Rede von Dr. Tobias Peter am 21. Juli 2021 zum Antrag "Graue Energie und Treibhausgaspotenziale bei Bauvorhaben reduzieren"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Gäste,

vor nicht einmal drei Monaten hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die derzeitigen Klimaschutzbemühungen nicht ausreichend sind. Klare und entschiedene Schritte sind notwendig, um die Treibhausgas-Emissionen schneller zu senken und nicht zu Lasten der jungen Generation auf die lange Bank zu schieben. Das laufende Jahrzehnt ist das entscheidende, um grundlegende Weichen für die Klimaneutralität zu stellen und das CO2-Budget nicht vorschnell aufzubrauchen.

In einer kürzlich vorgelegten neuen Risikoanalyse beschreibt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung eindrücklich die Domino-Effekte, bei denen das Kippen eines Elements der Erd-Systems weitere Kippprozesse anstößt. „Es steht zu viel auf dem Spiel, um darauf zu setzen, dass sich die Unsicherheiten zum Guten wenden“, kommentieren die Autor*innen. Es steht zuviel auf dem Spiel, um so einfach so weiter wirtschaften und einfach weiter so zu bauen, wie bisher.

Die Baustoffherstellung macht ca. 8% der Treibhausgasemissionen in Deutschland aus. Bei einem typischen Neubau gehen ca. 50% des Energieverbrauchs auf die Herstellung der Materialien zurück: die sogenannte Graue Energie, um die es uns in unserem Antrag geht. Immer noch wird in aller Regel sehr energieaufwändig mit Beton und Stahl gebaut statt mit nachwachsenden Rohstoffen, wird zuviel bedenkenlos abgerissen und neu gebaut statt zu erhalten und zu sanieren. Und das betrifft nicht nur Gebäude, sondern auch Infrastrukturen und Netze. Der Bausektor zählt neben der Mobilität zu den Bereichen, in denen die größten Potentiale für eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen zu erreichen. Und diese Reduzierung müssen wir nicht 2045 oder 2030 angehen, sondern jetzt.

Wir können und müssen als Stadt einen Beitrag leisten, ein anderes, klimaschonendes Bauen zu befördern. Wir freuen uns, dass die Stadtverwaltung dieses Problem grundsätzlich erkannt und mit einem ausführlichen Verwaltungsstandpunkt gewürdigt hat. Diesen
übernehmen wir weitgehend in unserer Neufassung. Es ist gut und richtig, gemäß Beschlusspunkt 1 der Neufassung im Rahmen der neuen Energieleitlinien klare Mindeststandards für emissionsarm errichtete Bauten zu übernehmen. Wir freuen uns ebenso, gemäß der Beschlusspunkte 4 und 5 die Weiterbildung in diesem Bereich zu forcieren, hier haben wir im Hinblick auf den Handlungsdruck, der sich aus Klimanotstand ergibt, noch einmal mehr Verbindlichkeit mit Fristen und Umsetzungsplan in der Neufassung ergänzt.
Ebenso übernehmen wir gemäß Punkt 6 den VSP hinsichtlich der kommunalen Beteiligungsunternehmen.

Auf zwei Ergänzungen des VSP möchte ich hier näher eingehen:

Beschlusspunkt 2: Das vom Stadtrat beschlossene Klimasofortmaßnahmenprogramm berücksichtigt viele Belange des Klimaschutzes, die Reduzierung Grauer Energie gehört nicht dazu. Der im VSP erfolgende Verweis auf die Maßnahmen 1 und 2 des Sofortmaßnahmenprogramms zum Klimanotstand geht fehl, den bei diesen geht es um den Energieverbrauch im Betrieb und eben nicht bei der Errichtung von Gebäuden. Es fehlen Projekte, bei denen die Reduzierung Grauer Energie konkret realisiert wird und aus denen gelernt werden kann. Deshalb schlagen wir hier vor, vier Pilotprojekte zu identifizieren, mit denen die Zielsetzung der emissionsarmen Errichtung von Gebäuden verfolgt werden soll. Denkbar sind z.B. Pilotprojekte für Gebäude (Hochbau), Anlagen (bspw. Kraftwerke) und Netzen (bspw. Straßen und Brücken). Kommunale Gesellschaften insb. LESG, LWB, die Unternehmen der L-Gruppe und ggf. nachhaltig agierende Investor*innen sollen einbezogen werden. Hinsichtlich der anschließenden Umsetzung dieser Projekte kommen wir Verwaltung und Bedenken von Ratskolleg/innen entgegen und schlagen hier einen Prüfauftrag vor, um der Verwaltung die notwendige Flexibilität zu geben, wann und wie diese Pilotprojekte umgesetzt werden.

Beschlusspunkt 3: Voraussetzung, um überhaupt Einsparpotenziale Grauer Energie zu erkennen, ist umfassende Information. Deshalb schlagen wir vor, über Graue Energie im Rahmen der bestehenden Bauherrenberatung zu informieren. Desweiteren müssen Bauherren erst einmal einschätzen können, welche Energieaufwände und Treibhausgasemissionen des gesamten Lebenszyklus entstehen. Zum gesamten Lebenszyklus zählen neben dem Betrieb auch vor- und nachgelagerte Prozesse wie Herstellung und Entsorgung von Baumaterialien sowie Errichtung, Erhalt und Rückbau.

Dieser Punkt wird in den nächsten Jahren mit steigenden CO2-Preisen von perspektivisch 180 EUR je Tonne auch wirtschaftlich äußerst relevant. Denn die energieintensive Art und Weise, zu bauen, wird zunehmend auch zum Kostenrisiko für Bauherren werden. Deshalb schlagen wir ein Förderprogramm vor, dass Anreize für Bauherren setzt, um die Bilanzierung und Ausweisung von Grauer Energie und dem damit verbundenen Treibhausgaspotenzial vorzunehmen. Hier ist je nach Bauvorhaben mit Kosten im höheren Hunderter bis niedrigen Tausenderbereich zu rechnen – ein Investition, die sich lohnt, wenn sich daraus Maßnahmen für eine klimaschonende Bauweise ableiten lassen. Auch hier schlagen wir vor, ein solches Förderprogramm zunächst zu prüfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie uns heute ein wichtiges Signal für Klimaschutz und zukunftsweisendes Bauen setzen. Stimmen Sie unserem Antrag in der vorliegenden Neufassung mit den eben erwähnten Änderungen zu, vielen Dank!

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