Rede von Bert Sander am 12. Oktober 2022 zum Antrag "Leipziger Bücherspur einrichten"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Es geht nicht einfach darum, neben der bereits bestehenden Notenspur eine weitere, beliebige Kulturroute hinzuzufügen. Aber Leipzig ist nun mal in besonderer Weise mit dem Buch verbunden. Anders ausgedrückt: Leipzig war, ist und wird immer sein eine Buchstadt von internationalem Rang. Schon wenige Stichworte belegen das: Buchmesse, Leipzig liest, Nationalbibliothek, Literaturinstitut, Verlage von Reclam über Gustav Kiepenheuer bis Insel, Haus des Buches und und und

Der Verwaltungsstandpunkt (VSP) folgt den Intentionen des Antrags, weswegen wir auch den VSP zur Abstimmung stellen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit jedoch nicht unterschlagen, dass wir uns eine Umsetzung der Bücherspur bereits für 2024, also zum 35. Jahrestag der Friedlichen Revolution, gewünscht hätten. Der Vorschlag der Verwaltung, die Umsetzung für das Themenjahr „Buchstadt Leipzig“ im Jahr 2025 zu planen, ist – auch angesichts der zu beanspruchenden Kapazitäten – ebenfalls gut bzw. realistisch.

Aber lassen Sie mich kurz darauf eingehen, weswegen wir gerade den 35. Jahrestag der Friedlichen Revolution 2024 angepeilt hatten.

Wir –und nicht nur wir – sind überzeugt davon, dass Leipzigs herausragende Rolle in der Friedlichen Revolution wesentlich auch mit Leipzigs Position als Buchstadt zu tun hat.

Zu diesem Punkt soll auf nur wenige Zusammenhänge hingewiesen werden:

– Zunächst, Leipzigs Verlage standen zu DDR-Zeiten nicht unmittelbar unter Kuratel/Aufsicht der politischen Institutionen in der Hauptstadt Berlin. Diese Distanz wurde –  schaut man sich die damaligen Programme an – durchaus genutzt. Will sagen, in Leipzig sind Bücher erschienen, die woanders in der DDR nicht hätten erscheinen können.

– Dann: Leipziger Verlage wie z.B. Reclam brachten Auflagenhöhen von 20, 30, ja 40 000 Exemplaren, und zwar in der Erstauflage auf den hiesigen Markt. Zum Vergleich: heute sind es selbst bei renommierten Verlagen gerade mal 3 bis 5 000 Exemplare.

– Weiter die Buchmesse: Viele Bücher verblieben in Leipzig, auch deshalb, weil das jeweilige Stand- bzw. Aufsichtspersonal durch aktives Wegschauen einen Eigentümerwechsel begünstigte.

– Abschließend noch eine kleine Geschichte, die belegt, wie sehr das Buch gerade in Leipzig ein Treiber im Kampf um Demokratie bzw. Meinungsfreiheit war und ist:

Das erste Buch des 1989 frischgegründeten Forum Verlags Leipzig war die Anthologie „Jetzt oder nie – Demokratie! Leipziger Herbst '89“

Der Erstverkauf dieser Anthologie fand Samstag, den 3. März 1990, statt: Die Schlange in Leipzigs Innenstadt war einen halben Kilometer lang, sie reichte zeitweise vom damaligen Karl-Marx-Platz (heute Augustusplatz) / Ecke Grimmaische Straße bis zum Marktplatz vor dem Alten Rathaus.

Sage und schreibe etwa 6500 Stück gingen an diesem Vormittag über den Tisch.

Am Rande: Von wegen die „Ossis“ hätten in diesen Tagen nur nach Bananen angestanden.

Kurz und gut, wir gehen sogar so weit, zu behaupten, dass es insbesondere die Rolle Leipzigs als Buchstadt war, die dafür sorgte, dass die Revolution von 89 einigermaßen friedlich verlief – und also heute Friedliche Revolution heißt.

Der Vollständigkeit halber sei noch gesagt: Die Initiative Bücherspur ist nicht nur auf Erinnerung aus, sondern sie soll/wird den Buchhandel, die Verlage, die Druckereien etc., vor allem – zumal nach den ärgerlichen Absagen 2020 und 2021 – auch die für Leipzig so immens wichtige Buchmesse unterstützen.

Danke!

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