Qualität in Leipziger Kitalandschaft - Wunsch- und Wahlrecht muss oberstes Ziel bleiben!
Pressemitteilung vom 07. März 2024
Die Bedarfsplanung 2024 für Kindertagesstätten, die am 13. März im Stadtrat zur Abstimmung steht, schlägt momentan große Wellen. Fast 4.000 Kitaplätze über dem eigentlichen Bedarf, daneben eine große, teure Sanierungswelle.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Leipziger Stadtrat hat daher bereits vor Wochen einen Antrag eingereicht, der einerseits die Landesregierung auffordert, die Landesfinanzierung so zu verbessern, dass die demografische Rendite, also die zurückgehende Anzahl zu betreuender Kinder zwischen 0-6 Jahren bei gleichbleibendem Personal, genutzt wird. Damit wird der Betreuungsschlüssel in Krippe und Kindergarten verbessert. Weiterhin soll ein Beratungsangebot etabliert werden, um die Betreuungsquote von Kindern, die in sozialen Schwerpunktgebieten wohnen, zu erhöhen.
Hierzu Martin Meißner, Stadtrat und familienpolitischer Sprecher der Fraktion:
„Bildungsminister Piwarz muss seinen mehrfach geäußerten Ankündigungen endlich Rechnung tragen und die Grundlage zur Nutzung der demografischen Rendite legen. Nach Jahren der mühsamen Personalbindung darf es nicht dazu kommen, dass wir plötzlich die eigens ausgebildeten Erzieher*innen entlassen müssen, weil plötzlich die Zahl der neu geborenen Kinder zurückgeht. Der Freistaat Sachsen verzeichnet einen der schlechtesten Betreuungsschlüssel der Bundesrepublik. Es ist ein Gebot der Vernunft, aus den zurückgehenden Kinderzahlen eine Chance zu machen, einerseits den Betreuungsschlüssel zu erhöhen und andererseits Gruppen zu verkleinern und Räume umzuwidmen, die früher als Spiel-, Ruhe- und pädagogische Mehrzweckräume genutzt wurden und in der Not für zusätzliche Gruppen eingezogen werden mussten. Die Kommunen dürfen hier nicht allein gelassen und finanziell überfordert werden.
Dennoch muss auch die Stadt ihren Beitrag leisten. Wir wollen alles dafür tun, die Betreuungsquote dort zu erhöhen, wo sie unterdurchschnittlich gering ist. Dies ist insbesondere in sozialen Schwerpunkträumen der Fall, wo sich soziale Lagen verschärfen und Familien stärker und enger begleitet werden müssen. Aber auch in den migrantischen Communities ist die Zahl derer, die ihre Kinder in eine Kinderbetreuung geben, noch sehr gering ausgeprägt. Hier braucht es eine enge und mehrsprachige Beratung, u.a. um die neu zugewanderten und auch hier geborenen Kinder schnell und effektiv an die deutsche Sprache zu führen, um ihnen einen Start ins Schulleben zu erleichtern.“
Daneben beantragt die Fraktion Änderungen an der Vorlage zur Kita-Bedarfsplanung.
Hierzu Stadtrat Michael Schmidt, stv. Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses:
„Oberstes Ziel muss sein, dass wir das über viele Jahre mühsam zurückerkämpfte Wunsch- und Wahlrecht bei der Suche nach einem Krippen- oder Kindergartenplatz gewährleisten. Dazu gehört, dass wir mehr Kitaplätze zur Verfügung stellen, als der eigentliche Bedarf zeigt. Dass wir aufgrund des jahrelangen massiven Kitaplatzausbaus und den seit zwei Jahren stark und unerwartet rückläufigen Geburtenzahlen plötzlich 4.000 Plätze mehr haben, als der rechnerische Bedarf zeigt, sollte man als Chance begreifen, die über Jahre vollgestopften Kitas wieder deutlich zu entlasten. Schon damals hat meine Fraktion kritisiert, dass aus der Not heraus immer wieder Kitas mit einer Kapazität jenseits von 200 Plätzen gebaut wurden. Gerade bei diesen großen Kitas besteht nun die Chance, Teile davon räumlich abzutrennen und für andere benötigte soziale Belange nutzbar zu machen. So könnten beispielsweise Familienhilfeangebote oder auch Beratungsstellen eine gute Kombination zu den Kitas darstellen. Auch der Bedarf an Integrationsplätzen für eine inklusive Kinderbetreuung kann durch eine Kapazitätsreduzierung und Umwidmung von Plätzen endlich besser erreicht werden. Das zur Verfügung stehende Personal kann so auch bei einer geringeren Anzahl zu betreuender Kinder optimal eingesetzt werden.“
Dennoch wird die Stadtverwaltung die Gesamtanzahl der Kitaplätze auch reduzieren, um das Investitions- und Sanierungsprogramm zu entlasten. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält das grundsätzlich für richtig.
Michael Schmidt: „Einerseits brauchen wir auch weiterhin Neubauten, um gerade auch in Stadtteilen Betreuungsplätze zu schaffen, die bislang gar nicht oder deutlich unterversorgt sind. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der bereits vom Stadtrat bestätigte Bau der kleinen Kindertagesstätte in Knautnaundorf, wo es bislang keine einzige Kita gibt und die Familien weite Wege bis zum nächsten Betreuungsplatz zurücklegen müssen. Neubau kann aber nicht generell vor Sanierung stehen. Zur Vermeidung unnötiger grauer Energie muss stets im Einzelfall genau geprüft werden, ob ein Neubau nachhaltiger und sinnvoller als eine Sanierung ist. In dem Zusammenhang kommt es auch ganz entscheidend auf die Nachnutzungsoptionen für die ansonsten leerstehenden Gebäude an.“
Martin Meißner ergänzt: „Kitaträger, die wegen drohender Schließungen in Angst sind, sei aus unserer Sicht versichert, dass wir alles dafür tun werden, dass gerade Einrichtungen und Konzepte mit Alleinstellungsmerkmal ein hohes Gut sind, das es zu schützen gilt. Für solche Einrichtungen, die in grundhaft zu sanierenden Gebäuden untergebracht sind, sollte stets eine Umzugs- und Auslagerungsoption möglich gemacht werden, statt Schließung und Verlust wertvoller Konzepte zu riskieren. Wir sind stolz auf unsere Träger- und Konzeptvielfalt und werden sie auch weiterhin im Sinne des Wunsch- und Wahlrechtes verteidigen.“
„Um diesen Schutz von Einrichtungen Freier Träger zu gewährleisten, müssen wir uns vom Ziel verabschieden, den kommunalen Anteil von Kindertagesstätten von derzeit etwa 23% auf 30% zu erhöhen. Wir müssen hier realistisch bleiben, dass dies nur dann umsetzbar ist, indem man Freien Trägern reihenweise Kindertagesstätten entzieht. Und das kann absolut nicht in unserem Sinne sein, weshalb wir beantragen, diese Zielstellung wieder deutlich zu reduzieren und auf ein realistisches Maß zu stellen“, so Michael Schmidt abschließend.
Erinnert sei an der Stelle an die Diskussion im Stadtrat am 19. Mai 2022, in der die Fraktion bereits ihre Kritik an einer Erhöhung des kommunalen Kitaanteils zum Ausdruck brachte.