstrengung zur Bekämpfung der aktuellen Pandemie wird es auch eine nationale Kraftanstrengung zur Bekämpfung der sozialen und emotionalen Folgen der Pandemie benötigen. Eine starke Jugendhilfe muss ein Baustein dieser Kraftanstrengung sein. Kürzungen oder gar Schließungen von Einrichtungen wären in diesem Zusammenhang politisch falsch und ein verheerendes Signal an die Stadtgesellschaft und an junge Leipziger*innen! Im Gegenteil, gerade jetzt, während und nach der Corona-Pandemie, braucht es eine gestärkte Jugendhilfe in unserer Stadt.

 

 

Zurück