Rede von Anne Vollerthun am 12. Februar 2025 zum Antrag "Kein sicherer Hafen für illegale Migration!"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

 

Sehr geehrter Oberbürgermeister,
 sehr geehrte Beigeordnete,
 sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte der demokratischen Fraktionen, 

Liebe Zuschauende auf der Tribüne und im Livestream,  

 

Die Parteikollegin der CDU, Julia Klöckner fasste es gut zusammen: „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU." Recht hat sie.  

Und was auf Bundesebene passiert, das kann die CDU Leipzig schon lange - Mehrheiten mit der AfD suchen? Wozu so umständlich?  

Dann lieber gleich so: ein AfD Antrag, also ein Antrag einer in Sachsen gesichert rechtsextremen Partei, wird von der CDU mit einem eigenen Änderungsantrag versehen, in welchem die eigentlichen Forderungen der AfD nur noch präziser aufgeschlüsselt werden. Der Inhalt ist der gleiche, wenn nicht sogar noch verschärfter. Wo ist das alles noch christlich?  

Neben den menschenverachtenden Forderungen, die nach außen wieder das gefährliche Narrativ suggerieren, dass bestimmte Menschengruppen keinen Anspruch auf Hilfe haben und mit dem Migrant*innen als Sündenbock für jegliche Missstände herhalten müssen, ist es auch fatal, unreflektiert rechtes Wording wie „illegale Migration“ zu kopieren. 

„Illegale Migration“ — das klingt so, als wäre eine „legale“ Migration nach Deutschland der Normalfall für Geflüchtete. Die Wahrheit ist:  

Nur wohlhabende Menschen aus dem Ausland, die in ihrem Heimatland sowohl über Geld als auch Status verfügen, können ein Visum erhalten und „regulär“ nach Deutschland einreisen. Es gibt so gut wie keine regulären oder legalen Fluchtwege für Asylsuchende. Wer vor Krieg flieht, bekommt oft kein Visum nach Deutschland. Schutzsuchende können daher meist gar nicht auf „regulärem“ Wege einreisen, sondern müssen auf gefährliche bis lebensbedrohliche Wege umsteigen. Menschen fliehen nicht ohne driftigen Grund. Menschen fliehen vor Krieg, politischer Verfolgung, Folter, den Folgen des Klimawandels.  

Und: mit der momentanen globalen Entwicklung, wird es zukünftig immer mehr Migrationsbewegungen geben.  

Artikel 14 der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte besagt: „Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen.“ Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention sagt, dass fliehende Menschen nicht wegen einer unerlaubten Einreise bestraft werden dürfen.  

Es gibt also die angebliche „illegale Migration“ nicht. Die Formulierung suggeriert aber, dass es sich dabei um Kriminelle handelt, nicht um Schutzsuchende.  

Die immer weiteren Verschärfungen und Beschneidungen des Asylrechts haben dazu beigetragen, dass sich Menschen auf der Flucht in Gefahr begeben müssen. Die zivile Seenotrettung wurde kriminalisiert. So müssen Menschen, die auf der Suche nach einem sicheren Ort sind, in seeuntaugliche Boote steigen und begeben sich in Lebensgefahr. Seit 2014 sind auf der Flucht übers Mittelmeer bereits über 30.000 Menschen ertrunken.  

Bei dem damaligen Beitritt Leipzigs zum Netzwerk Sicherer Häfen ging es vor allem um eins: Solidarität. Solidarität mit Menschen, die Schutz brauchen, Solidarität mit der zivilen Seenotrettung. Es geht um Engagement für eine faire, humane Asyl- und Migrationspolitik, mehr legale Migrationsmöglichkeiten und sichere Fluchtwege.  

Ein Austritt Leipzigs aus dem Bündnis sowie die Beendigung der ideellen Patenschaft für das Schiff "Rise Above" hätte eine fatale Signalwirkung nach außen. Für die Stadt Leipzig hat die Mitgliedschaft im Bündnis weder materielle noch finanzielle Folgen. Seit dem Beitritt in das Bündnis nahm Leipzig darüber gerade einmal 3 Menschen auf.  

Worum geht es ihnen also wirklich? 

Liebe CDU, warum fischen Sie ausgerechnet nach Wählerstimmen der AfD? Wieso werben Sie mit rechten, populistischen Narrativen, die von Hetze, Hass und Rassismus geprägt sind? Rechte Begriffe und Denkweisen, werden durch eine solche Übernahme immer weiter normalisiert, werden sagbarer und in die Breite der Gesellschaft getragen. Aber die Menschen wählen immer das Original und sie spielen der AfD in die Karten.  

Ich appelliere an Sie, zur Vernunft zu kommen und zu verstehen, dass das, was Sie da tun, nicht nur unmenschlich gegenüber Menschen auf der Flucht, sondern auch gefährlich ist. Nachdem die Zahl rechtsextremistischer Straftaten in Sachsen mehrere Jahre in Folge gesunken war, registrierte der Verfassungsschutz 2023 50 Prozent mehr als 2022. Wo ist denn da für sie die Grenze? Wann und wo soll die Diskursverschiebung nach rechts denn endlich aufhören? Derartige Anträge befeuern dies nur noch.  

Ihren Änderungsantrag begründen Sie u.a. mit der chronischen Überlastung der Kommunen im Bereich der Unterbringung – quasi: Geflüchete als Sündenbock für den angespannten Wohnungsmarkt. Das wundert mich, haben Sie doch selbst gegen konkrete Maßnahmen zur Lösung des Wohnraumproblems gestimmt - ich nenne einige Beispiele:  

  • Haushaltsantrag für die Kontaktstelle Wohnen, mit denen Wohnraumvermittlung an Geflüchtete unterstützt wird  
  • Das Wohnungspolitische Konzept 2024, mit dem Ziel zusätzlich 2.000 neue Wohnungen im Jahr zu bauen und 120 Mio. Zuschuss an gemeinwohlorientierte Wohnungsbauträger zu vergeben  
  • Die Einrichtung eines Wohnungsbaukoordinators, der die Genehmigung und Planung von Wohnungsbau erleichtern soll  
  • Finanzielle Zuschüsse für Bauprojekte nach Konzeptvergabe, wo u.a. Wohnungen für Geflüchtete mit entstehen 
 
  • Einrichtung von Milieuschutzsatzungen – diese soll laut einem Haushaltsantrag der CDU sogar abgeschafft werden 
 

Werte CDU, sie sprechen von überlasteten Kommunen, es herrsche keine Ordnung und, dass häufig keine Integration mehr stattfinden kann.  

Wo ist ihr Einsatz dafür, dass den Kommunen mehr Mittel zur Verfügung stehen? Wo ihre Unterstützung unserer Anstrengungen nach humaner Unterbringung? Für bessere Maßnahmen der Integration und Inklusion? Wo ist ihre Unterstützung für interkulturelle Projekte, Vereine und Programme oder besserer psychologischer Versorgung?  

Ich möchte mit einem Zitat aus einem beliebten Buch enden: “Bald müssen wir alle eine Entscheidung fällen, zwischen dem, was richtig ist und dem, was einfach ist.” Und leider entscheiden Sie sich, werte CDU, falsch und wählen das, was einfach, bequem und reaktionär ist. Einfache Antworten, auf komplexe Fragen unserer Zeit. 

Leipzig ist eine weltoffene, solidarische, vielfältige und tolerante Stadt – und das bleibt sie auch.  

Wir bedanken uns bei der Verwaltung für die die klare Haltung und stimmen definitiv gegen diese Anträge und hoffen, dass sich die anderen Fraktionen anschließen. 

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