Neuordnung der Vergabepraxis für Kinderbetreuungsplätze in Leipzig(Antrag 341/12)

Beschlussvorschlag:

  1. Die Verwaltung erstellt eine tatsächliche Bedarfsanalyse für Kinderbetreuungsangebote und macht diese zur Grundlage für die zukünftige Investitionsstrategie beim Ausbau der Kinderbetreuungsplätze.
  2. Die Stadt bekennt sich zu einem raschen und qualifizierten Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten. Dabei ist insbesondere das Betreuungsangebot für Kinder von 0-3 Jahren quantitativ über Krippenplätze und über qualifizierte Tagesmütter und -väter zu verbessern und den tatsächlichen Bedarfen anzupassen. Aber auch das Betreuungsangebot für Kinder ab 3 Jahren muss deutlich ausgebaut werden und ebenso den tatsächlichen Bedarfen angepasst werden. Der Ausbau von Betreuungsplätzen wird besonders in den Stadtteilen vorangetrieben, in den ein erhöhter Bedarf herrscht.
  3. Der Oberbürgermeister legt bis 31.12.2012 einen Plan vor, wie der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab August 2013 realisiert werden kann.
  4. Die Verwaltung befragt ab 01.01.2013 sofort per Geburt oder per Anmeldung beim Standesamt die Eltern nach ihren Kinderbetreuungswünschen. Dies beinhaltet sowohl den voraussichtlichen Zeitpunkt zu dem der Bedarf eintritt als auch den Stadtbezirk in dem die Eltern einen Betreuungsplatz für ihr Kind in Anspruch nehmen wollen.
  5. Das KiTa-Platz-Portal www.meinkitaplatz-leipzig.de wird mit Wirkung zum 01.07.2013 zu einer reinen Informationsplattform umgestellt. Neben Kontaktdaten der Einrichtungen und Tagesmüttern- und vätern sollten pädagogische Konzepte, Gesamtanzahl der Plätze und BetreuerInnen, sowie Ansprechpersonen hinzugefügt werden. Zu dem müssen ausreichend Informationen zur Platzvergabe hinzugefügt werden, um ein möglichst hohes Maß an Transparenz zu ermöglichen.
  6. Die Eltern melden ihren Kinderbetreuungsbedarf ab 01.03.2013 zentral an. Die Anmeldung muss mindestens ein halbes Jahr vor Betreuungsbeginn beim Jugendamt erfolgen. Die Anmeldung beinhaltet neben persönlichen Daten unter anderem Kriterien wie Berufstätigkeit/ Ausbildung/ Pflege, Geschwisterkinder und einer Liste von Wunscheinrichtungen. Diese Datenabgabe ist durch Rücksprache mit dem Datenschutzbeauftragten abzusichern. Eltern denen es nicht möglich ist, sich ein halbes Jahr vor Beginn der Betreuungszeit anzumelden, sei es durch Krankheit, Umzug, bevorstehende Arbeits-/ Ausbildungsaufnahme oder sonstige begründbare Fälle, wird die Möglichkeit eines Dringlichkeitsantrages gegeben.
  7. Das Jugendamt verwaltet ab 01.07.2013 alle öffentlich geförderten Betreuungsplätze, die von kommunaler Einrichtung und die von Freien Trägern gleichermaßen. Die Leistungsverträge zwischen der Stadt Leipzig und den Freien Trägern der Jugendhilfe, welche Kitaplätze anbieten, sind ggf. entsprechend anzupassen.
  8. Der Oberbürgermeister erstellt zum 01.07.2013 einen softwaregestützten Kriterienkatalog, der eine begründete Rangfolge enthält. Dabei sind unter anderem Kriterien wie Ausbildung oder Berufstätigkeit, Wohnort, Geschwisterkinder, Wartezeit und Gemeinde-/Trägerzugehörigkeit einzubeziehen. Diese Kriterien sollen mit Hilfe von Wertpunkten eine vordringliche Vergabe befördern. Diese Datenbank wird zentral vom Jugendamt gesteuert und nach erfolgter Platzvergabe umgehend um freien Platz und den Betreuungswunsch bereinigt.
  9. Ab 01.07.2013 werden in den kommunalen Einrichtungen wie auch in allen Einrichtungen der Freien Träger keine Wartelisten mehr geführt. Dies führt einerseits zu einer spürbaren Entlastung aller Träger und Einrichtungen zugunsten der pädagogischen Arbeit und trägt zudem zu mehr Transparenz und einer zentralen Koordination bei.
  10. Das Jugendamt entscheidet bei der Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen primär nach der Liste der Wunscheinrichtung der Eltern. Sollte die Anzahl der Wünsche die der freien Plätze in der jeweiligen Einrichtung nicht übersteigen, ist zwischen den Eltern und der Einrichtung nach Möglichkeit Einvernehmen herzustellen. Den Einrichtungen ist dabei die Verantwortung der KiTa-Platz-Vergabe übertragen. Die Ablehnung einer Vergabe ist gegenüber dem Jugendamt zu begründen. Übersteigt die Nachfrage nach Plätzen das Angebot, so ist durch die vom Jugendamt verwaltete Datenbank und auf Grundlage des Kriterienkataloges eine faire und transparente Platzvergabe abzusichern.
  11. Die Stadt ermöglicht ab 01.07.2013 umfangreiche Informationsmöglichkeiten für die Eltern über den Stand der Bearbeitung ihrer Bedarfsanmeldung.

Begründung:

Die Stadt Leipzig hat sich das Thema "Familienfreundlichkeit" auf die Fahnen geschrieben. Die "Sicherung einer wohnort- oder arbeitsnahen, nachfrageorientierten Versorgung mit Plätzen in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege" wird im "Aktionsplan für eine kinder- und familienfreundliche Stadt 2011 bis 2015" als erster Punkt im Aufgabenbuch der Stadtverwaltung aufgeführt. Wir begrüßen, dass die Stadt in den letzten Jahren trotz angespannter Haushaltssituation große Anstrengungen auf diesem Gebiet unternommen hat.

In den letzten Jahren konnte die Stadt einen deutlichen Geburtenzuwachs verzeichnen, allerdings sind die Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder nicht in dem Maße gestiegen. Daher wurde in mehreren gemeinsamen Arbeitsrunden mit interessierten Eltern ein Forderungskatalog erarbeitet, der die Betreuungssituation langfristig verbessern soll. Dieser Forderungskatalog setzt sich mit den zentralen Problemen der Stadtverwaltung im Rahmen der Vergabe der vorhandenen Krippen- und Kindertagesstättenplätze sowie der Betreuungsplätze in der Tagespflege auseinander. Hier wurde jahrelang versucht, ein elektronisches Vergabesystem zu verorten, welches aus unterschiedlichsten Gründen nie das eigentliche Ziel einer transparenten und fairen Vergabe erfüllen konnte. Stattdessen hat sich das Problem der Intransparenz und der unterschiedlichen Vergabepraxen durch das in den vergangenen Jahren im Rahmen des erfreulichen Geburtenzuwachses und des Familienzuzuges zugespitzte Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage dramatisch verschärft. Aus diesem Grund müssen sowohl die Stadt Leipzig als auch die Freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe umsteuern und ein gemeinsames Instrumentarium ins Leben rufen, welches wieder Vertrauen in die Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen wie auch in den entschiedenen Ausbau der benötigten Plätze schafft.

Der Bedarf an Kinderbetreuung wurde in Leipzig bislang im Rahmen der Bedarfsplanung über Nutzungsquoten erhoben. Die vergangenen Jahre zeigten allerdings deutlich, dass es zu einem Wechsel der Erhebungsmethode kommen muss, um den tatsächlichen Bedarf an Kinderbetreuung zu ermitteln. Die Stadt Leipzig steht zudem vor der großen Herausforderung, dass in familienstarken Stadtteilen ein deutliches Unterangebot an Plätzen herrscht und ein deutlicher quantitativer Ausbau der Kinderbetreuungsangebote primär dort zu erfolgen hat, um dem Ziel der wohnortnahen Versorgung entsprechen zu können. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung des Rechtsanspruches auf einen Krippenplatz für Kinder ab einem Jahr im August 2013 muss sich die Stadt Leipzig deutlich dazu bekennen, den Plan A, nämlich den benötigten Ausbau kurzfristig zu stemmen und finanziell zu untersetzen, statt die notwendige Kraft zu teilen und parallel an einem Plan B zu arbeiten.

Das internetgestützte KiTa-Portal leistet bereits heute im Bereich der Information wichtige Dienste, dies sollte weiter ausgebaut werden. Der Bereich der Vergabe allerdings hat in den vergangenen Jahren zu Intransparenz und Frustration geführt, konnte auch durch ein gezieltes Nachjustieren in keinster Weise verbessert werden. Das Portal sollte daher umgehend zu einem reinen Informationsmedium umgebaut, die Vergabepraxis stattdessen auf komplett neue Beine gestellt werden.

Das Amt für Jugend, Familie und Bildung muss hier die zentrale Schnittstelle sein, da sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat, dass eine dezentrale Vergabe von Plätzen durch Träger und Einrichtungen selbst zu einer großen Verunsicherung, enormem Misstrauen der Eltern und zu völliger Intransparenz der Vergabe geführt hat. Zudem sind zahlreiche Einrichtungen in kommunaler und Freier Trägerschaft gleichermaßen durch das Verwalten von Wartelisten und die zahlreichen Termine mit Eltern mit Kinderbetreuungsbedarf überlastet. Hier kann durch ein gezieltes Umsteuern wieder die ungeteilte Kraft der eigentlichen pädagogischen Arbeit in den Einrichtungen zukommen.

Wenn man das Ziel der Familienfreundlichkeit ernst nimmt und den Kinder- und Familienboom, den Familien- und Fachkräftezuzug sowie auch die Stimmung in der Wirtschaft nicht ausbremsen will, muss man zwingend zu einer strukturierten Bedarfserfassung und ?verwaltung sowie schlussendlich auch einer zentral koordinierten Vergabe von Betreuungsplätzen gelangen. Die Freien Träger der Jugendhilfe müssen in diesem Zusammenhang bereit sein, zugunsten des Vertrauens und der Transparenz auf einen Teil ihrer bisherigen Eigenständigkeit zu verzichten, solange sie Plätze zur Verfügung stellen, welche durch die öffentliche Hand finanziert werden.

Eine koordinierte, strukturierte und zentrale Verwaltung erfordert zwingend ein striktes Verbot von Wartelisten in den Einrichtungen und eine aus dem System herausgelöste Vergabe von Betreuungsplätzen. Dies soll und wird auf der anderen Seite aber nicht dazu führen, dass die Einrichtungen im Vorfeld der Platzvergabe keinen Kontakt zu interessierten Eltern haben. Durch die Angabe von Wunscheinrichtungen bei der Bedarfsanmeldung im Amt für Jugend, Familie und Bildung sind die Eltern angehalten, sich im Vorfeld Informationen über die Betreuungslandschaft, die unterschiedlichen Bildungsprofile und die örtlichen Gegebenheiten einzuholen.

Die Vergabe hat schließlich mittels eines vom Amt für Jugend, Familie und Bildung zu erstellenden Kriterienkataloges zu erfolgen. Einrichtungen in Freier Trägerschaft werden die laut zentral verwalteter Datenbank zugeteilten Plätze mitgeteilt, sodass einerseits die vertragliche Basis weiterhin zwischen dem Freien Träger und den Eltern erfolgen wird, andererseits aber die vermeintliche Wahlfreiheit des Freien Trägers im Bezug auf die Familie eingeschränkt wird. Ausnahmeregelungen, welche ebenfalls zentral vom Amt für Jugend, Familie und Bildung gesteuert werden müssen, sind im gesetzlichen Rahmen nach wie vor zu gewährleisten, so muss beispielsweise eine kurzfristige verbindliche Platzzuweisung im Rahmen der vorbeugenden Kindeswohlgefährdung möglich sein.

Beschluss der Ratsversammlung am  
Beschlussstatus:  

 

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