Rede von Dr. Gesine Märtens in der Ratsversammlung am 21. Juni zum Antrag: Frauenförderungen in städtischen Unternehmen

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- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
wehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates,
liebe Gäste,

es gibt so Momente im Leben, da fragen wir uns ja: wie konnte das bloß passieren....
eine solcher war für mich zweifelsfrei die Kenntnisnahme des Verwaltungsstandpunktes VI-A-03914-VSP-01.

Selten hat ein Verwaltungsstandpunkt die Unbedarftheit und die Ambitionslosigkeit der Leipziger Stadtverwaltung so klar offenbart.  Und selten hat einer Verwaltungsstandpunkt so dummdreist versucht, uns Äpfel für Birnen zu verkaufen. Es hätte eigentlich nur noch gefehlt, dass uns die Verwaltung einen Alternativvorschlag zur Einrichtung eines Männerförderplans für die St. Georg gGmbH offeriert.
Zugegeben. Es ist ja auch nicht leicht. Immer wieder kommt die EU mit ihren neuen, schwer zu durchschauenden Regelungen daher.

Kürzlich erst ... am 27. November  2000. Der Europäische Rat verabschiedet die Richtlinie des Rates 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Auch genannt: die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie.

Und dann... 2002... die EU-Richtlinie über die Gleichbehandlung in den Bereichen Beschäftigung, Beruf und Arbeitsbedingungen – die sogenannte Gender-Richtlinie.

Und dann: die Welle schwappt auf Deutschland über. Am 24. April 2015 verabschiedete die Bundesregierung das Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes, kurz Bundesgleichstellungsgesetz, noch kürzer – BgleiG.

Und weil  sie es offenbar irgendwie schon geahnt hatte, vereinbarte die sächsische Regierung 2014 in ihrem Koalitionsvertrag im Bezug auf das noch nicht mal verabschiedete BGleiG:
(Zitat) „Das Sächsische Frauenförderungsgesetz wird bis 2016 zu einem modernen Gleichstellungsgesetz weiterentwickelt. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfah¬rens werden wir auch die Rolle und Aufgaben der Gleichstellungs- und Frau¬enbeauftragten diskutieren ....

Auf die verbindliche Einhaltung von Frauenförderplänen und weiteren Regelungen werden wir stärker achten.“
Zugegeben: 2016 ist schon vorbei, aber immerhin liegt schon ein Referentenentwurf vor. Das Gesetz ist für das Frühjahr 2018 avisiert.

Danach wird durch die Beteiligungsunternehmen in Anpassung an das Gleichstellungsgesetz des Bundes ein Förderplan (Gleichstellungsplan) zu erstellen und eine verantwortliche Person (Beauftragte) zu benennen sein.

Übrigens haben andere Bundesländer die Hausaufgaben gemacht: Berlin, das Saarland und im vergangenen Jahr Hessen. Die haben entsprechende Passagen in ihre Landesgleichstellungsgesetzte aufgenommen.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Sollte unsere kluge Stadtverwaltung das alles nicht gewusst haben?  Oder hat Sie es gewusst und dachte, sie könne die Sache aussitzen, bis ein Gesetz sie zwingt?

Sind die ein, zwei Jahre,  die vergehen werden, bis das Landesgesetz sie zwingt, gewonnene Jahre? Wer gewinnt, wenn wir keine Frauenbeauftragte und Frauenförderpläne in unseren Beteiligungsunternehmen habe? Ich sage es Ihnen: Niemand gewinnt. Wer verliert etwas? Ich sage es Ihnen: Alle. Die Unternehmen, die Frauen, die Männer, die Stadt.

Meine Herren, wenn Sie morgens vor dem Spiegel stehen. Bitte fragen Sie sich nicht, ob Sie Ihren Posten inne hätten, wenn es in Deutschland schon echte Chancengleichheit gäbe. Sie haben ihn verdient.
Aus diesem Selbstbewusstsein heraus, können sie agieren.

Jede Frau in diesem Land hat einen Vater. Und jede Tochter hat es verdient, dass der sich für ihre Chancengleichheit einsetzen.

Liebe Stadträtinnen und Stadträte, bitte stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank!

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