Rede von Dr. Tobias Peter in der Ratsversammlung am 11. Dezember 2019 zum Änderungsantrag der Fraktion zur Drucksache „Strategie und Richtlinie der Stadt Leipzig zu Kunst im öffentlichen Raum und Kunst am Bau bei kommunalen Hochbaumaßnahmen“

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

vor reichlich drei Jahren hat der Stadtrat die Verwaltung damit beauftragt, eine kommunale Richtlinie und Strategie für Kunst am Bau zu erarbeiten. Dem Kulturdezernat und den vielen Beteiligten des Prozesses zur Erarbeitung der Vorlage danken wir ausdrücklich – die Mühe hat sich gelohnt und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit ihrer Vorlage und Beschlussfassung kann sich Leipzig nun in die Reihe öffentlicher Träger wie Bund, Freistaat und andere Kommunen einreihen, die sich zu einer aktiven Förderung von Kunst am Bau und im öffentlichen Raum verpflichten.

Endlich, muss man sagen – denn die öffentliche Förderung von Kunst am Bau ist beileibe nichts neues, sondern jahrhundertelang geübte Praxis. Kein Palast, kein Kirchen- oder Verwaltungsbau, dessen architektonische Botschaft nicht mittels Kunst verstärkt worden wäre. Die formelle Förderung von Kunst am Bau beginnt in der Weimarer Republik und wurde systemübergreifend und unverkennbar ideologisch motiviert im Dritten Reich und in der DDR mit angemessenen Prozentsätzen der Bausumme intensiviert. Die damit verbundenen Ergebnisse wahlweise volkstümlicher Dekoration bis hin zu stadtbildprägenden ideologischen Werken des sozialistischen Realismus wie dem Relief ‚Aufbruch‘ an der damaligen Karl-Marx-Universität, haben Kunst am Bau bei einigen in Verruf gebracht. Zugleich entstanden gerade bis 1989 bemerkenswerter Beispiele für Kunst am Bau, deren Wert nicht nur historisch ist.

Zugleich gibt es eine lange demokratische Tradition von Kunst am Bau, auf die wir uns beziehen können. Die Bundesrepublik hat sich bereits 1950 bei eigenen Bauten einen festen Prozentsatz der Kosten für Kunst verordnet und bis heute bemerkenswerte Arbeiten hervorgebracht. Man erinnere nur an Hans Haackes Installation „DER BEVÖLKERUNG“ im Bundestag, die die Giebelinschrift des Reichstags „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ kritisch reflektiert.

Kunst am Bau soll keine bloße Dekoration für die Architektur sein, sondern eigenständiges künstlerisches Werk, Denkanstoß und für manche vielleicht auch Ärgernis. Sie kann damit einen Beitrag leisten, um Bauten nicht nur zu verschönern, sondern dauerhaft zu Auseinandersetzung mit Kunst, Architektur, öffentlichem Raum und Gesellschaft einzuladen.

Die Umsetzung dieser Idee von Kunst am Bau kann wohl kaum besser und vordringlicher umgesetzt werden als an Bauten für Bildung. Es ist geradezu ein Glücksfall für Kunst am Bau, dass wir in Leipzig in den kommenden Jahren eine bekanntermaßen große Zahl von Kitas und Schulen bauen – sie werden den Großteil kommunaler Bauten ausmachen. Gerade hier kann und sollte Kunst am Bau im Rahmen zeitgemäßer pädagogischer Architektur wirkungsvoll zum Tragen kommen. Diese Chance nutzen wir jedoch nicht, wenn, wie in der Vorlage vorgesehen, von 2021 - 23 bei Kindertagesstätten und Schulen nur 2 Bauvorhaben pro Jahr umgesetzt werden und zudem im Unklaren gelassen wird, wie betreffenden Bauvorhaben ausgewählt werden.

Dieses Problem haben wir in den Ausschüssen diskutiert und wollen es mit dem vorliegenden Änderungsvorschlag lösen. Klar ist für uns alle: Kunst am Bau sollte nicht nur bei der Fertigstellung von Kitas und Schulen, sondern auch generell nicht zu Verzögerungen führen. Diesem Ziel entsprechen wir jedoch nicht durch eine Begrenzung der Vorhaben, sondern erstens grundsätzlich durch entsprechende Abläufe und die Berücksichtigung von Kunst am Bau mit geringer Eingriffstiefe in Planungs- und Bauprozesse. Zwar stellt eine frühzeitige, gemeinsame Planung von Bau und Kunst am Bau den Idealfall dar. Die Praxis zeigt aber, dass die Kunst am Bau in aller Regel kaum oder bestenfalls im Detail - etwa wenn es um Befestigung von Installationen geht - in den konkreten baulichen Planungsprozess eingreift. Auch in der konkreten Umsetzung ist kaum davon auszugehen, dass die etwa die Aufstellung einer Plastik, die Erstellung einer Wandmalerei oder eines künstlerisch gestalteten Fußbodens die Fertigstellung eines Baus verzögert.

Ein zweites, gewichtiges Argument ist es, schrittweise Erfahrung mit der Umsetzung der Richtlinie zu sammeln. Deshalb wollen wir zweitens zusätzliche Flexibilität gewähren, in dem wir eine eine nachträgliche Ausstattung mit Kunst am Bau ermöglichen. Dies entspricht ohnehin einer gängigen Praxis. Ein Großteil von Kunst am Bau wird zum Teil Jahre nach der Fertigstellung der eigentlichen Bauvorhaben realisiert.

Ein dritter, wichtiger Punkt ist uns schließlich die Beteiligung von Kindern und Schüler*innen. Die Richtlinie sieht erfreulicherweise auch die partizipative Erarbeitung von Kunst am Bau vor. Diese wollen an dieser Stelle konkretisieren. Die gemeinsame Umsetzung von Kindern und Schüler*innen sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung von Kunst am Bau kann ein prägendes pädagogisches Erlebnis sein, dass wir unbedingt fördern sollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie uns Kunst am Bau umfassend und ohne Obergrenzen verwirklichen, stimmen Sie dem Änderungsantrag und der Strategie und Richtlinie zu. Vielen Dank!

Zurück