Rede von Anna Schneider (Kaleri) am 22. Mai 2024 zum Antrag "Leipziger Literaturstipendium ermöglichen"

Foto: Martin Jehnichen

Rede in der Ratsversammlung am 22. Mai 2024

- es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Leipzigerinnen und Leipziger!

Dresden hat es, Halle hat es, Erfurt hat es. Leipzig hat es nicht.

Die Rede ist von einem Aufenthaltsstipendium für Autor*innen, auch bekannt unter dem Begriff Stadtschreiber.

Mir will sich nicht erschließen, warum ausgerechnet Leipzig keinen Stadtschreiber hat. Ich mag berufsbedingt einen speziellen Blick auf unsere Stadt haben - aus meiner Sicht sind wir Verlagsstadt, Buchstadt, Buchmessestadt und nicht zuletzt die Stadt, in der die erste universitäre Autorenausbildung im deutschsprachigen Bereich gegründet wurde. Was lege also näher, Schriftsteller*innen in unsere Literaturstadt einzuladen, damit sie sich direkt oder indirekt mit ihr auseinandersetzen und zu einem hochstehenden künstlerischen Austausch beitragen – so wie wir es mit dem Hanns Eisler Stipendium im Bereich Musik und Caroline Neuber Stipendium im Bereich Theater haben.

Und für Leipzig als progressive Stadt wollen wir bei diesem Residenzstipendium den Schwerpunkt Familienfreundlichkeit setzen.

Auf einer Veranstaltung kürzlich vom Haus der Selbständigen haben die Podiumsteilnehmer*innen ausgedrückt, wie reibungsvoll die Kombination Solo-Selbstständigkeit und Elternschaft ist. Besonders bewegt hat mich die Überlegung einer Person aus dem künstlerischen Bereich, ob sie überhaupt Kinder bekommen soll. Kinder sind das Beste, was wir in unsere Gesellschaft einbringen können und sie vertiefen unsere Welterfahrung.
Kunst oder Kinder, das darf im Jahr 2024 doch nicht mehr die Frage sein. So wie in vielen Bereichen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer mehr eingefordert wird, übrigens auch von Vätern, so muss eine bessere Vereinbarkeit auch in Kulturberufen erreicht werden. Bei Stipendienaufenthalten ist das Mitbringen von Partner oder Kindern in der Regel nicht möglich. Manchmal liegt es an den fehlenden Betreuungsmöglichkeiten vor Ort oder am Finanziellen oder an der fehlenden Flexibilität des Programms. Das hat die Auswirkung, dass Kulturschaffende mit Kindern viele Jahre von Austausch und Professionalisierung ausgeschlossen sind.

Ein weiterer Absagegrund, den eine Autorin zu hören bekam: Other writers need to concentrate – die anderen Autoren müssen sich konzentrieren. Damit ein Werk enstehen kann, brauchen aber ALLE Schreibenden Zeit und Konzentration.

Beim letzten Spartentreffen Literatur in Leipzig plus Kultur im März, an dem zahlreiche Menschen aus dem Literaturbereich teilnahmen, wurde das neue Stipendienprogramm für Leipziger*innen begrüßt und der jahrelange Wunsch nach einem Stadtschreiberstipendium bekräftigt. Auch dort wurde der Punkt Familienfreundlichkeit extrem betont.

Uns ist bekannt, dass wir uns nicht in den Haushaltsverhandlungen befinden. Dieser Antrag beantragt als ersten Schritt die Erstellung eines Konzepts. Expertise für solches Konzept ist in Leipzig an vielen Stellen vorhanden, zum Beispiel beim Literaturrat, bei Leipzig plus Kultur oder auch in der Initiative Other writers.

Lassen Sie uns in Leipzig endlich ein Stadtschreiberstipendium entwickeln und dies auf zeitgemäße Weise. Ich bitte um Zustimmung.

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