Leipzig - auf dem Weg zur Pestizid freien Kommune (Antrag 575/14)

Beschlussvorschlag

Der Stadtrat beschließt:

  1. Die Stadt Leipzig verzichtet schrittweise auf allen kommunalen Flächen, auf Kultur- sowie Nicht-Kulturland, auf den Einsatz von Pestiziden. Zu Beginn wird insbesondere auf, bzw. in der Nähe, von Kinderspielplätzen, Schulen und Kindergärten auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet. Alternativ kommen nur die im Biolandbau verwendete Schädlingsbekämpfung zum Einsatz.
  2. Zur zeitlichen Umstellung der kommunalen Grünpflege ohne Pestizideinsatz erstellt die Stadtverwaltung einen Maßnahmeplan mit verpflichtenden zeitlichen Schritten.
  3. Private Dienstleistungsunternehmen und städtische Unternehmen und Beteiligungen, die den Auftrag zur Pflege öffentlicher Flächen erhalten oder diese besitzen, sowie Pächter kommunaler Liegenschaften, werden seitens der Stadt Leipzig zum Pestizidverzicht aufgefordert. Alle Anwender von Schädlingsbekämpfungssubstanzen werden weitergebildet.
  4. Mittels einer begleitenden Kampagne wird die Stadt Leipzig der Bevölkerung durch intensive Öffentlichkeitsarbeit die neuen Maßnahmen und mögliche Alternativen nahe bringen mit dem Ziel, auch auf Privatgrundstücken und in Gartenvereinen den Einsatz von Pestiziden aufzuhalten.

Begründung:

Mehr als 300 000 Tonnen Pestizide werden jährlich in Deutschland ausgebracht. Auch in Leipzig wird viel Gift gegen Unkraut und Schadinsekten verspritzt. Direkte Folgen sind tödliche Auswirkungen auf vermeintliche Schädlinge – aber auch "Kollateralschäden" an anderen Tieren und Pflanzen.
Aber:
- Pestizide gefährden auch die menschliche Gesundheit.
- Pestizide zerstören die Bodenfruchtbarkeit, sind schädlich für Wasserorganismen und haben negative Auswirkungen auf Bienen und andere Insekten sowie Vögel und Säugetiere.
- Pestizide sind mitverantwortlich für das zunehmende Artensterben.
Um den Pestizideinsatz in Leipzig einzugrenzen auf nur das fachlich Gebotene, ist Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung erforderlich. Von ihrem "Schönheitsideal" für den Pflegezustand des Straßen begleitenden Grüns, von Wegen und Plätzen sowie Kleingärten hängt auch ab, welche Anforderungen nach öffentlicher Ordnung gestellt werden. Es wäre deswegen wünschenswert, wenn sich Leipzig am Beispiel München orientiert und einen Material zur Verfügung stellt, welches neben den öffentlichen Stellen auch in Gartenmärkten und Kleingartenvereinen verteilt werden könnte. (siehe Anlage)
Grundsätzlich wird beim kommunalen Pestizideinsatz zwischen zwei Arten von öffentlichen Flächen unterschieden: Kulturland und Nicht-Kulturland.
Auf Kulturland (Parks, Gärten, Forst) ist die Verwendung von Pestizide grundsätzlich möglich, sie müssen aber nicht zum Einsatz kommen.
Auf Nicht-Kulturland dürfen Pestizide nur mit Ausnahmegenehmigung eingesetzt werden. Das sind unter anderem Straßen, Wege aller Art, Plätze, Parkplätze, Böschungen, Gleisanlagen, Hafenanlagen und Flughäfen, aber auch Grünflächen wie Naturschutz-Ausgleichsflächen, Spiel- und Liegewiesen, Spielplätze, Schulen, Kindergärten und Schwimmbäder. Ausnahmen sind genehmigungsfähig, wenn der angestrebte Zweck vordringlich ist und mit zumutbarem Aufwand auf andere Art nicht erzielt werden kann und überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier oder des Naturhaushaltes, nicht entgegen stehen. Die Pflichten der Kommune müssen beim Verzicht auf Pestizide nicht vernachlässigt werden. Dies zeigen Kommunen wie Münster, Saarbrücken, Tübingen und andere, die seit vielen Jahren ohne Pestizide arbeiten. Die Stadt Saarbrücken etwa geht diesen Weg und kommt seit über 20 Jahren ohne Pestizide aus.

Besorgte Bürger berichten vom zunehmenden Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf Nicht-Kulturland. Insbesonder das wachsende Bewusstsein für naturnahes Gärtnern im Kleingarten und der Wunsch der Pächter dort gesunde, pestizidfreie Pflanzen ziehen zu können, müssen berücksichtigt werden. Daher ist auch die Aufklärung der Kleingartenvereine über die gesundheits- und umweltschädigenden Auswirkung beim Einsatz von Pestiziden und die natürlichen Alternativen ein wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung. Dazu sollte auch eine Prüfstelle für Boden- und Wasserqualität für Kleingartenpächter beworben werden.

Der weitverbreitete Einsatz von handelsüblichen Breitband-Anwendungen wie Roundup der Firma Monsato mit dem Wirkstoff Glyphosat, ist ein gefährliches Unterfangen. Als unspezifisches Herbizid ist es im landwirtschaftlichen Großflächeneinsatz inzwischen sehr umstritten, da Ziel-Schädlinge schon Resistenzen entwickelt haben und sich nun als Super-Unkräuter unbeherrschbar verbreiten und Ernten vernichten.

Definition:
Pestizide sind chemisch-synthetische Stoffe und Stoffkombinationen, die giftig auf im jeweiligen Anwendungsbereich unerwünschte Organismen (Tiere oder Pflanzen) wirken. Sie töten, vertreiben, hemmen das Wachstum oder die Keimung. Der Begriff "Pestizide" stammt vom englischen Wort "pests" (Schädlinge). Diese Gifte können nach "Ziel-Organismen" eingeteilt werden. So gibt es Insektizide (gegen Insekten), Herbizide (gegen Pflanzen), Fungizide (gegen Pilze) und weitere. Pestizide haben einen oder mehrere Wirkstoffe, die bestimmten Gruppen von Pestiziden zugeordnet werden können.
(Quelle: http://www.bund.net/themen_und_projekte/chemie/pestizide/wirkstoffe/)

Anlage zum Antrag V/A 575

Haupteinsatzgebiete in der Stadt, inklusive Kleingärten, sind vor allem Herbizide.

! Pestizide gefährden die menschliche Gesundheit.
Das häufig eingesetzte Herbizid Glyphosat wird mittlerweile mit chronischen Erkrankungen, Störungen des Hormonsystems, Geburten- defekten sowie Krebs und Parkinson in Verbindung gebracht. Weswegen der Einsatz von Pestiziden in Kindereinrichtungen und deren Umgebung unterbunden werden muss.

! Pestizide zerstören die Bodenfruchtbarkeit, sind schädlich für Wasserorganismen und haben negative Auswirkungen auf Bienen und andere Insekten sowie Vögel und Säugetiere.
Herbizide zerstören den Anfang der Nahrungskette. Im Ergebnis verhungern z. B. in Kleingärten ca. 1/3 bis die Hälfte der Jungvögel, weil ihnen die Insekten als Futter fehlen. Den Insekten wurde durch die Herbizide das Futter vergiftet. Dazu kommt der Massenmord an Regenwürmern und anderen Bodenlebewesen. Das führt zur Zerstörung des Bodens. Auch der Einsatz gegen Blattläuse hat negative Folgen. Sie sind eine wertvolle Futterquelle für viele gern gesehene Gartentiere: Der vom Regen abgespülte Zuckersaft düngt die Bodenpilze. Die wiederum versorgen die Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen. Die Ameisen, die den Zuckersaft ebenfalls schätzen und die Blattläuse dazu schützen und pflegen, vertilgen rundherum die Raupen und andere Pflanzenschädlinge. Saugen die Blattläuse zuviel, so dass die Pflanzen zu sehr geschwächt werden, transportieren die Ameisen sie zu anderen Pflanzen und Nahrungsmangel führt auch dazu, dass die Blattläuse wieder Flügel bilden und von selbst verschwinden. Nur sehr empfindliche Pflanzen, die mit Boden und Klima nur schwer zurecht kommen, leiden unter den Blattläusen, die anderen profitieren.
Der Einsatz gegen Ameisen im Außenbereich ist ein großer Fehler. Im Haus bzw. in der Laube ist das berechtigt. Draußen gehören Ameisen zu den nützlichsten Tieren überhaupt.
Zum Einsatz gegen Nacktschnecken sollte nur das Schneckengift zugelassen werden, das auch im Biolandbau zugelassen ist. Die Alternative wäre absammeln, aber das ist nur im Kleingarten machbar und sehr arbeitsintensiv.

! Pestizide sind mitverantwortlich für das zunehmende Artensterben.
Die natürliche Aussterberate ist um das 100- bis 1000-fache angestiegen, alleine zwischen 1970 und 2000 ist die Artenvielfalt um rund 40 Prozent zurückgegangen. In Sachsen stehen 40 % aller Arten auf der Roten Liste.

! Vorsicht: Die Werbung der Chemieindustrie verharmlost die Wirkung ihrer Produkte oft.
Glyphosat wird so z. B. teilweise als Bioprodukt beworben, weil das Zeug innerhalb einer Woche biologisch abgebaut werde (siehe z. B. Chrestensen im Internet).

Material: Faltblatt Umweltinstitut München/2014 "Allestöter"


Verwaltungsstandpunkt:

Zustimmung mit Ergänzung zu Beschlusspunkt 1:
Die Stadt Leipzig verzichtet schrittweise auf allen kommunalen Flächen, auf Kultur- sowie Nicht-Kulturland, auf den Einsatz von Pestiziden. Zu Beginn wird insbesondere auf, bzw. in der Nähe, von Kinderspielplätzen, Schulen und Kindergärten auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet. Alternativ kommen nur die im Biolandbau verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittel zum Einsatz. Nur in wenigen Fällen bei invasiven Arten, wenn sie sich diese auf mechanischem Wege nicht beseitigen lassen, können diese chemisch bekämpft werden, weil dies unter den gegebenen Umständen die sinnvollste und nachhaltigste Methode darstellt.

Zustimmung mit Ergänzung zu Beschlusspunkt 2:
Zur zeitlichen Umstellung der kommunalen Grünpflege ohne Pestizideinsatz erstellt die Stadtverwal- tung einen Maßnahmeplan mit verpflichtenden zeitlichen Schritten unter Berücksichtigung der kommunalen Leistungsfähigkeit sowie der gesetzlichen Regelungen.

Alternativvorschlag zu Beschlusspunkt 3:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt, an die privaten Dienstleistungsunternehmen, städtischen Unternehmen und Beteiligungen, die den Auftrag zur Pflege öffentlicher Flächen erhalten oder diese besitzen, sowie an Pächter kommunaler Liegenschaften zu appellieren auf Pestizide zu verzichten. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, sind ab 2015 alle Sachkundigen im Umgang mit Pestiziden im Abstand von drei Jahren nachweislich zu schulen.

Alternativvorschlag zu Beschlusspunkt 4:
Mittels einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit wird die Stadt Leipzig der Bevölkerung geeignete Maßnahmen bzw. mögliche Alternativen nahebringen, auch auf Privatgrundstücken und in Kleingartenvereinen den Einsatz von Pestiziden aufzuhalten.

Beschlusspunkt 5:
Die kommunalen Landwirtschaftsflächen sind von der Beschlussfassung ausgenommen, da Agrarumweltrichtlinien bereits eingehalten werden.

Sachverhalt:
Nach § 12 Absatz 2 des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG) dürfen Pflanzenschutzmittel nur auf Freilandflächen angewendet werden, die landwirtschaftlich, gärtnerisch oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Darunter sind die Flächen zu verstehen, auf denen Kulturpflanzen angebaut werden. Dazu gehören zum Beispiel auch Beet- und Rasenflächen in Parkanlagen und auf Friedhöfen, Straßenbegleitgrün, Baumscheiben sowie begrünte Sportflächen (Sportrasen). Auf anderen Freilandflächen dürfen Pflanzenschutzmittel nur dann angewendet werden, wenn das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) als zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung erteilt hat. Dies gilt für alle Flächen mit unerwünschtem Pflanzenwuchs wie Wege, Plätze, Gleisanlagen und sonstiges Nichtkulturland. Für die Vollzugskontrolle ist das LfULG zuständig. In den städtischen Wäldern wird aufgrund der Doppelzertifizierung für nachhaltige Waldbewirtschaf- tung PEFC (Endorsement of Forest Certification Schemes) und FSC (Forest Stewardship Council) auf den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln sowohl flächig als auch zur Ertragssteigerung verzichtet. Entsprechend der aktuellen Friedhofssatzung vom 15.12.2010 ist der Einsatz von Unkrautvertil- gungsmitteln oder chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln verboten. Zur Pflege und Bewirt- schaftung der 7 kommunalen Friedhöfe werden keine Pestizide verwendet. Im Ausnahmefall/Einzelfall muss der Einsatz beim LfULG beantragt werden. Seit Anfang der neunziger Jahre wird in der städtischen Grünpflege konsequent auf den flächende- ckenden Einsatz von Herbiziden zur Wildkrautbekämpfung verzichtet. Nur in wenigen Fällen wurden bislang invasive Arten, wenn sie sich auf mechanischem Wege nicht beseitigen ließen, im Abstreich-verfahren chemisch bekämpft, weil dies unter den gegebenen Umständen die sinnvollste und nach- haltigste Methode darstellt. Diese Möglichkeit sollte auch weiterhin gegeben sein, um die sich extrem ausbreitenden invasiven Pflanzen wie Riesenknöterich, Riesenspringkraut oder Herkulesstaude eindämmen zu können.

Das gilt vor allem dann, wenn diese die vorhandenen Vegetationsbestandteile unterwandert haben. Ein generelles Einsatzverbot von Pestiziden würden einen erhöhten Bedarf an manuellen Arbeits- kräften sowie entsprechender Technik nach sich ziehen bzw. die Vergabepreise und somit die finanziellen Belastungen für die entsprechenden Ämter und folglich den städtischen Haushalt erhöhen. Die ausschließlich mechanische Bekämpfung des Bewuchses wäre wesentlich ineffizienter. Die Mitarbeiter des Eigenbetriebes Stadtreinigung testeten bereits eine Anzahl von nicht

chemischen Methoden zur Wildkrautbeseitigung. Die Ergebnisse konnten allerdings nicht überzeugen. Aus Sicht der Verwaltung wird ein Verzicht auf privaten Grundstücken befürwortet. Die Öffentlich- keitsarbeit zu diesem Thema intensiver zu gestalten, ist eine Möglichkeit die Leipziger Bevölkerung zu motivieren sensibler im Umgang mit frei verkäuflichen Pestiziden zu sein bzw. ganz auf diese zu verzichten.

Schon gegenwärtig erfolgt die regelmäßige Weiterbildung aller Sachkundigen, die Pestizide

 

Beschluss der Ratsversammlung am 25. März 2015:

mehrheitliche Zustimmung zum Verwaltungsstandpunkt

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