Rede von Chantal Schneiß am 29. Oktober 2025 zum Antrag "Errichtung eines Umspannwerks in Stötteritz"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen, liebe Gäste,

 

was macht eine Stadt wirklich lebenswert? Sind es nicht die grünen Oasen, die alten Alleen, die Orte, an denen Menschen zusammenkommen, durchatmen, zur Ruhe kommen können? Genau diese Frage stellt sich aktuell ganz konkret in Stötteritz.

Lassen Sie mich eines gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit sagen: Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht verhandelbar. Ohne eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur wird die Energiewende scheitern. Und das können und dürfen wir uns angesichts der Klimakrise schlicht nicht leisten.

Aber: Die Frage ist nicht, ob wir bauen, sondern wie. Und genau da liegt der Knackpunkt.

Denn was hier in Stötteritz passiert, ist ein Musterbeispiel dafür, wie man es eben nicht machen sollte. Seit 2023 laufen die Planungen für ein Umspannwerk auf dem Sportplatz des ATV 1845 e.V. und das ohne frühzeitige Einbindung des Stadtbezirksbeirats, ohne transparente Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern. Keine offene Diskussion, keine echte Beteiligung stattdessen "Hinterzimmertür-Planungen", wie es der Beirat selbst genannt hat.

Wer Akzeptanz für die Energiewende will und die brauchen wir dringend, der muss die Menschen mitnehmen. Der muss zuhören, erklären, beteiligen. Beteiligung ist kein lästiger Zusatz sie ist der Schlüssel, damit die Energiewende vor Ort gelingt.

Und dann ist da noch die Naunhofer Straße diese einzigartige, vierreihige Lindenallee. Bestehend aus Krim- und Holländischen Linden viele davon über ein Jahrhundert alt. Für das geplante Umspannwerk müssten voraussichtlich mindestens fünf dieser beeindruckenden Bäume gefällt werden. Das wäre ein unwiederbringlicher Verlust nicht nur fürs Auge, sondern fürs Klima, für die Lebensqualität, für kommende Generationen. Bereits 2014 haben wir beantragt, den Naturdenkmalstatus der Allee wiederherzustellen. Damals hieß es: Der Schutz durch das Landschaftsschutzgebiet sei ausreichend. Heute sehen wir: Das war ein Trugschluss.

Wie wichtig solche grünen Strukturen in unseren Stadtteilen sind, wurde in der Sitzung vom 19.8. des Stadtbezirksbeirats sehr eindrücklich geschildert. Eine Frau aus Stötteritz berichtete, dass sie mindestens einmal im Jahr ihren Keller auspumpen muss, weil nach Starkregen das Wasser nicht mehr richtig abläuft. Versiegelte Flächen, fehlende Durchlässigkeit, überforderte Kanalisation das sind keine abstrakten Probleme.  

Genau deshalb wollen wir in Leipzig Schwammstadt werden. Wir haben uns „wassersensible Stadtentwicklung“ und Netto-Null-Versiegelung auf die Fahne geschrieben. Das ist der Weg, um unsere Stadt klimaresilient zu machen. Dazu passen die aktuellen Pläne des Umspannwerkes leider nicht.  

Wir fordern mit unserem Ergänzungsantrag:

Erstens: Wenn es so ist, dass es tatsächlich keine bessere Alternativstandorte gibt, dann ist der Garagenkomplex direkt am ATV-Standort zu nutzen um die Neuversiegelung so klein wie möglich zu halten. Es ist niemandem zu erklären, dass eine Grünfläche bebaut wird, wenn direkt daneben eine versiegelte Fläche vorhanden ist. Dabei können wir uns durchaus vorstellen, dass nach den Baumaßnahmen ein Teil der Garagen wieder aufgebaut werden.  

Zweitens:  In unserer Ursprungsfassung forderten wir, dass die gesamte Lindenallee endlich als Naturdenkmal unter Schutz gestellt werden muss. Die Verwaltung sagt, wir dürfen das dem Oberbürgermeister so nicht vorschreiben und in ihrem Vorschlag, dem jetzigen ÄA von Frau Riekewald und Frau Heymann steht: „Der OBM wird beauftragt, mit der Netz Leipzig GmbH grünordnerische und gestalterische Maßnahmen zu entwickeln, die bei Errichtung des Umspannwerkes die Auswirkungen auf die Lindenallee und die naturschutz- und umweltbezogenen Gegebenheiten des Standortes minimieren.“ Das klingt alles schön und gut und damit können wir möglicherweise auch mitgehen, aber wie sieht das denn konkret aus? Was bedeutet das für die Bäume? Wir möchten dort noch ergänzen, dass die Bäume, die möglicherweise im Weg stehen, umgesetzt und nach den Arbeiten wieder in die Allee eingefügt werden.

Drittens: Die Stadtverwaltung muss ein klares, verbindliches Konzept zur Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten vorlegen. Dieser Punkt wurde nun mit aufgenommen und freut uns sehr.  

Denn eines ist klar: Wir können die Klimakrise nur bewältigen, wenn wir Klima- und Naturschutz zusammen denken. Und wenn wir die Menschen mitnehmen, nicht über ihre Köpfe hinweg entscheiden.

Jeder Baum, jede grüne Fläche ist Teil unserer städtischen Klimaanlage. Die Lindenallee in Stötteritz ist nicht nur schön sie ist ein Stück gelebter Klimaschutz. Lassen wir nicht zu, dass sie achtlos geopfert wird, wenn es Alternativen gibt.

Vielen Dank.

Zurück