Rede von Annette Körner in der Ratsversammlung am 22. Januar 2020 zur Verwaltungsvorlage "Konzept "Internationales Caroline-Neuber-Stipendium der Stadt Leipzig"

-es gilt das gesprochene Wort-

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
liebe Gäste,

Zehn mal wurde der Caronline-Neuber-Preis bisher vergeben, 2018 waren wir uns hier im Hause mehrheitlich einig, dass eine konzeptionelle Weiterentwicklung willkommen wäre, um die öffentliche Wahrnehmung zu stärken und dabei weiterhin der Zielsetzung des Preises zu dienen.

Biografie und die Leistung von Caroline Neuber zu ihrer Zeit sind eindrücklich: ihre Bedeutung für das deutsche Theater liegt darin weg vom „Hanswurst“ Schauspiel mit literarischer Grundlage anzubieten, ihr Können im Management von Theaterhäusern. Eindrücklich sind auch ihr Mut, ihre Ausdauer und ihr Kämpfen und Aufstehen immer wieder, bereits als Mädchen und Jugendliche, als junge Frau und als Künstlerin. Sie wollte und hat Innovatives in der Darstellenden Kunst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert erreicht, ob als Prinzipalin, Managerin als auch Schauspielerin bedeutsames. Es ist gut, dass wir diese Ehrung haben.

2018 nun haben wir Ja gesagt zur Weiterentwicklung der Konzeption und die Auszeichnung auf 2020 vertagt. Letzten Sommer wurde dies öffentlich angekündigt, nun liegt das Konzept vor:
Statt einer Aufführung durch die geehrte Künstlerin soll es nun alle zwei Jahre eine Förderung als Würdigung geben, die international aufgerufen für Künstlerinnen und Menschen diversen Geschlechts eine Schaffensphase in Leipzig mit einem Stipendium fördert und abschließend auch eine Aufführung des geschaffenen Werkes mit hiesigen Theatern ermöglicht und vorsieht.
Die votierende Jury wird rein fachlich und nicht politisch besetzt. Es steht in unserer Stadt Leipzig ausdrücklich das Förderziel im Vordergrund und eine international beachtete Würdigung.

Der nun vorliegende CDU-Änderungsantrag wurde bereits im Kulturausschuss angedeutet und die Behauptung diskutiert, wonach eine Notwendigkeit von Frauenförderung in Kunst und Kultur angezweifelt wurde. Nun leider auch noch einmal hier in einem ÄA.

Freie Musikerinnen haben sich in diesen Tagen hörbar zur bedrohlichen und systembedingten Altersarmut geäußert, die freie Szene übergibt uns seit Jahren Statistiken und Vorschläge zur Verbesserungen der oft prekären Situation von freien Künstler*innen überhaupt. Richtig spannend bezogen auf unsere Förderzielsetzung mit dem „Caroline Neuber-Stipendium der Stadt Leipzig“ wird es in vorliegenden Studien, wie der zur Lage von „Frauen in Kultur und Medien“, vorgelegt zuletzt 2016 durch den Deutschen Kulturrat. Eine Fülle von Zahlen und Auswertungen zeigen die immer noch bestehende Schieflage mit Verweis auf fehlende Chancengleichheit für Frauen:

Während im Studium in vielen Fächern Frauen gleichermaßen vertreten sind, sieht dies bei Lehrenden in Fächern der Darstellenden Kunst noch nicht so aus.
In Berufen, man kann es sich vorstellen, gibt es bereits in Chören und im Tanz gleichermaßen Frauen und Männer, in Abhängigkeit natürlich vom Repertoire, im Soufflieren sind wir schon bei 80 %, reine Dienstleistung. In Schauspielleitung, Bühnenleitung und Regie sind Frauen aber weit unter 30 % vertreten. Und bei Preisverleihung und Würdigungen wird es noch drastischer:
Untersucht wurden in den letzten Jahren z. B. die namhaften Mühlheimer Theatertage und der Dramaturgiepreis, der Theaterpreis Berlin sowie auch das Berliner Theatertreffenn, wo jeweils Frauen sowohl bei Teilnahmen als auch Auszeichnungen weitaus weniger vertreten waren oder ausgesucht wurden.

Auf dem Gedenkstein in Laubegast bei Dresden steht im Lessingzitat, seiner Zeit geschuldet, würdigend: …Andenken einer Frau voll männlichen Geistes…“, dies aus dem Jahr 1776. Aha, kann ich da nur sagen, ist männliches Denken, wenn frau sich durchsetzt, innovativ ist, kreativ, durchsetzungsstark? Nein, wir wissen, das sind menschliche Eigenschaften, die jede Person haben kann. Aber strukturelle und systemische Gründe sowie viele Vorbehalte und schlichte Benachteiligungen führen dazu, dass Menschen auch heute noch in Kunst und Kultur nicht gleichberechtigt sind. Deshalb ist es gut, Frauen weiter zu fördern und auch Menschen mit diversen Geschlecht. Auf einem Forum in der Theaterlandschaft wurde 2019 gesagt, Theater sind heute im Publikum diverser als auf der Bühne.

Unser Leipziger Caroline-Neuber-Stipendium ermöglicht eine Chance auf Förderung und Würdigung für Menschen, für die dies bisher in dieser Weise zu wenig gibt. Und auch wir wollen daran partizipieren, indem wir künstlerische Vielfalt fördern und erleben, uns international vernetzten und darin unsere Theaterhäuser und Festivals in Leipzig einbinden. Deshalb empfehle ich Ablehnung des CDU-ÄA, denn er konterkariert die Beschlussvorlage und Zielsetzung. Und ich empfehle das neue Konzept und freue mich auf die zukünftigen Geförderten!

Foto: Fraktion
Foto: Martin Jehnichen

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