Rede von Dr. Tobias Peter am 15. März 2022 zum Antrag "Listenverfahren der LWB" des Migrantenbeirates

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Oberbürgermeister, werte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen und Gäste,

in diesen Tagen wird uns wieder auf schmerzliche Weise vor Augen geführt, was es heißt, als Fremde oder Fremder eine Bleibe zu suchen. Hunderte, ja Tausende Geflüchtete aus der Ukraine suchen Obdach in unserer Stadt, zunächst ein Bett und ein Dach über den Kopf, letztlich eine Wohnung, in der sie fürs erste bleiben können. Sie stoßen auf vielfache Barrieren: eine unbekannte Sprache, verwirrende Regelungen und Formulare, allzu oft auch Vorbehalte. Viele unserer Mitmenschen teilen diese Erfahrungen seit vielen Jahren – ob als Geflüchtete oder Menschen, die einfach nur anders aussehen. Menschen mit Migrationsgeschichte haben es bei gleichen Voraussetzungen deutlich schwerer, eine Wohnung zu finden - das zeigen zahlreiche Studien mittels sogenannter Testing-Verfahren.

Migrantinnen und Migranten ziehen oft, zu oft den Kürzeren angesichts des angespannten Wohnungsmarkts in Leipzig. Im Besonderen gilt dies für Asylberechtigte mit einem Aufenthalt von länger als einem Jahr, die kein eigenes Einkommen haben. Um ihnen den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern und zugleich Korruption vorzubeugen, hat die LWB das Listenverfahren eingeführt. Der Antrag des Migrantenbeirats – für den wir uns an dieser Stelle sehr herzlich bedanken - beschreibt eindrücklich, dass das Verfahren seine Absicht ins Gegenteil verkehrt. Denn für die betroffenen Personen wird das Recht auf freie Wohnungswahl faktisch ausgehebelt, da sie nur über diese Liste Zugang zu Wohnungen der LWB haben.

Obwohl dies offensichtlich ist, gingen Verwaltung und LWB auf Grundlage eines juristischen Gutachtens noch vor einem knappen Jahr in der Antwort auf eine Anfrage unserer Fraktion davon aus, dass das Verfahren rechtssicher ist und nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstößt. Klarheit hätten nur gerichtliche Urteile gebracht – aber nachvollziehbar werden aus der Gruppe der Betroffenen kaum oder wenig Klagen angestoßen und wenn, erfolgt schnell ein Vergleich.

Zudem kommt das Verfahren mit recht hohem Aufwand (600 Anträge, vielfache Terminvereinbarungen) zu einem recht bescheidenen Ergebnis (60 vermittelte Wohnungen). Die Verfahren dauern für 2-3 Raum-Wohnungen mit 3,5 bis 6 Monaten recht lang, für 4-Raum Wohnungen gibt es praktisch keine Vermittlung.

Unsere Fraktion hat dieses Verfahren abgelehnt und ist deshalb froh, dass das Listenverfahren nun abgeschafft wird. Wir gehen davon aus, dass dies per Gesellschafterweisung des OBM umgehend nach heutigem Ratsbeschluss erfolgt.

Das Problem bleibt dennoch und deshalb ist es gut, dass die LWB nun ein wohnungspolitisches Integrationskonzept auf den Weg bringt. Ziel muss es sein, dass die LWB ihrer Verantwortung gerecht wird, und Wohnungen an Menschen aus der betroffenen Gruppe in dem Umfang vermittelt, der ihren Eigentümerziele zur Aufnahme von Menschen mit Transferbezug und dem Migrationsanteil in Leipzig entspricht. Die LWB darf hier nicht Schmuddelkind, sondern muss Vorbild für die Wohnungswirtschaft in Leipzig sein. Diese Zielsetzung gehört auch in die neu zu fassenden Eigentümerziele des Unternehmens.

Unsere Fraktion hat generell zu dem Thema Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt umfangreiche Vorschläge gemacht, der entsprechende Antrag ist in der nächsten Ratsversammlung ein Thema – hier werden wir zu den einzelnen Maßnahmen noch einmal ausführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns heute einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem diskriminierungsfreien Wohnungsmarkt machen und stimmen Sie dem Antrag des Migrantenbeirats im Sinne des VSP zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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