Rede von Dr. Tobias Peter in der Ratsversammlung am 16. September 2020 zum Antrag "Otto-Runki-Platz mit hoher Aufenthaltsqualität und vielfältigen Angeboten weiterentwickeln"

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

der Otto-Runki-Platz stellt eine der wenigen Grünflächen im inneren Leipziger Osten dar. Er ist entstanden, nachdem in den 1980er und 1990er Jahren großflächig die Bebauung von Rabet und Eisenbahnstraße abgerissen wurde und schließlich eine Gestaltung und Aufwertung als Grünfläche erfolgte.

Der 2016 geborene Entschluss, diese Grünfläche zu bebauen, resultiert aus der bereits länger laufenden Suche nach einem Schwimmhallenstandort im Leipziger Osten und dem Versuch, diesen Ort nach einer tödlich verlaufenden Schießerei neu zu definieren. Wir Grüne haben diesen Entschluss ebenso wie Initiativen vor Ort von Anfang an kritisch gesehen und hätten uns sehr gut andere Standorte vorstellen können.

Um aus der Not eine Tugend zu machen, hat die grüne Stadtratsfraktion gemeinsam mit anderen Fraktionen schließlich die Zielsetzung einer Stapelnutzung sowie Dach- und Fassadenbegrünung durchgesetzt, um flächeneffizientes und stadtklimatisch vorteilhaftes Bauen zu erreichen. Dass eine vertikale Nutzungsmischung schließlich nicht erreicht werden konnte, ist schließlich auch ein Lehrstück darüber, wie schwer es den kommunalen Unternehmen und den Fördermittelgebern fällt, intelligente Lösungen im Sinne von „Besser stapeln“ zu realisieren – hier dürfen wir bei künftigen Projekten nicht nachlassen.

Jetzt kommt es darauf an, die schließlich im Wettbewerbsergebnis entstandene horizontale Nutzungsmischung optimal umzusetzen. Der Verwaltungsstandpunkt stimmt unserem Anliegen im Grunde zu, bleibt aber vage wo es – gerade auch aus Erfahrung mit diesem Projekt – wichtig ist präzise zu bleiben. Deshalb stimmen wir hier unseren Ursprungsantrag ab. Denn gerade weil mit dem Otto-Runki-Platz eine der wenigen Grünflächen im inneren Leipziger Osten bebaut wird, braucht es für diesen städtebaulich wichtigen Ort herausragende Lösungen. Dabei gehen wir fest davon aus, dass trotz der leider noch ausstehenden Förderentscheidung seitens des Freistaates auf dem Areal die geplante Schwimmhalle entstehen wird.

Nachwievor halten wir auch die Entscheidung für einen zweiten Bau auf dem Platz für richtig, um einerseits eine städtebauliche Fassung herzustellen und andererseits notwendigen Bedarfen im Stadtteil zu entsprechen. Diese bestehen insbesondere in den Bereichen Bildung und Kultur, für die wir keine zwingenden, aber vorzuziehende Varianten formulieren. Eine innovativ gestaltete Stadtteilbibliothek kann einen wichtigen Beitrag für mehr Bildungschancen leisten. Denn auch wenn sich das Quartier rund um die Eisenbahnstraße in den letzten Jahren erheblich verändert hat, bestehen nachwievor große sozial Herausforderungen, gerade auch im Bildungsbereich – allein die vergleichsweise niedrigen Übertrittsquoten zum Gymnasium sprechen eine deutliche Sprache. Deshalb können wir uns gut eine Stadtteilbibliothek vorstellen, die sich – und diesen Unterschied zum VSP will ich hervorheben - als sogenannter ‚Dritter Ort‘ mit einer hohen Aufenthaltsqualität und attraktiven Angeboten in Stadtteil und Stadtgesellschaft hinein öffnet. Vorbild dafür ist aus unserer Sicht die Stadtteilbibliothek Köln-Kalk. Wie im VSP bereits deutlich wird, kommt der Standort für das zwischenzeitlich intensiv diskutierte Filmkunsthaus wahrscheinlich nicht mehr infrage.

Eine Stadtteilbibliothek wäre gleichwohl anschlussfähig für unterschiedlichste weitere Nutzungen im Sozial- und Kulturbereich. Das Gebäude soll unseren Vorstellungen zufolge stadtbildprägend und flächeneffizient in Stapelbauweise realisiert werden – auch dieser Unterschied zum VSP ist zu beachten.

Zweitens ist es aus unserer Sicht entscheidend für die Akzeptanz des Gesamtprojekts im Quartier, den Verlust an Grünflächen durch den geplanten Bau zumindest teilweise auszugleichen. Deshalb fordern wir Aufenthaltsqualität aufzuwerten und einen hohen Grünflächenanteil zu gewährleisten. Mit der neuen Stellplatzsatzung ist es der Verwaltung zufolge gelungen, die Zahl der Stellplätze auf ein Minimum zu reduzieren und wertvolle Grünflächen zu erhalten. Jetzt gilt es, und zwar im Unterschied zum VSP ganz konkret, weitere Potentiale zu erschließen: Mit einer Verkehrsberuhigung und Entwidmung der anliegenden Neustädter Straße und der Lorenzstraße kann die Aufenthaltsqualität zusätzlich erhöht werden. Wir wollen hier im Zusammenspiel mit dem bestehenden Baumbestand durch umfassende Fassadenbegrünung, Entsiegelungen und zusätzliche Baum- und Grünpflanzungen einen neuen grünen Freiraum im Stadtteil schaffen und an das unmittelbar anliegende Rabet anbinden. Die Draufsicht auf den Otto-Runki-Platz und die anliegenden Straßen bis hin zum Rabet verrät, dass hier erhebliche Flächenpotentiale für eine recht weitgehende Kompensation der Versiegelung genutzt werden können.

Im Hinblick auf die Fassadenbegrünung sind wir uns sicher, dass zumindest nachträglich eine Fassadenbegrünung für den gesamten Gebäudekomplex – das heißt nicht zwingend an jeder Fläche der Fassade - möglich ist, auch wenn sie im Entwurf nicht vorgesehen ist. Hier reagieren wir auf die Bedenken des VSP und würden im 2. Beschlusspunkt das letzte Wort „umsetzen“ durch „zu prüfen“ ersetzen. Wir verstehen unter diesem Prüfauftrag ausdrücklich, dass die Stadtverwaltung proaktiv mit den Architekten des Entwurfs ins Gespräch kommt und sinnvolle Lösungen für eine Fassadenbegrünung im Sinne des Stadtklimas vor Ort findet.

Auch der dritte Punkt ist uns aus unmittelbarer Erfahrung mit dem Projekt wichtig. Das Thema Bürgerbeteiligung wurde bei diesem Projekt bisher sträflich vernachlässigt. Anstatt von vornherein eine Phase 0 und weitere Beteiligungsschritte bei diesem Projekt vorzusehen, war es eine Initiative aus der Bürgerschaft, die sich selbst organisieren musste, um Ideen in das Projekt einbringen zu können. Diesen Fehler sollten wir insbesondere beim zweiten Gebäude und bei der Freiflächenplanung nicht machen. Beteiligung und Information gilt es nicht zu prüfen, sondern schlicht umzusetzen. Deshalb schlagen wir eine Stadtwerkstatt vor. Denn damit etwas auf dem Otto-Runki-Platz gelingt, was gut angenommen wird, müssen Bürgerschaft und Akteure vor Ort ihre Ideen einbringen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn wir heute die richtigen Weichen stellen, kann auf dem Otto-Runki-Platz ein einzigartiges Ensemble für den inneren Leipziger Osten entstehen. Lassen Sie uns heute diese Chance nutzen und stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank!

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