Rede von Dr. Tobias Peter am 16. Juni 2022 zur Vorlage "Strategischer Ankauf des Grundstückes Friederikenstraße 37 in 04279 Leipzig für Notunterbringung von geflüchteten Menschen"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Oberbürgermeister, werte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen und Gäste,

man kann sich auch ohne Ausländerfeindlichkeit und Polemik mit dieser Vorlage auseinandersetzen – nämlich sachlich, wie es vor dem ernsten Hintergrund auch geboten ist. In den vergangenen Wochen und Monaten haben Leipzigerinnen und Leipziger tausende Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen – zum überwiegenden Teil privat, aber auch in Sammelunterkünften. Niemand von uns weiß, wie sich der Krieg in der Ukraine und infolgedessen die Geflüchtetenzahlen entwickeln werden. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich die Stadt um eine Ausweitung von Kapazitäten für Sammelunterkünfte kümmert. Weniger nachvollziehbar ist freilich das Agieren beim heute zur Entscheidung stehenden Objekt Friederikenstraße.

Ich will gar nicht davon reden, dass wir nun für 15 Mio. EUR ein Objekt erwerben, dass wir vor wenigen Jahren für 500.000 EUR verkauft haben – dies ist erklärungsbedürftig genug. Was aber in der Tat nicht geht, dass der OBM erst Eilentscheidung eine Anmietung über einen Zeitraum von 5 Jahren abschließt - einen Zeitraum, der sachlich eigentlich nicht geboten ist, zwei Jahre hätten es auch getan - und anschließend damit einen Kauf plausibilisiert, der eigentlich zwingend ist, wenn die Stadt nicht Millionen verlieren will. Bei aller verständlichen Eile aufgrund der Krisensituation: die Herbeiführung einer solchen Zwangssituation hebelt die Entscheidungsfindung des Stadtrats faktisch aus.

Weiterhin fraglich ist auch die Grundannahme der Verwaltung für den Kauf, nämlich eine dauerhafte Sammelunterkunft in der Friederikenstraße. Die Grundsatzentscheidung des Stadtrats ist freilich eine andere, nämlich die grundsätzliche Unterbringung von Geflüchteten in dezentralen Unterkünften. Dezentrale Unterkünfte, weil sie die hinlänglich bekannten negativen Effekte von Sammelunterkünften vermeiden, weil sie eine bessere Integration und letztlich einfach menschenwürdigere Unterbringung ermöglichen. Wir sind deshalb der Freibeuter-Fraktion für ihren Änderungsantrag dankbar, die Kapazitäten in der Friederikenstraße in den kommenden 5 Jahren schrittweise auf die Dimension einer dezentralen Unterkunft zu reduzieren und zugleich das Konzept zu aktualisieren. Und Herr Bonew, natürlich wissen wir nicht wie Wohnungsmarkt und Geflüchtetenzahlen in ein paar Jahren aussehen – aber das hindert und doch nicht daran, uns klare Ziele zu setzen. Wer angesichts einer ungewissen Zukunft aufhört, klare Ziele zu setzen, der gestaltet nicht, sondern der kapituliert vor der Zukunft. Deshalb stimmen wir den Freibeutern zu und ich will hiermit klar zum Ausdruck bringen, dass wir eine klare Erwartungshaltung haben, den Anteil dezentraler Unterbringung deutlich über die jetzigen 50% zu bringen.

Wenn wir dieses Ziel setzen, dann ist auch klar, dass wir eine langfristige Nutzungskonzeption für die Liegenschaft brauchen. Die Vorlage der Verwaltung skizziert hier verschiedene Optionen, die aber vertieft untersucht werden müssen. So untersucht, dass wir rechtzeitig Planungs- und schließlich Baubeschlüsse auf dem Weg bringen können, die in 2027 umsetzbar sind. In diesem Sinne können wir dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zustimmen, bis zum 2. Quartal 2023 eine Nachnutzungskonzeption auf den Weg zu bringen.

Was ich allerdings nicht verstehe, dass dieser richtige Änderungsantrag in der Neufassung verwässert wird. Denn wann die Unterkunft absehbar nicht als Sammelunterkunft genutzt wird, legen wir ja mit dem Änderungsantrag der Freibeuter fest, das können wir nicht offen lassen, sondern müssen es verbindlich festlegen. Insofern machen wir uns den ursprünglichen Änderungsantrag der CDU zu eigen und stellen diesen hier zur Abstimmung.

Und in der Tat: der Preis ist ein Problem. Wir sehen hier auch Spielräume und können dem Änderungsantrag der Linken zustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei allen Bauchschmerzen, unter Voraussetzung der Annahme der genannten Änderungsanträge können wir der Vorlage zustimmen. Vielen Dank!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

unsere Fraktion begrüßt ausdrücklich die Ergebnisse des bisherigen Prozesses und den Verwaltungsvorschlag mit der eben erläuterten Ergänzung. Wir sind gespannt und freuen uns auf den weiteren Weg und stimmen gern zu.

Vielen Dank!

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