Rede von Dr. Gesine Märtens, Stadträtin zum Änderungsantrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD zur Drucksache „Neuausschreibung der noch nicht vergebenen Außenwerberechte nach Konzessionsrecht“

(es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

20 % aller Kinder in Deutschland sind zu dick. Wir wissen dies und verhandeln über die Einschränkung von Werbung für süße und fette Lebensmittel.

Mehr als 120.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an den Folgen des Rauchens. Wir diskutieren nicht mehr über ein Außenwerbeverbot für Tabak. Deutschland warten nur noch darauf, dass die Bundesregierung ihre Beschlüsse umsetzt und sich als letztes Land der Europäischen Union dem Außenwerbeverbot anschließt.
150 000 bis 200 000 Menschen in Deutschland sind an Magersucht erkrankt. 90 Prozent davon sind Mädchen und junge Frauen.

Wir hier in Leipzig müssen nicht darauf warten, das Heiko Maas wieder Justizminister wird und sein Gesetzesvorhaben zum Verbot von Werbung, die „Personen auf ihre Sexualität reduziert“, „Nacktheit übertrieben herausstellt“ oder wenn es keinen „sozial akzeptablen Zusammenhang“ zwischen Produkt und Präsentation gibt, umsetzten kann. Wir hier können heute einen eigenen Schritt zur Reduzierung diskriminierender, sexistischer und frauenfeindlicher Werbung in Leipzig tun.

Wir können die Stadt Leipzig auffordern, mit dem zukünftigen Werbekonzessionär gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und damit unserer Selbstverpflichtung aus der "Charta zur Gleichstellung von Frau und Mann" nachkommen.

Sexistische Werbung schadet den Menschen. Die Folgen sind komplex und nachgewiesen.
Sexistische Darstellungen, wie sie u. a. in der Werbung vorkommen, sind eine Ursache für sexuelle Objektivierung. Das heißt sie reduziert das Betrachten und das Verständnis von menschlichen Körpern als Konsumobjekt – als Stücke von Menschen, die zum Ansehen, zum Bewerten, zum Konsumieren, zum Benutzen, zum Fortwerfen da sind. Menschen werden nicht in ihrer vollen Menschlichkeit wahrgenommen. Dann interessiert nicht, wie sie sich fühlen, was sie tun, was sie sagen, was ihr Beitrag zur Welt ist.
Dieser verschobene Blick auf Frauen, die Frauen und Männern gleichermaßen eingeimpft wird, behindert unsere Gesellschaft.
Es ist wie mit dem Klimawandel. CO2 ist an sich nicht schädlich. Aber es führt zur Erderwärmung mit noch unabsehbaren Schäden.
Sexuelle Objektivierung durch sexistische Werbung ist die Ursache für Körperscham. Sie ist ein Grund für Essstörungen. Sie fördert notorische Körperüberprüfung und Depressionen. Sie verringert den Selbstwert und macht aggressiv. Die jetzige Praxis, nach der vom Werberat gerügte Werbung entfernt werden soll, führt dazu, dass die Werbung erst ihre schädliche Wirkung entfalten kann, dann ein hohes mediales Interesse erfährt, was kann Werbung sich noch mehr wünschen und dann erst verschwindet.
Darauf müssen wir nicht warten. Wir können der Gefahr im Vorfeld begegnen.
Wir streben eine konzeptionell verankerte und schließlich vertraglich vereinbarte Kontrolle der Leipziger Außenwerbung an und fordernd die Verwaltung auf, dafür ein Modell zu entwickeln.
Leipzig folgt auf diesem Weg anderen deutschen Städten, wie Frankfurt, Bremen und Berlin.
Und ja, jemand wird sicher gleich ins Feld führen, dass die Verhinderung einzelner Werbekampagnen die Einnahmen für die Stadt Leipzig verringert. Ja, das ist möglich. Aber wie viel, meine Damen und Herren, ist uns das Leben eines einzelnen jungen Mädchens und die Gesundheit der Leipzigerinnen und Leipziger wert?

Bitte stimmen sie unserem Änderungsantrag zu.

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