Rede von Dr. Tobias Peter am 19. Mai zur Konzeption zur Implementierung einer Zero-Waste-Strategie

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Oberbürgermeister, werte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen und Gäste,

im Oktober 2022 haben wir in der Ratsversammlung auf einen grünen Antrag hin beschlossen, dass Leipzig zur Zero WasteCity werden soll. Ich erinnere – insbesondere die Kollegen von der CDU daran: Zero Waste zielt darauf ab, alle Ressourcen zu schonen und zurückzugewinnen, statt sie zu verbrennen oder zu deponieren. Also: Verpackungen möglichst vermeiden, reparieren statt wegwerfen, wiederverwerten statt deponieren. Es geht darum, nicht einfach nur Abfall zu vermeiden, sondern alle Ressourcen durch Produktion, Konsum, Wiederverwendung und Rückgewinnung von Produkten, Verpackungen und Materialien zu nutzen - und zwar ohne dass diese verbrannt oder deponiert werden. Es ist wichtig, dass derBegriff Zero Waste dabei ein konkretes Ziel formuliert, eine massive Reduktion des Abfallaufkommens bis perspektivisch auf Null. Dieses Ziel wird international von der Zero WasteBewegung geteilt und es steht einer internationalen Stadt wie Leipzig gut zu Gesicht, sich hier auch mit dem Begriff einzureihen.

Mit Beschluss vom Oktober haben wir bis zum 4. Quartal Zeit für Eckpunkte und Meilensteine gegeben und wir freuen uns sehr, dass die Verwaltung hier einmal deutlich schneller ist – vielen Dank dafür, insbesondere an die engagierten Kolleginnen und Kollegen der Stadtreinigung. Wir unterstützen das unterbreitete Konzept ausdrücklich und können uns hier grundsätzlich sehr gut wiederfinden. Besonders gut finden wir, dass lokale Gewerbetreibende zur Verringerung der Restabfälle mit eingebunden werden sollen.

Auch den Beteiligungsansatz begrüßen wir grundsätzlich und schlagen vor, diesen in den weiteren Schritten mit dem Forum Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement abzustimmen – denn genau für die Begleitung solcher Prozesse ist es ja da. 

Ebenfalls mitgehen können wir mit einer Erarbeitung des Konzepts durch die Stadtreinigung. Analog zu anderen Städten schlagen wir vor, diesen Prozess durch geeignete wissenschaftliche Institutionen, z.B. das Wuppertal begleiten zu lassen – damit können die Bürgerideen und Konzepte der Stadtreinigung noch einmal qualifiziert werden. 

Darüber hinaus gibt es weitere Punkte, die wir nach eingehender Befassung und Gespräch mit Initiativen gern noch etwas schärfen wollen.

Wir wollen den Prozess schneller und intensiver gestalten. Warum: weil Zero Waste ein zentraler Beitrag zur Lösung der Klimakrise ist, eine Klimakrise, die uns zur Eile mahnt. Denn ich erinnere: geht es so weiter wie bisher, werden durch die globale Abfallwirtschaft bis 2050 52,5 Gigatonnen Kohlendioxid freigesetzt – das entspricht 10 – 15% der der CO2-Menge, die wir zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziel einwenden. Diese Entwicklung müssen wir stoppen. Und als eine von über 100 EU-Städten, die sich dem Ziel der Klimaneutralität bis 2030 verschrieben haben, sind wir hier in Leipzig in einer besonderen Verantwortung. Je schneller wir Zero Waste umsetzen, desto besser für unser Klima.

Deshalb beantragen wir, bei Stadtverwaltung bzw. dem Eigenbetrieb Stadtreinigung mindestens 3 zusätzliche Stellen zu Organisation, inhaltlicher Bearbeitung und Öffentlichkeitsarbeit bereitzustellen. Damit können wir den Gesamtprozess insgesamt deutlich beschleunigen und bereits 2024 ein Konzept vorlegen. 1,5 Jahre sind ein realistischer Zeitraum, um eine fundierte Bürgerbeteiligung und Konzeptentwicklung durchzuführen. Und wir brauchen auch nicht 1,5 Jahre für eine Vorlage und Abstimmung im Stadtrat. Kiel hat gezeigt, dass der von uns veranschlagte Zeitraum von insgesamt 2,5 Jahren realistisch ist.

Damit gewinnen wir Zeit, um zügiger mit der Umsetzung zu beginnen und ambitioniertere Ziele in den Blick zu nehmen. Denn für den Erfolg einer Kandidatur als Zero Waste City sind ambitionierte Zielsetzungen entscheidend. Schauen wir uns an, welche Ziele andere erfolgreiche Städte verfolgen. Ljubljana, Hauptstadt von Slowenien, konnte die zur Entsorgung gebrachten Abfälle in wenigen Jahren um 59 % reduzieren. Treviso, Italien, konnte den Restmüll auf weniger als 75 kg Restmüll pro Kopf und Jahr reduzieren, zum Vergleich: in Leipzig liegt der Wert bei 139 kg. Kiel, die erste deutsche Zero-Waste-City strebt eine Halbierung des Rastabfalls um 50% bis 2035 an und als Zwischenschritt eine Reduzierung des Restabfallaufkommens um mindestens 15%. Wir sollten als Leipzig nicht dahinter zurückstehen. Gerade weil wir ein niedrigeres Ausgangsniveau als Kiel oder andere Städte haben, sollte uns dies wesentlich leichter fallen, die absoluten Mengen weiter zu reduzieren. Mit der von uns vorgeschlagenen Senkung des Restabfallaufkommens um 15% würde Leipzig gerade mal den derzeitigen sächsischen Durchschnitt leicht unterschreiten – das sollte niemanden überfordern.

Ebenfalls realistisch im sächsischen Vergleich ist eine Reduzierung der Siedlungsabfälle um 20%, wo wir uns an Berlin orientieren. Ein wesentlicher Hebel dabei ist eineSteigerung des Bioabfallaufkommens, das derzeit noch zu einem erheblichen Teil über den Restabfall entsorgt wird. Hierorientieren wir uns mit der vorgeschlagenen Steigerung um 30% an den vergleichbaren sächsischen Großstädten. Eine Erhöhung in diesem Bereich muss jedoch zugleich mit einer Reduzierung der Lebensmittelverschwendung einher gehen.

Im Implementierungskonzept selbst steht, dass die Kernziele im mit dem Zero Waste City Netzwerk abgestimmt werden müssen. Angesichts der ambitionierten Ziele, die andere Städte verfolgen, ist schon jetzt davon auszugehen, dass diese deutlich ehrgeiziger ausfallen werden müssen. Es ist aus unserer Sicht das bessere Signal, dass wir als Rat uns diese Ziele selbst setzen, als von anderen dazu gedrängt zu werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

leider absehbar, dass sich heute eine Mehrheit des Rats nicht zu diesem klaren Signal durchringen können, trotz der von mir eben beschriebenen Herausforderungen. Deshalb geben wir in Abstimmung mit der Verwaltung die Punkte 1c - Minderungsziele und 1d – Zeitplan zu Protokoll, um diese in die Gespräche mit dem Zero Waste City Netzwerk mitzunehmen und wir bitten dann um eine Berichterstattung im Fachausschuss Umwelt, Klima, Ordnung sowie im Betriebsausschuss Stadtreinigung bis Ende 2022. In diesem Sinne bitte ich Sie um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und zur Vorlage

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