Rede von Chantal Schneiß am 16. April 2025 zum Antrag "Beteiligung am städteübergreifenden Modellprojekt zum legalen Verkauf von Cannabis"

- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen der Demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauer*innen auf der Tribüne und im Stream,
wenn wir über Cannabis sprechen, dann reden wir nicht über ein abstraktes Thema, sondern über die Lebensrealität vieler Menschen in unserer Stadt. Wir reden über junge Erwachsene, die auf dem Schwarzmarkt Substanzen unbekannter Herkunft und Qualität erwerben. Wir reden über fehlende Präventionsangebote und über eine Drogenpolitik, die zu lange auf Verbote statt auf Aufklärung gesetzt hat.
Schauen wir uns die Bilanz aus der Teillegalisierung in Sachsen an: Ein bemerkenswerter Effekt der Legalisierung zeigt sich in der Kriminalstatistik: Die Zahl der Rauschgiftdelikte ist in Sachsen im vergangenen Jahr um 24 Prozent zurückgegangen. Analysen, unter anderem aus Stuttgart, zeigen, dass auch die Befürchtung eines stark zunehmenden Konsums bisher nicht eingetreten ist.
Die Doppelmoral in unserer Gesellschaft beim Thema Rauschmittel ist frappierend. Während wir bei Alkohol – einer nachweislich gesundheitsschädlichen und suchtfördernden Substanz – von einer tief verankerten Konsumkultur sprechen, die kaum hinterfragt wird, verteufeln wir Cannabis pauschal. Dabei werden jährlich schätzungsweise 74.000 Todesfälle in Deutschland direkt auf Alkoholkonsum zurückgeführt. Für keinen der erfassten drogenbedingten Todesfälle wurde der Konsum von pflanzlichem Cannabis als Ursache erfasst. Dennoch wird Alkoholkonsum bei Volksfesten gefeiert, in der Werbung glorifiziert und gesellschaftlich akzeptiert – während wir über Cannabis emotional aufgeladene Debatten führen.
Aber zurück zum Antrag, was bedeutet ein Cannabismodell Projekt konkret für Leipzig? Wir werden Teil eines städteübergreifenden Forschungsprojekts, das die kommerzielle Abgabe von Cannabis unter kontrollierten Bedingungen ermöglicht. Die DEMECAN GmbH, die die Verwaltung als geeigneten Partner sieht, hat bereits Erfahrung mit medizinischem Cannabis und baut ihre Produkte unter strengen Qualitätsstandards in Sachsen an.
Die Teilnahme am Projekt wäre erst ab einem Alter von 25 Jahren möglich – ein Alter, in dem die Gehirnentwicklung weitgehend abgeschlossen ist. Beim Alkohol übrigens können junge Menschen bereits mit 16 Jahren Bier und Wein legal im Supermarkt erwerben – in einem Alter, in dem das Gehirn noch mitten in der Entwicklung steckt.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die wissenschaftliche Begleitung. Nur durch solide Forschung können wir die Auswirkungen einer regulierten Cannabisabgabe verstehen und unsere Politik entsprechend anpassen. Die Datenerhebung zum lokalen Cannabiskonsum wird uns helfen, zielgerichtete Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.
Besonders wichtig: Ein Teil der Einnahmen aus dem Forschungsprojekt wird direkt in suchtpräventive Projekte hier in Leipzig fließen. So schaffen wir einen Kreislauf, der nicht nur den Konsum reguliert, sondern auch aktiv dazu beiträgt, problematischen Konsum zu verhindern.
Lassen Sie mich eines klar sagen: Dieses Projekt ist kein Freibrief. Es ist ein wissenschaftlich begleiteter Versuch, den illegalen Markt einzudämmen und gleichzeitig den Gesundheitsschutz zu verbessern. Die lückenlose Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette garantiert Produkte von höchster Qualität und Reinheit. Wir als Bündnis 90/Die Grünen stehen für eine Drogenpolitik, die auf Aufklärung, Prävention und Schadensminimierung setzt. Das Cannabismodellprojekt ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Es entspricht nicht nur der bisherigen Beschlusslage des Stadtrates, sondern auch unserem Verständnis einer modernen, evidenzbasierten Gesundheitspolitik.
Ich lade Sie alle ein, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen. Denn nur so können wir eine Drogenpolitik gestalten, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt – ihre Gesundheit, ihre Selbstbestimmung und ihre Sicherheit. Eine Politik, die nicht mit zweierlei Maß misst, sondern konsequent auf Prävention, Aufklärung und verantwortungsvollen Umgang mit Rauschmitteln setzt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.