Rede von Bert Sander in der Ratsversammlung am 16. September 2020 zur Petition "Arndt bleibt Leipziger'

- es gilt das gesprochenen Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

Bei dieser Gelegenheit: Wir feiern dieses Jahr den 250. Geburtstag des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, dem wohl wichtigsten Vertreter des sogenannten Deutschen Idealismus. Bereits als Student im Tübinger Stift begrüßte er, wie seine engsten Freunde Schelling und Hölderlin, begeistert die Französische Revolution. Gerne wird über Hegel kolportiert, dass er, selbst noch als Professor in Berlin, immer wenn der Sturm auf die Bastille sich jährte, mit einem Glas besten Champagners den 14. Juli 1789 feierte. Der Journalist Jens Bisky in der Süddeutschen Zeitung: [Zitat] “Das war eine provokante Geste, fehlte ihr doch das Deutschtümelnde, an das viele Gebildete damals ihren Veränderungsenthusiasmus verrieten.“
Die nach dem Fall Napoleons mit dem Wiener Kongress einsetzende Restauration attackierte Hegel scharf: Mit „Glockengeläut und Fackelschein“ gehe es nunmehr hin zu „altdeutschen Monumenten und vaterländischen Antiquitäten“, hin ins gelobte Land des, wie Hegel es ausdrückte, „Deutschdumms“. Dabei übersieht Hegel nicht das janusköpfige der napoleonischen Befreiungskriege, die längst in Eroberungskriege umgeschlagen waren. Aber er ist, wie auch sein enger Freund Goethe, nicht bereit, etwa die Rede vom ewigen „Erbfeind“ Frankreich anzuschlagen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie sehen schon, von Hegel kommen wir ohne Umschweife zu Ernst Moritz Arndt.
Aber ich möchte hier keineswegs pro oder contra Arndt sprechen, sondern will nur ein paar Punkte setzen, die zeigen sollen, was es bedeutet bzw. wie herausfordernd es ist, dem nachzukommen, was wiederholt – und zwar zu Recht – gefordert wird, nämlich die Einordnung der historischen Persönlichkeit in ihre Zeit. Mit z. B. einem Wikipedia-Eintrag allein ist es hier jedenfalls nicht getan.

Nein, es geht an dieser Stelle nicht um ein Für oder Wider zur Causa Ernst-Moritz-Arndt-Straße, sondern es geht uns mit dem ÄA nur darum, für Gründlichkeit zu plädieren bzw. eine Lanze für die vom Stadtrat eingesetzte wissenschaftliche Kommission zu brechen.
Ich weiß ja, der vorgeschlagene Findungsprozess ist ein quälender, jedoch er ist auch ein lohnender. Ein Beispiel dafür:
Wir behandeln heute noch unter TOP 17,24 den ÄA der CDU zum Antrag der SPD „Erinnern an die Bücherverbrennungen 1933“, in dem vorgeschlagen wird, [ich zitiere], „ein Konzept für eine grundsätzliche und allgemeine Erinnerungs- und Gedenkkultur, an der sich zukünftige geschichts- und vergangenheitspolitische Maßnahmen orientieren [,zu erarbeiten]. Auf Grundlage dieses Konzepts und nach dessen Beschluss werden weitere Initiativen zur Erinnerungskultur auf den Weg gebracht.“ [Zitat Ende]
Wir meinen, eine gründliche Befassung mit dem Fall Arndt, der z.B. auch Ernst Ludwig Jahn betrifft, könnte gerade auch in Hinblick auf eben das von CDU angeregte Konzept nur hilfreich sein.
Oder lapidar gesagt: Es besteht jedenfalls nicht die Gefahr, dass uns die Expertise der Kommission dümmer macht.
Führen wir den eingeschlagenen, also den mit der von uns beschlossenen Kommission vorbereiteten Weg doch konsequent zu Ende. Was hindert uns?

Danke!

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