Rede von Andreas Dohrn am 13. Juli 2022 zur Vorlage "Mieterstrom in Leipzig voranbringen"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen,

verbunden mit den schrecklichen Ereignissen in der Ukraine beschäftigt uns derzeit kein Thema so sehr wie die gestiegenen Energiepreise. Neben der sich abzeichnenden Gasversorgungskrise stehen die massiv gestiegenen Strompreise im Mittelpunkt der Diskussion.

Anfang Juli durchbrach der Preis für Grundlaststrom zur Lieferung im nächsten Jahr an der Leipziger Energiebörse EEX zeitweise die Grenze von 300 Euro je Megawattstunde. Das entspricht gut 31 Cent je Kilowattstunde (kWh) – also rund 320 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Auch wenn die Mehrzahl der Stromkunden durch langfristige Verträge erst mal nicht betroffen ist, so ist doch absehbar, dass die Strompreise bedingt durch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zunehmen werden.

Diese Entwicklung hat eine unmittelbare wohnungs- und sozialpolitische Konsequenz. Denn insbesondere im Bereich der niedrigen Einkommen, wo ohnehin bereits deutlich mehr als ein Drittel, zum Teil mehr als die Hälfte des Haushaltseinkommens für Miete und Nebenkosten ausgegeben wird, werden die Folgen existenziell sein.

Wir brauchen neben kurzfristigen Lösungen wie einer Energiepreispauschale und einer Erhöhung des Wohngelds eine langfristige Strategie, wie wir Mieterinnen und Mieter gezielt entlasten können. Und die Lösung dafür liegt in den Erneuerbaren Energien, liegt im Mieterstrom.

Warum? Eine umfassende Realisierung von Mieterstrommodellen bietet eine mehrfache Win-Win-Situation für Umwelt und Klima sowie Vermietende und Mietende. Ein Mieterstromtarif kann – ausgehend von dem Preisniveau vor dem Ukraine-Krieg - um 10 bis 20 Prozent niedriger liegen als der Grundversorgertarif des örtlichen Stromversorgers. Den dauerhaften Preisvorteil der Erneuerbaren eingerechnet, ist von einer deutlich höheren Ersparnis auszugehen. Mieter*innen können so also von geringeren Nebenkosten profitieren.

Vermietende können umgekehrt mit einem Direktverkauf des Stroms an ihre Mieter*innen bis zu 15% Zusatzerlös gegenüber einer Netzeinspeisung generieren. Für Eigentümer*innen bedeutet die Installation von Dach-Solaranlagen eine Wertsteigerung der Immobilie und Erhöhung der Mieterbindung.

Noch ist viel Potential auf den Leipziger Dachflächen ungenutzt – das soll sich ändern. Angesichts der Klimakrise müssen wir Photovoltaik auf Leipzigs Dächern massiv ausbauen. Berechnungen des Branchenverbandes BSW Solar zufolge liegt das Potenzial für Mieterstrom in Leipzig bei 62.000 Mieter*innen, 51.000 kWp Solaranlagen-Leistung und einer CO2-Einsparung von 23.000 Tonnen. Sauberer Solarstrom, der auf den Dachflächen des Miethauses oder auf naheliegenden Dächern im Quartier erzeugt wird, bietet Mieter*innen eine aktive Teilhabe an den Vorteilen erneuerbarer Energien. So kann auch die gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende erhalten werden.

Mit Beschluss vom 19. Januar 2022 hat der Stadtrat den Oberbürgermeister aufgefordert, sich beim Bund für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Mieterstrom einzusetzen. Diese sind vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz angekündigt und z.T. eben durch Bundestag und Bundesrat beschlossen worden.

Wesentlich ist eine einfache Handhabbarkeit von Mieterstrom, insbesondere indem Produktion und Verbrauch unabhängig vom konkreten Mietobjekt erfolgen können. Durch eine Novellierung des Steuer-, Abgaben- und Umlagesystems kann künftig die Photovoltaik als günstigste Form der Stromerzeugung ihr volles Potenzial entfalten.

Dieses Potential müssen wir aktiv nutzen und deshalb haben wir diesen Antrag mit folgenden Punkten gestellt.

  1. Die Leipziger Stadtwerke sollen bis zum 4. Quartal 2023 eine strategische Konzeption zum koordinierten Ausbau von Photovoltaik auf Wohnimmobilien und Mieterstrom vorlegen und die Aufnahme von Mieterstrom in das Produktportfolio zu prüfen.

Wir begreifen Mieterstrom als eine zentrale Chance bei der Urbanisierung der Energiewende. Unternehmen, die zu spät reagieren, drohen Marktanteilsverluste. Viele Stromversorger haben erkannt, dass die Kontrolle über die Solaranlage auf dem Dach, der Schlüssel zum wettbewerbsfähigsten Strompreis an die Mieter ist und haben zeitig strategisch investiert. Stadtwerke in München, Berlin, Erfurt, Heidelberg, Bamberg, Flensburg u.a. haben Mieterstrommodelle bereits umgesetzt. Auch eine Belieferung von Stromkund*innen nach dem Lieferkettenmodell soll angeboten werden. Auch die Leipziger Stadtwerke sollen nun entschlossen diese Chance nutzen.

  1. Die LWB – unser kommunales Wohnungsunternehmen - soll ihre Angebote zu Mieterstrom fortführen und ausweiten. Wir sind uns auch hier mit der Verwaltung nach einem Diskussionsprozess einig, diese Zielvorgabe in die Eigentümerziele zu integrieren.

Die LWB hat bereits Pilotprojekte umgesetzt und sieht regelmäßig PV auf Neubauprojekten vor. Künftig sollen alle auch im Bestand alle Potenzialflächen nach Möglichkeit und schrittweise entsprechend der Sanierungszyklen genutzt werden. Zudem müssen wir schauen, wie wir Mieterstrom einerseits und die Anforderungen der Wärmewende vereinbaren. Denn künftig sollen zwei Drittel der Wärmeversorgung im Neubau erneuerbar sein. Und dafür ist der Betrieb von Wärmepumpen über PV ein zentrales Instrument. Der erneuerbare Strom wird also absehbar saisonal unterschiedlich benötigt und das muss im Konzept abgebildet werden. Wir wollen zudem der Kooperation mit lokalen Partnern, wie z.B. Energiegenossenschaften zur Förderung des Mieterstroms beinhalten. Denn es kann sinnvoll sein, das begrenzte Investitionsvolumen der LWB auf Sanierung und Neubau zu fokussieren und Mieterstrom verstärkt über Partner zu realisieren.

  1. Soll bis zum 4. Quartal 2023 ein geeignetes Beratungsangebotes für Eigentümer und Eigentümerinnen, Vermieter und Vermieterinnen, Genossenschaften, sonstige Dienstleister und Mieter und Mieterinnen zum Thema Mieterstrom eingeführt werden. Dies soll im Rahmen einer regionalen Klimaschutzagentur in Leipzig erfolgen, für dessen Förderung wir uns hiermit einsetzen.

Denn neben der Vorbildwirkung der städtischen Unternehmen wollen wir auch die Mieterstadt Leipzig als Ganzes in den Blick nehmen. Eine breite Beratung kann die Chancen von Mieterstrom bekannt machen und über rechtliche, bürokratische und finanzielle Gegebenheiten zu informieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir danken der Verwaltung für den konstruktiven Diskussionsprozess und stellen heute gern den neugefassten Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung. Lassen Sie uns heute eine echte Win-Win-Win-Situation für Mieterinnen und Mieter, für unsere kommunalen Unternehmen und das Klima auf den Weg bringen. Vielen Dank!

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