Rede von Dr. Tobias Peter am 21. Mai 2025 zur Verwaltungsvorlage "Wechsel des Liegenschaftsamtes in den Geschäftskreis des Beigeordneten für Wirtschaft, Arbeit und Digitales - 4. Satzung zur Änderung der Hauptsatzung"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen,  

es wird nicht überraschen, dass wir als Bündnisgrüne nicht begeistert sind, wenn ein bündnisgrün geführtes Dezernat ein Amt verliert. Aber das allein als Gegenargument wäre allzu billig.  

Wir lehnen die Umsetzung des Liegenschaftsamtes in das Wirtschaftsdezernat entschieden ab. Inhaltlich und aus Gründen des politischen Stils.  

Die Veränderung von Verwaltungsstrukturen muss hin und wieder erfolgen. Das Liegenschaftsamt war ursprünglich im Finanzdezernat und wechselte schließlich ins Wirtschaftsdezernat und war hier über Jahrzehnte auf den Verkauf, ja den Ausverkauf der Liegenschaften ausgerichtet.

Mit der wachsenden Stadt wurde dieser Irrweg im letzten Jahrzehnt beendet. Es gab eine jahrelange intensive Debatte um die Neuausrichtung weg vom Verkaufen hin zu strategischer Liegenschaftspolitik, die der Stadtrat schließlich beschlossen hat. Der in die Stadtentwicklung eingebettete strategische Ankauf und die Vergabe von Flächen für die Daseinsvorsorge, für Wohnen, Grünentwicklung ist Sinn und Zweck des Liegenschaftsamtes.  

Und deshalb war die logische Folge dieser Neuausrichtung die Umsetzung des Liegenschaftsamtes ins Stadtentwicklungsdezernat im Jahr 2020 zusammen mit dem Wechsel des zuständigen Bürgermeisters. Das war überfällig, sinnvoll und hat unserer Stadt gutgetan. Und folgte eben nicht einem politischen Deal oder einer einsamen Entscheidung des OBM - das ist der zentrale Unterschied zu heute.

Wer sich die Akten zur heutigen Vorlage angeschaut hat, findet zu einer vergleichbaren inhaltlichen Herleitung ... genau nichts.

Dem jetzigem Wechsel ging keinerlei Organisationsanalyse, keinerlei Abwägung voraus. Und das, wo wir ohnehin als Stadtverwaltung vor einer Aufgabenkritik und Analyse von Strukturen und Prozessen stehen.

Sollte die Vorlage heute bestätigt werden, würde sich allerdings eine Organisationsuntersuchung lohnen. Bisher war Liegenschaftspolitik und die Abklärung von Flächenkonkurrenzen im Stadtplanungsamt in einer Hand – dann in zwei Dezernaten. Wo im Konfliktfall bis jetzt ein Dezernent entscheidet, müssen es dann zwei – das verlangsamt Abstimmungen unweigerlich. Wie es in dieser Konstellation mit Konzeptvergabe und Landwirtschaftskonzept weitergeht, darauf gibt es keine Antwort.

Eine Rückverlagerung ins Wirtschaftsdezernat wird zu großen Reibungsverlusten führen, zu befürchten ist eine Rückkehr zur unseeligen Politik des Ausverkaufs städtischer Flächen an die Immobilienlobby.

Zentrale und einzige Begründung des beabsichtigten Wechsels ist, die Führungsverantwortung ausgeglichener zu gestalten. Dass die Dezernate VI (Stadtentwicklung und Bau) und VIII (Wirtschaft, Arbeit, Digitales) unterschiedlich viele Ämter haben, ist seit vielen Jahren klar, warum fällt das ihnen ausgerechnet jetzt ein?

Gerade in Zeiten schwacher Konjunktur und eines wirtschaftlichen Strukturwandels brauchen wir einen Wirtschaftsbürgermeister, der mit Unternehmen spricht und Investoren an Land zieht. Stattdessen bekommt er eine Aufgabe, die nicht in seinen Aufgabenbereich passt und ihm Zeit nimmt, die er braucht, um unsere Wirtschaft zu stärken. Das nützt nicht unserer Wirtschaft, das schadet ihr.  

Und diese ganze Widersinnigkeit führt mich zu der Frage des politischen Stils.  

Herr Oberbürgermeister,  

sie haben die Entscheidung zum Wechsel des Liegenschaftsamts in das Wirtschaftsdezernat autoritär getroffen. Sie haben auf dem Weg ihre engsten Berater übergangen. Sie haben den zuständigen Dezernenten übergangen.  

Sie haben auf dem Weg zur Vorlage das Rechtsamt übergangen und dessen Einschätzung, dass das hier eine Sache des Stadtrats ist.  

Haben Sie sich eigentlich überlegt, Herr Oberbürgermeister, welches fatale Signal sie mit diesem fortgesetzten Übergehen ihrer Mitarbeiter in die Stadtverwaltung senden? Ein Chef, der seine Leute nicht ernst nimmt, sondern lieber arrogant drüber geht. In einer Zeit, wo wir unserer Verwaltung einen Stellenabbau zumuten.

Und sie übergehen schließlich den Stadtrat, die Fraktionen, die ihnen politisch nahe stehen, verweigern Gespräche, ignorieren Ausschüsse.

Herr Oberbürgermeister,  

Sie sind endgültig in der Endphase ihrer Amtszeit angekommen. Sie treffen beratungsresistente Entscheidungen mit kurzfristigem politischen Kalkül, opfern Strukturen für den flüchtigen Glanz einzelner Projekte ohne Strategie und Reflexion der Folgen – aber im unerschütterlichen Bewusstsein, dass Sie nach fast zwanzig Jahren Amtszeit gar nicht mehr falsch liegen können. Mit dieser Arroganz der Macht können sie nicht auf unsere Zusammenarbeit zählen – nicht hier und auch nicht bei anderen Themen.  

Herr Jung, es ist ihr Problem, wie sie ihre letzten Monate im Amt gestalten – wir bereiten uns darauf vor, dass das, was nach ihnen kommt, ein echter, überfälliger Neuanfang wird. Die Stadt braucht es.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,  

die Frage nach Gründen, die außerhalb der Sache liegen, drängt sich förmlich auf. Was diese Strukturänderung mit der zeitlichen Nähe zu den Entscheidungen für Wärmewende und Freiheits- und Einheitsdenkmal zu tun, hat, mag jeder für sich beantworten. Ob mit dieser Stärkung eines CDU-Dezernats Ratsmehrheiten eingekauft werden, mag jeder für sich beantworten. Der Flurschaden für die politische Kultur in unserer Stadt ist so oder so verheerend. Jeder Stadtrat sollte gut überlegen, ob er dafür seine Rückendeckung gibt.

Wir lehnen die Vorlage ab.

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