Rede von Dr. Gesine Märtens, Stadträtin und gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion, am 8. September 2017 zur Trauerfeier von Ruth Pfau

Liebe und tu was du willst.

Gedenkandacht für Ruth Pfau

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Angehörige, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gemeinde

Wir ehren heute eine großartige Tochter unserer Stadt. Sie wird es uns verzeihen. Eigentlich, so Ruth Pfau, mache sie sich nicht viel aus Ehrungen, denn dann müsse sie nur zum Friseur und sich neue Schuhe kaufen.

Wir folgen heute Augustinus Wort „Liebe, und tu was du willst!“, weil Ruth Pfau sich diese Aufforderung selbst zum Motto nahm.

Wir sind so frei! Sie wird uns aus ihrer neuen Perspektive  heraus verzeihen, dass wir noch eine kleine Weile mit den Ehrungen fortfahren. Wir brauchen sie noch. Denn Ruth Pfau ist eine Institution, die so groß ist, dass sie unseren Gedanken einen enormen Reflexionsraum bietet. Wir brauche Zeit, ihn zur durchschreiten.

Im Gedenken schauen wir zurück.

Die Leipzigerin Ruth Pfau floh mit ihrer Familie aus der sowjetischen Besatzungszone, weil ihre Familie keine Zukunft hatte und sie selbst nicht studieren durfte. Damit wurde Ruth Pfau für Leipzig und die DDR unsichtbar.

Nach ihrem Medizinstudium verließ sie Deutschland ganz auf der „Suche nach einem  Sinn in dieser Welt“. In Pakistan hat sie ein großartiges Werk vollbraucht und eine Weisheit erlang, die uns in ihren Schriften erhalten bleibt.

Leipzig hatte es auch nach 1989 nicht leicht mit dieser verlorenen Tochter.

Einer Ehrenmedaille wurde Ruth Pfau nicht für würdig befunden. Auch um die Benennung des Berufsschulzentrums 9  mit dem Namen Ruth-Pfau-Schule hat die Stadt lange gerungen.

Es ist wohl war, dass es keinen so offensichtlichen Verdienst für unsere Stadt gab.

Ihr Verdienst für Leipzig ist ideeller Natur: Sie fordert uns heraus

„Liebe und tu, was Du willst.“

Ein Raum für die eigne Liebe, die Freiheit der Entscheidung, eine eigene Aufgabe und Unterstützung. Ruth Pfau hat dies alles in Pakistan gefunden, nicht in Leipzig und auch nicht im Wirtschaftswunderdeutschland.

Ruth Pfaus Leben gibt uns die Frage auf:  Was brauchen Menschen hier in Leipzig, um die Stadt als ihrer Heimat zu erkennen? Was müssen wir tun, um allen einen Wirkungsrahmen zu geben, indem sie sich entfalten können, auch um Großes zu schaffen.

Es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft, für eine Stadt zu sorgen, aus der niemand fliehen muss, in der jede und jeder eine Platz und eine Weg der Selbstverwirklichung findet. In der Raum ist, Großes zu schaffen, gerade auch für Frauen.

„Liebe und tu, was Du willst.“ - in einer offenen Gesellschaft, die Sicherheit bietet, die ein positives Lebensgefühl und Hoffnung gibt, damit sich die Liebe zu den Menschen, zu den Dingen, zum eigenen Schaffen entwickeln kann.

„.. und tu, was Du willst.“ - Diese Aufforderung braucht die Idee der individuellen Freiheit. Freie Entfaltung aber braucht Unterstützung, braucht Chancen und braucht Gelegenheiten.

Wir sollen, wir müssen uns anstrengen, damit Menschen hier unter uns ihre Erfüllung erlangen können.

Ruth Pfau hat uns gezeigt, dass sich Heimatgefühl und Religion in einem Leben ändern können. Sie dürfen sie niemals der Grund sein für Ausgrenzung, Gewalt und Krieg.   

Angesichts des Afghanistankriegs und der Gewalt im Norden Pakistans rang Ruth Pfau am Ende Ihres Lebens um Zuversicht. Wie sollen wir Armut, Krieg und Vertreibung verhindern?

Ruth Pfaus Arbeit in Pakistan fortzusetzen ist eine große Aufgabe. Für eine friedliche Welt zu sorgen, in der ihre Arbeit nicht zunichte gemacht wird, ist eine andere und heute größere und schwerere Herausforderung.

Friede sei mit uns!

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