Rede von Anna Kaleri zum Antrag "Instandsetzung und Instandhaltung des Kunstdenkmals Objekt-Nr. 09293508 (Gefallenendenkmal Neustädter Markt)" der CDU-Fraktion

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Wir sprechen hier heute über ein Denkmal am Neustädter Markt - ein symbolisches Grabmal für 725 Tote, junge Männer aus der Gemeinde, die als Soldaten im ersten Weltkrieg umkamen. Den Angehörigen, die einst für dieses Denkmal gespendet haben, mag es um die Verortung ihrer Trauer gegangen sein, etwas, das ich zutiefst menschlich finde. Ihnen wurden ihre Söhne, Brüder, Männer, Väter, Verlobten entrissen – wegen eines Krieges, der so sinnlos ist, wie es alle Kriege sind.

Das Denkmal bildet einen nackten, knienden Soldaten ab, mit Hand auf seinem Herz und zerbrochenem Schwert vor sich, in der Formensprache der 20er Jahre, die Assoziationen von Rassismus und Nationalismus wachruft. Immerhin finden sich am Sockel auch das Eiserne Kreuz und stand ursprünglich der Schriftzug „Der Sieg ist verschlungen mit dem Tod“.

Es kommt also nicht von ungefähr, dass es tätige Auseinandersetzungen in Form von Übertünchungen und Schriftzügen gibt, und zwar im politischen Spektrum aus beiden Richtungen.  Ein gesellschaftlicher Diskurs wird über das Denkmal ausgetragen.

Wer den Fokus allein darauf richtet, Schmierereien zu unterbinden und Pietät walten zu lassen, wird dem Spannungsfeld nicht gerecht, in dem sich das Gefallenendenkmal befindet.

Der Alternativvorschlag der Stadtverwaltung, den sich die CDU zu eigen macht, zeugt von dem Willen zu vermitteln. Sie hat offenbar zur Kirchgemeinde St. Nikolai als Eigentümerin des auf städtischem Grund stehenden Denkmals Kontakt aufgenommen. Ob es auch Kontakt zu anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen gab, lässt sich nicht erkennen. Diese werden aber sowohl im Verwaltungsstandpunkt als im Originalantrag der CDU explizit genannt „um eine Art Patenschaftsmodell zur dauerhaften Instandhaltung des Denkmals zu erreichen“.

Was meint das im Einzelnen und welcher Politikstil lässt sich erkennen?

Es bedeutet im Einzelnen, dass das Denkmal aus Sandstein restauriert, also in einen Originalzustand versetzt werden soll, inklusive eines ursprünglich vorhandenen Gitterchens.

Restaurieren ist sprachlich verwandt mit der geschichtlichen Phase der Restauration. Fortschrittlichen Phasen folgen rückschrittliche. Einen Backflash wie etwa in unserem Nachbarland Polen mit grassierendem Nationalismus, wollen wir an keiner noch so kleinen Stelle.

Nun mag man meinen, hier geht es ja nur um ein einzelnes Denkmal, das zudem bisher kaum jemand kennt. Es geht aber eben auch symbolhaft darum, wie wir mit den Hinterlassenschaften der Kriegs- und Nachkriegszeit umgehen. Ein Denkmal, das im Zusammenhang mit Reservisten- und Kriegervereinen entstand oder instrumentalisiert wurde, darf in unserer Zeit nicht unkommentiert bleiben.

Nicht nur die Kirchgemeinde „Zum Heiligen Kreuz“ hatte Gefallene im ersten Weltkrieg zu beklagen, sondern es starben viele Millionen Menschen, ein Großteil Soldaten.

Und die Verklärung als „Heldentod für das Vaterland“ führte in den zweiten Weltkrieg.

Deswegen wäre eine kritische Auseinandersetzung angebracht – wozu eine Erklärtafel kaum reicht, aber in welcher Form, das sollten diejenigen entscheiden, die dazu in einen Dialog mit der Kirchgemeinde treten, seien es Wissenschaftler*innen, Künstler*innen oder soziokulturelle Vereine oder ähnliches.Allerdings eben nicht als verordnete Wächter eines restaurierten Denkmals, so wie es sich bei der CDU und leider auch im VSP liest, sondern freiwillig und ergebnisoffen.

Es gibt gelungene Beispiele künstlerischer Auseinandersetzung, performativ, bewegend, fern ab von schwarz und weiß.

Als Grüne Fraktion sind wir uns darüber einig, dass wir viele Denkmale dieser Art haben und sie nicht kleinteilig, sondern im Rahmen eines Konzeptes Erinnerungskultur betrachten sollten, das von uns allen, auch von der CDU Fraktion angemahnt wird. Wir sehen darin oberste Priorität und konzentrieren daher unseren Änderungsantrag darauf.

 

 

Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg. Für eine offene, progressive Gesellschaft.

 

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