Rede von Dr. Tobias Peter am 21. November 2024 zum Haushaltsplanverfahren 2025/26
- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,
die Haushaltssituation ist besonders unsicher, der Oberbürgermeister hat es in seinem Bericht erwähnt. Die Rahmenbedingungen sind zweifellos herausfordernd. Wäre ein kompletter Neustart notwendig, weil bisherige Risiken eingetreten, neue Risiken nicht abgebildet sind? Weil Sie sich Sie sich erschwerend einen umfassenden Personalprozess leisten? Tatsächlich wäre ein Neustart ein fatales Signal gegenüber all denjenigen, die auf einen beschlossenen Haushalt setzen. Diese Stadt, die Stadtgesellschaft mit vielen Vereinen, Unternehmen und Projekten und die Verwaltung selbst braucht diesen Haushalt zügig. Jeder Tag, den dieser Haushalt später verabschiedet wird, lässt sie alle in der Luft hängen. Wir Grüne wollen das unbedingt vermeiden.
Deshalb sprechen wir uns klar dafür aus, den Haushalt wie geplant im März zu verabschieden. Dass es im Laufe der Haushaltsverhandlungen noch einmal Bewegung gibt, ist fast eher der Normalfall. Ich bin mir sicher, dass wir auch dieses mal damit umgehen können und einen Haushalt zusammenbinden können. Angesichts der Herausforderungen dieses Haushalts und der komplizierteren Mehrheitsverhältnisse im Rat darf es keine Abstriche an der notwendigen Beratungszeit der Fraktionen geben. Lassen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, den bestehenden Zeitplan beibehalten, im Interesse der Stadt.
Dazu müssen allerdings die Voraussetzungen stimmen. Voraussetzungen, die Sie, Herr Oberbürgermeister zusammen mit dem Kämmerer und den Fachbeigeordneten noch schaffen müssen. Voraussetzungen, die sie auch längt hätten schaffen können. Ich will auf vier zentrale Punkte eingehen:
Erstens: Transparenz. Auch dieses mal war die Vorbereitung der Änderungsanträge von einer absolut unzureichenden Haushaltstransparenz gekennzeichnet. Es kann nicht sein, dass wir als Stadträte nur zufällig und auf Nachfrage erfahren, dass Stadtratsbeschlüsse, von Pop-up-Stadtplätzen bis Freiraummanagement nicht im Haushalt abgebildet sind. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, schaffen Sie diese notwendige Transparenz und machen Sie klar, wo Stadtratsbeschlüsse nicht haushalterisch untersetzt werden. Dazu gehören auch Verwaltungsstandpunkte, die nicht pauschal ablehnen, sondern sich an den Ratsbeschlüssen und strategischen Zielen der Stadt orientieren.
Zweitens: Prioritätensetzung. Die letzten Jahre waren geprägt von zum Teil enormen Investitionen, einem regelrechten Kaufrausch von der Friederikenstraße, dem Kohlrabizirkus bis zum Alten Technischen Rathaus. Unsere Fraktion hat immer wieder gefordert, dass wir uns dies auch unter verschärften Haushaltsbedingungen leisten können müssen. Darum haben wir ja eine langfristig ausgerichtete strategische Priorisierung eingefordert. Dies wurde immer wieder abgetan und fällt uns jetzt auf die Füße. Diesen Fehler können und werden wir als Stadtrat nicht bereinigen, dass müssen Sie tun, Herr Jung. Machen Sie sich ehrlich und legen Sie gemeinsam mit den Beigeordneten eine strategische Priorisierung für einen ausgeglichenen Haushalt vor, der Spielraum für die politische Prioritäten der Fraktionen gibt. Stellen und Mittel für die Hebung von Fördermitteln und langfristige wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit müssen Vorrang haben. Es ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel, diese Priorisierung aufzuschieben und erst im Haushaltsvollzug durch den Kämmerer, an den sie alles delegierten, als OBM selbst per Einzelgenehmigung Investitionen freizugeben. Sie zwingen die Beigeordneten in Konsensgespräche statt selbst zu führen. Das lähmt die Prozesse und wird immer wieder die Kritik im Rat erfahren, weil erwartete und versprochene Vorlagen nicht kommen.
Drittens: Personal. Auch hier rächen sich ihre Versäumnisse, Herr Oberbürgermeister. Wir stehen dazu, auch die Landesdirektion steht dazu, dass eine wachsende Stadt auch mehr Personal braucht. Sie braucht es sinniger Weise an der richtigen Stelle. Es ist eine grundsätzliche Daueraufgabe der Verwaltung zu prüfen, für welche Aufgaben es mehr, aber auch weniger Personal braucht. Das haben Sie in ihrer Organisationshoheit vernachlässigt. Seit einigen Wochen läuft ein aberwitziger Prozess zur Streichung und Umlegung von hunderten Stellen. Während wir nach außen eine Personalgewinnungskampagne fahren, werden nach innen Stellenbesetzungen angehalten. Es wird von den Dezernaten die Meldung unbesetzter Stellen gefordert, die dazu führen würden, dass Personal entlassen werden müsste oder völlig sachfremd verschoben wird. Ganz zu schweigen davon, dass notwendige Kernaufgaben von Bürgerservice bis Planung strategisch wichtiger Vorhaben auf Eis liegen, dass letztlich bereits gesicherte Fördermittel zurück gezahlt werden müssten. Herr Oberbürgermeister, stoppen sie diese völlig kontraproduktive Hauruckaktion! Ja, Aufgabenkritik ist richtig und wichtig, der geplante Prozess sollte durchgeführt werden - dabei braucht es aber eine Strukturkritik! Und: die Reihenfolge muss stimmen: die Stelleneinsparung muss der Aufgabenkritik folgen, nicht umgekehrt. Konkret für den Haushalt fordern wir, bereits in 2025 einen Teil der Aufgabenkritik zu vollziehen, um in 2026 Spielraum zu gewinnen für die Schwerpunktsetzung der Fraktionen. Ja, diesen Prozess vom Kopf auf die Füsse zu stellen, wird im Zweifel Geld kosten. Aber die Landesdirektion wird die Genehmigungsfähigkeit nicht infragestellen, wenn der Prozess nachvollziehbar dargelegt wird. Eine Personalplanung, mit der Leipzig weder handlungs- noch investitionsfähig ist, eben auch nicht genehmigungsfähig – und sie wird vor allem Leipzigs Herausforderungen nicht gerecht.
Viertens: Flexibilität. Es ist absehbar, dass wir weder im März noch im April sicher sein können, welche Rahmenbedingungen uns von Freistaat und Bund für 2026 erwarten. Die Antwort darauf kann nicht ein Einzelhaushalt für 2025 sein, gerade angesichts des Vorlaufs, den wir für eine Stellenbesetzung in 2026 brauchen. Wir schlagen stattdessen vor, ein geordnetes Verfahren für eine Nachjustierung des 2026er Haushaltsjahres zu verabreden. Das heißt: rechtzeitige Anzeige von Indikatoren, wenn z.B. finanzielle Rahmenbedingungen sich verändern. Und im Fall des Falles ein Nachtragshaushalt, bei dem die Fraktionen alle beteiligt werden und nicht jene, die am nächsten am Kämmerer sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Fraktion wird umfassende Änderungsanträge einreichen, die abbilden, was aus unserer Sicht die Stadtgesellschaft braucht. Sie sind gedeckt durch eine Gegenfinanzierung, die auch deutlich macht, was aus unserer Sicht verzichtbar ist oder wo Mehreinnahmen sinnvoll sind. Lassen Sie uns in den kommenden Wochen mit der notwendigen Ernsthaftigkeit einen Haushalt zum Wohle unserer Stadt verhandeln. Wir sind dazu bereit.
Vielen Dank!