OBM-Anfrage: Geschlechtergerechtigkeit in der Leipziger Kulturlandschaft

Anfrage zur Beantwortung bis zum 8. April 2023

Der Equal Pay Day 2023 widmet sich unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ dem Gender Pay Gap im Kunst- und Kulturbereich. Die unbereinigte Lohnlücke lag in Deutschland im Jahr 2022 bei 18 Prozent insgesamt (wobei die selbe Größe in Sachsen zum Zeitpunkt der letzten Datenauswertung 2020 bei 7,6% liegt). Beim unbereinigten Gender Pay Gap im Bereich „Kunst und Kultur Unterhaltung und Erholung“ kommen Frauen noch schlechter weg. Hier lag er im letzten Jahr sogar bei 20 Prozent deutschlandweit. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2023)

Wir bitten in diesem Zusammenhang um die Beantwortung folgender Fragen zu kommunalen Stellschrauben zur Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit:

  1. Auf welche Weise wird Equal Pay und Parität in der Kulturförderung bereits befördert? (Stichworte: Überprüfung auf geschlechterspezifische Ungleichheiten in Gehalts-/Honorarempfehlungen in kommunalen Förderrichtlinien, Parität in Fördergremien und Preisvergabejurys, Umgang mit Transparenz vs. Geheimhaltungsklauseln in Arbeits-/Honorarverträgen, Überprüfung von Vergütungsstruktur auf geschlechterspezifische Ungleichheiten)
  2. Wie ist das Verhältnis männliche/weibliche Personen auf der 1.-3. Leitungsebene der Leipziger Regie- und Eigenbetriebe Kultur?
  3. Wie ist das Verhältnis männliche/weibliche Personen auf der 1.-3. Leitungsebene bei institutionell geförderten Einrichtungen bzw. kann dazu eine Abfrage durch das Kulturamt erfolgen und nachgereicht werden?
  4. Wie hat sich die Präsenz von Werken von Frauen im Museum der bildenden Künste (inklusive Sammlungsbestand) und der Galerie für Zeitgenössische Kunst seit 1990 entwickelt? Gibt es ein Konzept bzw. eine Strategie für Geschlechtergerechtigkeit in diesen Häusern?
  5. Wie viele Dirigentinnen haben in den letzten fünf Jahren in den städtischen Kulturbetrieben bei Aufführungen, Gastspielen und Proben dirigiert und wie war das Geschlechterverhältnis? Wie war das Geschlechterverhältnis bei Anstellungsverhältnissen und Gastengagements?
  6. Wie ist das Verhältnis von Solistinnen zu Solisten und Stimmführerinnen zu Stimmführern innerhalb der Orchester der Oper, der Musikalischen Komödie und am Gewandhaus?
  7. Gibt es unterstützende Maßnahmen zur Kinderbetreuung für Kulturschaffende mit abendlichen Auftritten durch die Stadt?
  8. Sieht die Verwaltung in Hinblick auf die Vernetzung von weiblichen Kulturschaffenden und Empowerment (z.B. in Bezug auf Honorarverhandlungen) einen städtischen Auftrag?

 

Antwort vom 23. Mai 2023

Zu 1.)

Kulturförderung der Stadt Leipzig zielt auf Qualität. Bei den städtischen Eigenbetrieben ist die Vergütungsstruktur unabhängig von Geschlecht geregelt durch Tarifverträge; Gagenverhandlung im NV Bühne und bei Gastverträgen. Zudem erfolgen jährliche Abfragen der Frauenförderstatistik, Innerbetrieblich gibt es keine Geheimhaltungsklauseln in Arbeits- oder Honorarverträgen; Vergütungsstruktur basiert rein auf Leistung, Betriebszugehörigkeit und Verhandlungen. Die Regiebetriebe sind an den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst gebunden. Bei der Zusammenstellung von Jurys wird eine Parität bei der Geschlechterverteilung der Mitglieder angestrebt.

 

zu 2.)

 

Antwort:

 

Regiebetriebe:   1. Ebene  2. Ebene  3. Ebene

    Männ. / Weibl.  Männ. / Weibl.  Männ. / Weibl. 

 

SGM   1  0  4 2  0    0

 

MAK   1  0  3 1  0    0

 

NKM   1  0  1 1  0    0

 

MdbK   1  0  3 3  0    0

 

Thomaner   2  0  3 0

 

Eigenbetriebe:  1. Ebene  2. Ebene  3. Ebene

    Männ. / Weibl.  Männ. / Weibl.  Männ. / Weibl. 

 

Oper   1  1  11    5  23    11

 

Gewandhaus  2  0  7            5     5       1

zukünftig:                                              2. FE 7 weibliche/ 7 männliche 

Schauspiel                     2  0  10    9     4             1

 

TdJW   1  1  2            0                       2            4

 

Musikschule  1 0  3    3      5        9

 

 

Zu 3.)

Antwort:

Eine entsprechende Statistik liegt nicht vor, kann aber bei Bedarf durch das Kulturamt abgefragt werden, wobei der Hinweis gegeben ist, dass bei den IF geförderten flache Leitungshierarchien bestehen.

Zu 4.)

Antwort:

 

GfZK:

 

In der GfZK-Sammlung sind 643 künstlerische Positionen vertreten, davon 258 Künstlerinnen und 35 Gruppen oder Personen, die sich als divers bezeichnen.

 

Dr. Klaus Werner, Gründungsdirektor der GfZK hat überweisen männliche Positionen gesammelt, ob wohl im Ausstellungsprogramm durchaus auch Künstlerinnen vertreten waren. Dr. Barbara Steiner, Direktorin der GfZK von 2001-2011 hat

Dieses Problem erkannt und schwerpunktmäßig Ankäufe von Künstlerinnen getätigt. Diese Tendenz setzt sich seit 2012 fort, wobei immer die künstlerische Qualität im Vordergrund steht. Es fällt uns nicht schwer, mit interessanten Künstlerinnen zu arbeiten und ihre Werke anzukaufen. Damit möchten wir zu einem ausgewogenen Verhältnis im Kunstbetrieb beitragen.

 

Es ist anzumerken, dass seit 2016 der europäische Fokus der GfZK-Sammlung erweitert wurde. Das ist eine sinnfällige Ergänzung im Programm der GfZK, welches auf die Verknüpfung von lokalen künstlerischen und gesellschaftlichen Fragen mit globalen Tendenzen abzielt. In den letzten Jahren arbeiten viele Künstler: innen verstärkt im Kollektiv. Dies spiegelt sich bislang eher in unserem Ausstellungsprogramm als in den ankaufen wieder.

 

 

MdbK

 

Im Museum der bildenden Künste Leipzig (MdbK) lagen seit der Eröffnung 1858 der Sammlungsschwerpunkt und die Ausstellungstätigkeit einseitig auf männlichen Positionen. Hierin ist das Museum vergleichbar mit anderen historisch gewachsenen Kunstsammlungen. Seit 1990 konnte dies, trotz gesteigerter Bemühungen in den letzten Jahren, bezogen auf den Gesamtbestand mit über 80.000 Werken nur marginal verändert werden.

 

Aktuell beträgt der Anteil an Künstlerinnen in der permanenten Ausstellung unter 1% im 15.-19. Jahrhundert, ca. 11% in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, ca. 18. % in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie ca. 45% im 21. Jahrhundert. Hinzukommt, dass die meisten Kunstwerke aus einem spezifisch männlichen Blick heraus geschaffen wurden, was zur Folge hat, dass die Geschlechterrollen häufig nicht gleichberechtigt oder hinreichend divers dargestellt werden. Auch ist das MdbK als Institution durch männliche (weiße), heteronormative Strukturen geprägt. Dies hat über die Jahrzehnte in der Ausstellungs- und Ankaufpolitik zu strukturellen Überrepräsentationen geführt.

 

Zur Entwicklung des Sammlungsbestandes im MdbK wie auch den Veränderungen in den Ausstellungsbereichen liegen jedoch bisher keine systematischen Analysen vor. Für die Erfassung und Auswertung der entsprechenden Daten sind zusätzliche personelle Ressourcen im Museum erforderlich. Hinzukommt, dass in der Datenbank des MdbK zu den in der Sammlung vertretenden Kunstschaffenden die Geschlechtsangabe bei 5.498 von 7.560 Personen fehlt. Eine entsprechende Datenabfrage ist somit ebenfalls nicht aussagekräftig. Dieses Desiderat konnte auch im Rahmen der vorliegenden Anfrage aus Zeitgründen nicht behoben werden, wenngleich es dringend erforderlich ist und baldmöglichst bearbeitet werden soll. Auch wären wissenschaftliche Abschlussarbeiten zu diesen Fragestellungen erstrebenswert.

 

Zwei nennenswerte Meilensteine sind jedoch die Gründung des Evelyn Richter Archivs der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig mit über 900 Motiven im Jahr 2009 wie auch die Erweiterung 2016 um das Ursula Arnold Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig.

 

Die Lücken bzgl. der Genderungerechtigkeit im Sammlungsbestand des MdbK sind auch künftig nur schwer zu schließen. Dies hängt unmittelbar mit der Geschichte des Museums wie auch dem geringen aktuellen Ankaufsetat und der Entwicklung des Kunstmarktes zusammen.

 

Zugleich ist das Team des MdbK diesbezüglich sensibilisiert und will die tradierte Einseitigkeit durch die Einbindung marginalisierter Künstler*innen durchbrechen. Im Leitbild des Museums wurde daher Ende 2022 verankert: „Gemeinsam mit unterschiedlichen Interessensgruppen bauen wir unsere Aktivitäten zur Antidiskriminierung, insbesondere zu Geschlechtergerechtigkeit, Transnationalität und Inklusion, weiter aus. Wir verpflichten uns zur Stärkung der Diversität innerhalb unserer Sammlung… “. Die Entwicklung einer Strategie für mehr Geschlechtergerechtigkeit mit Fokus auf die Sammlung ist derzeit in Planung. Die damit verbundene Haltung ist seit 2017 im Programm sichtbar. Beispielhaft hierfür sind:

 

Einzelausstellungen

 

  • Petra Mattheis. Riding the Red Tide (27.10.2017 — 07.01.2018)
  • Ayşe Erkmen & Mona Hatoum. Displacements/Entortungen (18.11.2017 — 18.02.2018)
  • Anna-Eva Bergman. Licht (12.01. — 08.04.2018)
  • Karin Wieckhorst. Begegnungen (06.06. — 02.09.2018)
  • Angelika Tübke (13.12.2018 — 24.03.2019)
  • YOKO ONO. PEACE is POWER (04.04. — 07.07.2019)
  • LVZ-Kunstpreis 2019. Henrike Naumann. 2000 (13.12.2019 — 15.03.2020)
  • Harry Hachmeister. Von Disko zu Disko (03.02. — 08.05.2022)
  • LVZ-Kunstpreis 2022. Anna Haifisch. Chez Schnabel (10.03. — 03.07.2022)
  • Ricarda Roggan. Der dunkle Wunsch der Dinge (10.02. — 06.06.2022)
  • CONNECT Leipzig. Anna Nero. Slippery Slope (06.01. — 30.01.2022)
  • Olga Costa. Dialoge mit der mexikanischen Moderne (01.12.2022 — 26.03.2023)

 

Gruppenausstellungen:

  • Virtual Normality. Netzkünstlerinnen 2.0 (12.01. — 21.05.2018)
  • VOIX. MalerinnenNetzWerk Berlin–Leipzig (20.02. — 07.04.2019)
  • Unterschätzt. Künstlerinnen in Leipzig um 1900 (12.05. — 03.10.2022)

 

MdbK [next;raum]

#1 Unterm Rock. Reflections on gender issues (2022)

Gender-Day am 12. November 2022 mit Performances, Gesprächen, Führungen und einem Podiumsgespräch zum Thema

 

Zu 5.)

 

Antwort:

 

Oper

 

Festangestellte

Dirigentinnen   6

Dirigenten   54

 

Gäste

Dirigentinnen   11

Dirigenten   71

 

Gewandhaus

 

Dirigentinnen  5

Dirigenten            142 (davon 64 Gewandhauskapellmeister)

 

(Gezählt wurden die einzelnen Konzertprogramme, die ein/-e Dirigent/-in dirigiert hat. Weihnachts-Oratorium und Passion in der Thomaskirche ausgenommen.)

 

 

Solisten im Großen Konzert   119 (davon 76 Instrumentalsolisten und 43 Sänger

 

Solistinnen im Großen Konzert  64 (davon 22 Instrumentalsolistinnen und 42
      Sängerinnen)

 

Zu 6.)

 

Antwort:

Oper (letzte 5 Jahre)

 

Weiblich  68

Männlich  72

 

MuKo (letzte 5 Jahre)

Weiblich  40

Männlich  50

 

 

Gewandhaus

 

Die Frage kann nicht beantwortet werden, da es eine genaue Definition von Stimmführerinnen und Stimmführern innerhalb des Orchesters nicht gibt).

Aktuell sind im Gewandhausorchester 70 Musikerinnen und 121 Musiker beschäftigt (inkl. Zeit- und Teilzeitverträge); Orchesterbüro: 2 Mitarbeiterinnen und 2 Mitarbeiter

Oper

 

 

Zu 7.)

 

Antwort:

 

Im TdJW wird die Kinderbetreuung für Wochenend- oder Abendveranstaltungen von den Kolleg:innen eigenständig geregelt. In den anderen Eigenbetrieben gibt es keine entsprechenden Maßnahmen.

 

Zu 8.)

 

Antwort:

 

Die Stadt kommt der in der Frage aufgeworfenen Thema u.a. mit der Fachförderichlinie Freie Kunst und Kultur nach. Bei den Eigenbetrieben Kultur ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Vergütung rein nach geforderter Leistung bei Honorarkräften erfolgt.

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