Leipziger Schulbaurichtlinie für zeitgemäße Bildungsbauten (Antrag 301/12)

Beschlussvorschlag:

Die Stadt Leipzig erstellt eine eigene Schulbaurichtlinie.
Die Schulbaurichtlinie:

  • enthält Hinweise zur Gestaltung der Vielschichtigkeit und der räumlichen Anregung
  • ermöglicht zwingend Barrierefreiheit und respektiert inklusive Schulkonzepte
  • enthält Anforderungen an die hohe Variabilität des sozialen Arrangements und der Arbeitsformen
  • ermöglicht eine zeitgemäße technische Ausstattung
  • profiliert kulturelles Lernen
  • leistet Beiträge zur gesunder Lernumgebung
  • dekliniert demokratisches Lernen
  • ist Vorbild im Umgang mit Umwelt und Technik
  • Öffnet die Schule zur Stadt – die Stadt öffnet sich zur Schule
  • beschreibt den Umgang mit Bestandgebäuden
  • enthält Aussagen über das Verfahren bei einem Schulneubau oder einem Schulumbau hinsichtlich der Beteiligung
  • bietet ein ausgewogenes Musterraumprogramm, z. B. orientiert an den Bedürfnissen von Ganztagsschulen.


Begründung:

Wir stehen vor einem großen Schulbau- und Sanierungsprogramm. Dies darf nicht allein ökonomisch diskutiert werden, sondern muss dem Zweck von Schule und ihrer Integration in die Stadt(-entwicklung) entsprechend zuerst inhaltlich definiert werden

Eine Landesschulbaurichtlinie (die bisher auch viele Aspekte unberücksichtigt ließ) gibt es nicht mehr, wir brauchen eine kommunal definierte Richtlinie.
In Sachsen wurden mit der Kommunal- und Funktionalreform 2008 Teile der Musterschulbaurichtlinie übernommen, die die bauaufsichtlichen Anforderungen beschreiben. Darin gibt es bezogen auf Flächenbedarfe keine gültigen Festlegungen mit Aussagen zur Größe und Gestaltung der Klassenräume bzw. der Unterrichtsflächen mehr.
Schulbauten unterliegen regionalen Besonderheiten, die gemäß dem Subsidiaritätsprinzip vor Ort geklärt werden sollten. Die Erfahrungen der kommunalen Schulverwaltung sowie der NutzerInnen von Schulgebäuden können in einer eigenen Richtlinie individuell gewürdigt werden. Darin müssen definitive Vorgaben mit der wichtigen Flexibilität, für die Vielfalt neuer Lernkulturen und Raumkonzepte, verbunden und Möglichkeiten der Beteiligung lokaler Akteure vorgesehen werden.
Städte wie Köln, Herford, Hamburg und Berlin haben bereits eigene kommunale Leitlinien zum Schulbau erstellt.
Eine zeitgemäße Schulbaurichtlinie enthält1:

 

  • Hinweise zur Gestaltung der Vielschichtigkeit und der räumlichen Anregung:
    z.B. die Flure werden nicht nur als Verkehrsflächen im Sinne von reinen Erschließungsflächen verstanden, sondern zum Beispiel auch zur Anordnung von Lernnischen zulassen. Auch die Integration des Außenraums in den Lern- und Erfahrungsraum ist gedacht.
  • Anforderungen an die hohe Variabilität des sozialen Arrangements und der Arbeitsformen:
    mehrere Unterrichtsräume werden zu einem »Cluster« zusammengeschaltet, in dem die Verkehrsflächen multifunktional gestaltet und Kleingruppenräume, Lehrerstation und Lehrerarbeitsplätze, Sanitäreinrichtung und Abstellraum zugeordnet werden. Diese Anforderungen beziehen sich auf die Größe, Gliederung und Ausstattung dieser Räume.

  • Orientiert Bedürfnisse an die Ganztagsschule:
    neben Mensa und Bibliothek auch Verweilorte für stilles individuelles Arbeiten und Lernen, kommunikative Zonen im Innen- und Außenbereich, Sport- und Spielfelder, Grünflächen, Baumschatten, möglichst sogar Wasserstellen, Nischen zum Nichtstun.
    (Die sächsische Schulbaurichtlinie enthält keine räumlichen und gestalterischen Vorgaben für eine Ganztagsschule. Allerdings gibt es eine separate Förderrichtlinie für den Neu-, Aus- und Umbau von Ganztagsschulen.)

  • Ermöglicht zeitgemäße technische Ausstattung:
    Schulbuch und Kreidetafel werden ergänzt durch Tablet-PC, Smartboard und andere neue Medien:
    Von technischen Komplettlösungen zu Leerrohren. Mit der Bereitstellung von Laptopwagen/Tablet-PCs werden spezielle Computerräume überflüssig. Die Nutzung von e-learning-Konzepten findet zunehmend in allen Fächern Anwendung, ebenso der Einsatz von Smartboards bzw. I-Pen-Tafeln. Darum sind alle Unterrichtsflächen und Arbeitsbereiche ausreichend mit LAN-Punkten, deckengestützter Beamerhalterung, Projektionsfläche, Steckdosen sowie Leerrohren ausgestattet oder zumindest dafür vorbereitet.
    (Außer Bremen, Sachsen und Österreich enthalten fast alle untersuchten Richtlinien und Leitlinien, die Forderung nach einer Mediathek, einem Selbstlernzentrum und/oder einer Bibliothek.
    Die Schulbaurichtlinien von Sachsen und Österreich enthalten keine Angaben zur technischen und medialen Ausstattung der Schulräume.)

  • Respektiert Inklusive Schulkonzepte:
    die unterschiedlichen Grade persönlichen Entwicklung, körperlichen oder geistigen Handicaps, Geschlechts, unterschiedlichen ökonomischen, sozialen und migrationsbedingten Hintergrundes der SchülerInnen.

  • Barrierefreiheit ist zwingend:
    Verkehrswege mit Rampen, Aufzug, behindertengerechte Sanitäranlage, entsprechende Tür- und Flurbreiten etc. Das besondere Bewegungsbedürfnis – insbesondere von emotional gestörten Kindern und Jugendlichen – findet Berücksichtigung bei der Definition des dafür notwendigen zusätzlichen Flächenbedarfs für den Unterrichtsbereich.(Sachsen: keine Ewähnung)

  • Profiliert Kulturelles Lernen:
    Ein Schulbau eröffnet auch Felder und Flächen, die die Gestaltungslust der jungen Generation herausfordern und die Chance bieten, eigene »Spuren« zu hinterlassen.(Sachsen: keine Erwähnung)

  • Leistet Beiträge zur gesunder Lernumgebung:
    Lernen in Gesundheit und Bewegung, statt ungesunder Räume weiträumige Bewegungsfläche innen und außen, konsequente Schallreduktion, mehr Licht. Der Außenbereich ist in drei Zonen – Ruhe-, Spiel- und Sportbereich – gegliedert, mit Sitzgelegenheiten sowie vielfältigen Bewegungsanregungen ausgestattet.

  • Dekliniert Demokratisches Lernen:
    Die Schule wird mit all ihren Nutzergruppen – LehrerInnen, SchülerInnen, Hausmeister, Eltern, NachbarInnen – in die Aushandlungsprozesse während der Bauplanung einbezogen. Entscheidend ist die Aula (oder ein entsprechend nutzbares Foyer o.ä.) als ein Ort, an dem sich die ganze Schulgemeinde versammeln kann. Darüber hinaus sind vorzusehen: SMV-Büro, Streitschlichterraum sowie ein Elternsprechzimmer.

  • Schulen sind Vorbild im Umgang mit Umwelt und Technik:
    Die Unterrichtsräume besitzen einen unmittelbaren Zugang zu naturnahen Außenflächen. Ein Ressourcen schonender Einsatz von Baumaterialien und Heizenergien ist vorgeschrieben. Die Baustruktur lässt spätere Erweiterungen, Veränderungen und Umnutzungen und damit langfristige Nachhaltigkeit unaufwändig zu.

  • Öffnet die Schule zur Stadt – die Stadt öffnet sich zur Schule:
    Die Schule ermöglicht wechselseitige Nutzung zentraler Funktionen. Zentrale Funktionen der Schule sind so platziert, dass ihre Lage und ein effizientes Orientierungssystem eine öffentliche Nutzung erlauben. Dies betrifft vor allem: Aula, Bibliothek, Spielplatz, Sportanlagen, Cafeteria, Parkplatz. Aber auch bestimmte ausstattungsintensive Spezialräume – Naturwissenschaften, Technik, Computerlabore etc. – bieten für Volkshochschulen und andere Partner attraktive Mehrfachnutzungen auch am Abend. Arbeitsergebnisse der SchülerInnen können öffentlich präsentiert werden. Zugleich sind der Offenheit aber auch Grenzen gesetzt, denn die SchülerInnen brauchen auch geschützte Bereiche, in denen die Ergebnisse ihrer Arbeit und die vorbereitete Umgebung ihrer Klassen vor Eingriffen durch Fremde geschützt sind.

  • Beschreibt den Umgang mit Bestandgebäuden:
    und nennt Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen Bestandsgebäude erhalten werden können bzw. sollen. Und räumt Ausnahmeregelung bei bestehenden Gebäuden bezüglich der Flächenvorgaben ein. Die Flächenangaben dienen als Leitfaden.

  • Enthält Aussagen über das Verfahren bei einem Schulneubau oder einem Schulumbau hinsichtlich der Beteiligung, auch von SchülerInnen (als NutzerInnen) während des Planungsprozesses.

  • Bietet ein ausgewogenes Musterraumprogramm:
    beruhend auf unterschiedlichen Angaben, die von Quadratmeterangaben pro SchülerIn, Flächenangaben für einzelne Räume, pauschale Flächenangaben für einzelne Bereiche, Anzahl von Räumen, Angabe von Tischgrößen und – abständen bis hin zur Festlegung von Verhältnissen bestimmter Flächen zueinander variieren. (In Sachsen gibt es aufgrund des Außer-Kraft-Tretens der Allgemeinen Schulbauempfehlungen kein Musterraumprogramm, das als Grundlage zur Bemessung der Förderbeiträge und zur Planung herangezogen werden könnte.)

    1Quelle:
    Arno Lederer, Barbara Pampe, Montag Stiftung Urbane Räume gAG, Vergleich ausgewählter Richtlinien zum Schulbau – Kurzfassung, Heft 1 zur Reihe »Rahmen und Richtlinien für einen leistungsfähigen Schulbau in Deutschland«
    siehe auch: http://www.montag-stiftungen.de/fileadmin/Redaktion/Urbane_Raeume/PDF/Projekte/Koperationsprojekte/MUR_SBRI_web.pdf
Beschluss der Ratsversammlung vom : 22.11.2012
Beschlusstatus : beschlossen

 

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