Massive Abholzungen entlang von Bahngleisen (Anfrage 1062/149

Anfrage an die Ratsversammlung vom 12.02.2014

In großen Bereichen entlang von Bahngleisen wurden in den letzten Wochen ein zum Teil extremer Kahlschlag auch an langjährig dort wachsenden Bäumen vorgenommen. Es sieht entlang von Leipzigs Bahnstrecken in Abschnitten aus, wie eine sehbar gemachte Begriffsdefinition von „radikal“. Auf erschreckende Weise wurde zum Teil großräumig das Grün bzw. der Aufwuchs entlang der Strecken abgesägt. Es handelt sich dabei nicht um einen üblichen Pflegeschnitt zur Gefahrenabwehr, sondern um gezielte großflächige Abholzungen. In besonders brutaler Art und Weise stellt sich dieser logisch nicht nachvollziehbare Kahlschlag an der Brückenstraße im Wolfswinkel zwischen Großzschocher und Markkleeberg dar, aber er ist auch in anderen Stadtteilen entlang den Bahngleisen unübersehbar.

Wir fragen an:

  1. Wo sind in Leipzig entlang von Gleisanlagen weitere großflächige Einschläge vorgenommen worden bzw. wo sind diese geplant?
  2. Mit welcher Begründung wurden teilweise über 10 Meter breite Schneisen neben den Gleisen geschlagen und in wessen Verantwortungsbereich stehen diese Maßnahmen?
  3. Welche Vorschriften und Vereinbarungen regeln die Pflichten und Rechte zwischen Stadt und Deutscher Bahn entlang der gleisbegleitenden Flächen?
  4. Wie beurteilt die Untere Umweltbehörde die Auswirkungen auf die Flora und Fauna bei diesen radikalen Eingriffen und welche Ausgleichsmaßnahmen wurden eingefordert.

Die Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung hier als Protokollauszug:

Bürgermeister Rosenthal legt dar, soweit es sich um die Absicherung des Bahnbetriebes handele, würden Eingriffe in Gehölzbestände im Bereich von Eisenbahnanlagen auf Flächen der Bahnunternehmen in der Regel durch die Deutsche Bahn AG selbst bzw. durch von ihr selbst oder ihre Tochterunternehmen beauftragte Firmen durchgeführt. Eine Anzeigepflicht bestehe nicht. Durch die DB Fahrdienste GmbH würden der unteren Naturschutzbehörde lediglich auf freiwilliger Basis die betroffenen Strecken mitgeteilt. Eine detaillierte örtliche oder zeitliche Eingrenzung der Maßnahmen erfolge nicht. Sofern im jeweiligen örtlichen Einzelfall Gehölzbestände auf Anliegergrundstücken die Betriebssicherheit des Bahnverkehrs beeinträchtigen, würden die Eigentümer von der DB Fahrdienste GmbH zur Behebung der Mängel aufgefordert. So sei aktuell das Amt für Sport durch die DB Fahrdienste GmbH aufgefordert worden, im Bereich des Sportplatzes an der Dortmunder Straße seiner Verkehrssicherungspflicht gegenüber den Anlagen der Deutschen Bahn nachzukommen. Die Stadt Leipzig selbst beabsichtige derzeit nicht, weitere großflächige Gehölzbeseitigungen an Bahnanlagen vorzunehmen.

Maßnahmen auf Flächen im Bereich von Eisenbahnanlagen, die für die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs von Bewuchs frei zu halten sind, würden von einer Vielzahl von Faktoren definiert, wie etwa dem vorhandenen Geländeprofil, Kurvenradius, Zugwagentyp, Höchstgeschwindigkeit, Signalabstand, Oberleitungen, Leitungsverspannungen. Die Maßnahmen seien für den jeweiligen Einzelfall in den technischen Regelwerken für Bahnanlagen festgeschrieben. Eine technische Begründung erfolge durch die DB AG nicht.

Die Maßnahme Brückenstraße sei in Verantwortung des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten durchgeführt worden. Hauptgrund für den Holzeinschlag sei die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich angrenzender Anlagen der Deutschen Bahn, einer im Streifen zwischen Straße und Bahn befindlichen, den Stadtteil Grünau mitversorgenden Fernwärmeleitung sowie der S 46. Die heutige Brückenstraße sowie die Fernwärmeleitung nach Grünau seien Ende der Achtzigerjahre angelegt bzw. neu gebaut worden. Dadurch sei der Waldbestand, welcher sich zwischen der Eisenbahnlinie und der heutigen S 46 befinde, von jeglichem Zugang abgeschnitten worden und mit Technik nicht erreichbar. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten als verkehrssicherungspflichtige Dienststelle habe sich aus diesem Grund in Abstimmung mit der AG Stadtwald entschieden, die Fläche in die Betriebsform des Niederwaldes zu überführen. Die Fläche werde jeweils nach 20 bzw. 30 Jahren abgetrieben. Die Verjüngung erfolge durch Stockausschläge, sodass die Verkehrssicherheit dauerhaft gegeben sei und gleichzeitig ein Beitrag zur Verbesserung der ökologischen Verhältnisse mit dem Ziel der Erhöhung der Biodiversität geleistet werde. Details zu dem Umstand, warum sich die Fläche im Bestand heute so darstelle, finde man in der Forsteinrichtung der Stadt Leipzig, die vom 1. Januar 2013 bis 2022 gültig sei. Bei den Bäumen im Bereich der Brückenstraße habe dringender Handlungsbedarf bestanden, da von den Pappeln Gefahren für Menschen und Anlagen ausgegangen seien. Nach § 19 Abs. 2 des Sächsischen Waldgesetzes stelle die Maßnahme keinen Kahlhieb dar. Die Vegeta-tionsform Wald bleibe in jedem Fall erhalten.

Die Gewährleistung der Betriebssicherheit von Bahnanlagen sei eine Forderung von § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und von § 2 Abs. 1 der Eisenbahnbau- und –betriebsordnung. Die Verantwortung für die Anlieger resultiere aus der dort geregelten Verpflichtung, Schäden durch in ihrem Eigentum befindliche Gehölze an Personen und Sachen zu verhindern.

Gemäß § 4 des Bundesnaturschutzgesetzes sei unter anderem auf Flächen, die dem öffentlichen Verkehr als öffentliche Verkehrswege oder der Versorgung dienen, die bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten. Nach § 39 Abs. 5 dieses Gesetzes seien Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können, unter anderem zulässig, wenn sie der Gewährleistung der Verkehrssicherheit dienen. Zu Maßnahmen zur Herstellung der Verkehrs- und Betriebssicherheit auf oder an Bahnanlagen treffe die Naturschutzbehörde daher keine Entscheidungen, sondern sei nur informell beteiligt.

Stadtrat Reupert (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob Bürgermeister Rosenthal mit ihm übereinstimme, dass die fachgerechte Art bei diesen Niederwaldrückschnitten nicht Kahlschlag sei, sondern dass man das in Abständen von sieben bis acht Jahren zu jeweils einem Drittel tue.

Bürgermeister Rosenthal verweist auf die Forsteinrichtung der Stadt Leipzig. Dort sei fachlich niedergelegt, was an dieser Stelle passiere. Der Einschlag erfolge alle 20 bis 30 Jahre in der Bewirtschaftung als Niederwald. Zu Details wolle er sich nicht äußern.

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