Rede von Anna Kaleri anlässlich des Gedenkens an Maria Grollmuß am 23. April 2021

Foto: Martin Jehnichen

Zum Gedenken an Maria Grollmuß
24.4.1896 Leipzig – 6.8.1944 Ravensbrück
sorbische Publizistin und im Widerstand gegen das NS-Regime

- es gilt das gesprochene Wort -


Ich freue mich persönlich, heute und hier am Gedenken an Dr. Maria Grollmuß teil haben zu dürfen.

Als ich vor sehr langer Zeit zum Studium nach Leipzig kam, las ich als erstes ein Buch über Leipziger Frauenpersönlichkeiten. Es vermittelte den Eindruck, dass in Leipzig Progressivität fest verwurzelt ist – so viele fortschrittliche, tolle Frauen, Caroline Neuber, Christiana von Ziegler, beispielsweise.

Aber Maria Grollmuss war in meiner Erinnerung noch nicht vertreten.

Ich bin manchmal in Bautzen, und in der Straße, die den Namen von Maria Grollmuß trägt, fehlt auf der Gedenktafel kurioserweise ihr Geburtsort. Die Sorbin, die mit erstem Namen Marja Grólmusec [Grulmusetz] heißt, wurde in Leipzig geboren. Ihr 125. Geburtstag ist ein wunderbarer Anlass, das Band sichtbarer zu machen, das es seit jeher zwischen sorbischer und Leipziger Geschichte gab.

Slawische Flur- und Ortsnamen verweisen darauf, welche Geschichte auch die Region um Leipzig hat, Lipsk heißt Linde auf Sorbisch. Sorbisch sprechende Bevölkerungsteile sind in Mitteldeutschland z.B. für Mittelalter und Lutherzeit belegt.

Nicht nur Marja Grólmusec hat hier gelebt und studiert. Bis heute kommen viele Sorb*innen zum Studium nach Leipzig, manche bleiben hier, manche pendeln, manche gehen zurück in die Lausitz.

Ich fände es schön, die sorbische Kultur bekannter zu machen, denn sie geht weit über bemalte Ostereier und Osterreiten hinaus. Ihre Geschichten und Mythen sind auch unsere, Sorbisch ist unsere zweite Amtssprache und könnte es auch an allen sächsischen Schulen geben, als Hinführung zu den vielfältigen Wurzeln unserer Geschichte, die wiederum Schlüssel sind für ein reichhaltiges, aufgeschlossenes Miteinander, denn das sind zu Nationalismus und faschistischen Tendenzen die Gegenkräfte.

Als Zeichen dafür habe ich eine Schlüsselblume aus meinem Garten mitgebracht und hoffe, dass sie gut anwächst.

Hintergrund: Unser Antrag vom 19. Februar 2021

Beschlussvorschlag:

Leipzig erinnert an die Pädagogin und Publizistin Maria Grollmuß. Dazu wird eine künstlerische Gestaltung ausgeschrieben und umgesetzt. Zur Finanzierung werden Partnerschaften gesucht.

Begründung

Die sorbische Pädagogin und religiös-sozial motivierte Publizistin Maria Grollmuß war eine der ersten politischen Journalistinnen und strebte ein Zusammenführen linker katholischer und sozialistischer Kräfte an, dabei auch die Rolle der Frau in der Politik betonend. Ihren aktiven Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime bezahlte sie mit dem Leben. Am 24.4.2021 jährt sich ihr Geburtstag zum 125. Mal.

Im Jahr der sozialen Bewegungen wollen wir an Akteure und Akteurinnen erinnern, besonders für die emanzipatorische Frauenbewegung und die sozialdemokratische Arbeiterbewegung. Am Beispiel der Maria Grollmuß kann die gesellschaftliche Veränderung als Folge sozialdynamischer Prozesse, die Krisen und politische Kontroversen als Ursache hatten, biographisch nachvollzogen werden. Insofern bietet sich eine künstlerische Auseinandersetzung im Rahmen einer Gedenkschaffung ein – ob als Tafel, als Plastik oder als Statue. Als Ort biete sich der Ort der ersten katholischen Bürgerschule an. *

* Die Schule (eingerichtet 1888) befand sich in der Alexanderstraße 35-37 (kriegszerstört / Straßenführung heute völlig anders).

Quellen: https://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/frauen/1000-jahre-leipzig-100-frauenportraets/detailseite-frauenportraets/projekt/grollmuss-maria-karoline-elisabeth-sorbisch-marja-grolmusec/

Zurück