Rede von Dr. Gesine Märtens am 12. März 2025 zum Antrag "Jeden zweiten Tag…. – Gedenkort für die Opfer von Femiziden in Leipzig schaffen"
Foto: Martin Jehnichen- es gilt das gesprochene Wort -
Jeden zweiten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners. Jeden zweiten Tag verlieren wir eine Mitbürgerin, eine Mutter, eine Tochter, eine Freundin durch geschlechtsspezifische Gewalt. Und jeden zweiten Tag versäumen wir als Gesellschaft, diese systematische Gewalt beim Namen zu nennen: Femizid.**
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor mehr als zweieinhalb Jahren hat sich unser Stadtrat dazu bekannt, einen Gedenkort für die Opfer von Femiziden zu schaffen. Zweieinhalb Jahre, in denen bundesweit etwa 450 Frauen getötet wurden, weil sie Frauen waren. Zweieinhalb Jahre, in denen wir in Leipzig zwar einen wichtigen Beschluss gefasst, aber noch keinen sichtbaren Ort der Erinnerung geschaffen haben.
Das vorliegende Gutachten spricht eine klare Sprache: Wir brauchen einen physischen Gedenkort im öffentlichen Raum. Einen Ort, der für sich steht und gleichzeitig ein Ort der Begegnung ist. Einen Ort, der das Unsichtbare sichtbar macht und das Schweigen bricht.
Warum ist dieser Gedenkort so wichtig? Weil er mehr ist als ein Symbol. Er ist ein aktives Instrument der Prävention. Denn Femiziden gehen oft jahrelange häusliche Gewalt und Kontrolle voraus. Indem wir diese Gewalt im öffentlichen Raum thematisieren, sagen wir als Stadtgesellschaft: Wir schauen nicht weg. Wir benennen das Problem. Und wir handeln.
Eine künstlerische Installation im öffentlichen Raum erreicht Menschen in ihrem Alltag. Sie lädt zum Nachdenken ein, ohne zu belehren. Sie schafft Raum für Trauer, aber auch für Hoffnung und Veränderung. Und sie schließt eine Lücke in unserer Erinnerungskultur, die zu lange bestand.
Der geplante Beteiligungsprozess stellt sicher, dass dieser Ort nicht von oben verordnet wird, sondern gemeinsam mit Betroffenen, Expertinnen und Experten sowie engagierten Bürgerinnen und Bürgern gestaltet wird. So wird der Gedenkort zu einem Ort, der uns allen gehört und für den wir gemeinsam Verantwortung tragen.
Die beantragten Mittel – 40.000 Euro für 2025 und 100.000 Euro für 2026 – sind eine Investition in eine gerechtere Gesellschaft. Sie sind ein klares Signal, dass Leipzig Femizide nicht als Privatangelegenheit oder Einzelschicksal betrachtet, sondern als das, was sie sind: ein strukturelles Problem, das uns alle angeht.
**Für jede Frau, die wir verloren haben. Für jede Frau, die wir schützen können. Für eine Stadt, in der alle Menschen ohne Angst leben können. Ich bitte Sie: Stimmen Sie für diesen Haushalt und machen Sie den Gedenkort für die Opfer von Femiziden zur Realität. Denn kein Tag mehr sollte vergehen, an dem wir schweigen.**
Vielen Dank.