Rede von Dr. Nicole Schreyer am 16. April zum Antrag der AfD-Fraktion "Ausrufung des Klimanotstandes beenden"

- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleg*innen der demokratischen Parteien, liebe Zuschauer*innen auf der Tribüne und vor den Bildschirmen.
Weltweit sind in den letzten 30 Jahren ca 800.000 Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen, die auf den Menschenverursachten Klimawandel zurückzuführen sind, gestorben.
Ich weiß, diese Zahl ist für einige hier im Raum zu abstrakt, um sie in ihrer ganzen Tragik zu verstehen. Außerdem wissen wir leider ja schon zur genüge, dass die Antragssteller Menschenleben nach Staatszugehörigkeit und Hautfarbe sortieren und unterschiedlich wertet.
Also versuche ich es mit diesen Zahlen: 2021 sind bei der Flut im Ahrtal – also in Deutschland - über 180 Menschen gestorben.
2023 gab es in Deutschland über 6000 Hitzetote.
Insgesamt wurden für Deutschland in den letzten 30 Jahren 74 Extremwetterereignisse mit mehr als 18.000 Todesfällen und c.a. 127 Milliarden Dollar Schäden gezählt. Mehr als 570.000 Menschen waren direkt von Folgen der Wetterextreme betroffen, zum Beispiel durch Verlust ihres Eigentums aufgrund von Überschwemmungen und Stürmen oder durch Gesundheitsschäden, die durch diese Ereignisse erlitten wurden.
Laut Uno Flüchtlingshilfe verließen 2023 rund 26,4 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von klimabedingten Ereignissen wie Dauerregen, langanhaltenden Dürren, Hitzewellen und Stürmen. Diese Menschen suchen dann u.a. in Deutschland Hilfe. Aber wie wir mit diesem Menschen angemessen umgehen – das ist ein anderes Thema, bei dem die Antragssteller sich auch gerne von ihrer schlechtesten Seite zeigen.
Mit diesen Zahlen im Kopf zu behaupten, die Klimakatastrophe ginge uns nichts an, zeugt von unfassbarer Ignoranz und Unwissenheit.
Fakt ist:
Es gibt einen wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel, über 99% aller wissenschaftlicher Arbeiten zum Klimawandel kommen zu dem Schluss, dass es den Menschengemachten Klimawandel gibt. Dass die von uns verursachten CO2-Emmissionen für Klimaveränderungen sorgen, die weit über die in der Vergangenheit beobachtete Effekte z.B. durch Vulkanausbrüche hinaus gehen.
Die Welt wird wärmer, das Eis schmilzt, Extremwetterereignisse nehmen zu, Menschen, Tiere und Pflanzen leiden darunter. Und wir sind Schuld daran.
Das ist die unbequeme Wahrheit, der wir uns stellen müssen. Das sind die Fakten in ihrer ganzen Härte.
Jede Person, die heute für diesen Antrag stimmt, beweist, dass sie den Boden von Fakten und Wissenschaft verlassen hat und im Reich der Schwurbler und Fake-News angekommen ist.
Liebe Kolleg*innen und Kollegen der demokratischen Parteien, wir vertreten oft unterschiedliche Meinungen. Und das ist gut so. Lassen Sie uns diskutieren und auch mal streiten, das ist das Wesen der Demokratie. Aber ich bitte Sie, lassen Sie uns auf dem Boden der Fakten, der Zahlen, der Wissenschaft bleiben.
Lassen Sie uns unseren Beitrag leisten, um das CO2 zu reduzieren, um den Klimawandel wenn nicht zu stoppen, so wenigstens um ihn zu verlangsamen.
Denken Sie daran: der Klimanotstand wurde auf Initiative des Jugendklimarates ausgerufen.
Wenn Sie gleich abstimmen, denken Sie also an die Kinder und Jugendlichen dieser Stadt.
An diejenigen, denen wir Leipzig eines Tages anvertrauen werden. Und die auf uns vertrauen, dass wir heute die richtigen Entscheidungen treffen, damit sie morgen noch eine lebenswerte und zukunftsfähige Stadt vorfinden.
Vielen Dank.