Rede von Dr. Tobias Peter in der Ratsversammlung am 26. Februar 2020 zur Vorlage der Verwaltung " Schaffung einer digitalen Infrastruktur an kommunalen Schulen und Verwendung der Mittel vom "DigitalPakt" des Bundes"

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

Digitalisierung ist in aller Munde. Dabei wird insbesondere im Bereich der Bildung schon seit vielen Jahren über die Chancen, aber auch die Herausforderungen von Digitalisierung diskutiert. Dabei geht es auch um Gerechtigkeit. Digitalisierung erzeugt zum einen Barrieren bei Zugang und Umgang mit digitalen Kompetenzen und Infrastrukturen, mit denen auch Einkommens- und Bildungsstatus, Alter oder Migrationshintergrund eine Rolle spielen. Um die vielbeschworene digitale Kluft oder gar Spaltung zu verhindern, müssen wir auch und gerade in der Schule dafür sorgen, dass jede und jeder Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien ausbilden kann.

Nach mitunter zähen Verhandlungen ist nun schließlich der Digitalpakt herausgekommen, von dessen erheblichen Mitteln – 240 Mio. EUR für ganz Sachsen – nun auch die Leipziger Schulen profitieren können. Die Stoßrichtung, eine bedarfsgerechte Ausstattung mit digitaler Infrastruktur bis hin zu den Endgeräten wie Tablets zu erreichen, ist richtig. Die Rahmenrichtlinie des Freistaats bietet dafür die richtigen Voraussetzungen. Wir begrüßen auch die Änderungsanträge der SPD-Fraktion und werden diesen zustimmen.

Bei der Umsetzung gibt es dennoch einige Fragezeichen. Erstens ist fraglich, ob die Breitbandinfrastruktur von 100 Mbit/s bis 1 Gbit/s bzw. etwa 0,5 Mbit/s den Anforderungen genügen wird. Aus unserer Sicht darf 1Gbit/s nicht die Obergrenze sein, sondern muss die Mindestausstattung für jede Schule werden.

Zweitens ist offen, wie die zu schaffende Infrastruktur nachgehalten und gewartet wird. Immer wieder gibt es aus den Schulen Beschwerden, dass auf auftretende Probleme mit der Technik viel zu spät reagiert wird und Technik damit für lange Zeit ungenutzt wird. Dieses Problem droht sich mit einer Ausweitung der technischen Ausstattung noch zu verschärfen. Deshalb brauchen wir Wartungsverträge, in denen entsprechende Mindestservicefristen vereinbart werden. Zugleich brauchen wir verstärkte Personalressourcen, die vor Ort die technisch-administrative Betreuung vornehmen, etwa in Form eines Medienassistenten. Über die konkreten Bedarfe und mögliche Lösungsmöglichkeiten, ggf. auch über den Freistaat, muss sich die Verwaltung umgehend Gedanken machen.

Drittens: Der Digitalpakt und auch dessen Umsetzung in Leipzig krankt grundsätzlich daran, dass er wieder dem Missverständnis erliegt, dass es bei Digitalisierung in erster Linie um Technik und Infrastruktur geht. Das Pferd wird von hinten aufgezäumt, der pädagogisch-konzeptionelle Rahmen fehlt weitgehend. Dabei ist die fachliche Diskussion längst weiter: der Einsatz digitaler Technik ist kein Selbstzweck, sondern muss sich in ein pädagogisches Gesamtkonzept einfügen. Jede Schule und jede Lehrkraft muss für sich beantworten können, für welches pädagogische Anliegen oder inhaltliche Thema digitale Technik besser ist als andere Formen des Lehrens und Lernens. Diese Frage beantwortet der Digitalpakt und dessen Umsetzung durch die Stadt nicht. Dies ist eine vergebene Chance, weil die Erfahrung – egal ob in Verwaltung, Wirtschaft oder Bildung – zeigt, dass Digitalisierung immer tief in die jeweiligen Prozesse selbst eingreifen muss, wenn sie gelingen soll. Zugleich stellt sich die Frage, wie wir gleichzeitig mit der Infrastruktur auch die medienpädagogische Bildung und den kritischen Umgang mit digitalen Medien stärken: Allgegenwärtige Codes und Algorithmen, Urteile aus dem Computer, Bots, die eigenständig Geheimsprachen entwickeln und die allgegenwärtige NSA-Überwachung – mit diesen Fragen sind Schülerinnen und Schüler konfrontiert und allzuoft im Alltag überfordert.

Es ist vollkommen offen, auf welcher pädagogisch-konzeptionellen Grundlage die konkrete Umsetzung an den Schulen erfolgt. Es gibt keine koordinierte, regelhafte Unterstützungs- und Beratungsstruktur, die proaktiv sicherstellt, dass jede Schule ein passgenaues pädagogisches Konzept zur Umsetzung erstellt. Zugesichert ist lediglich eine reaktive Beratung, die auch nicht pädagogisch fundiert ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Schulen entsprechend der Vorgaben letztlich nach Schema F eine Standardausstattung digitaler Infrastruktur bekommen.

Die eigentliche Herausforderung, die digitale Ausstattung im konkreten Lehren und Lernen mit Leben zu erfüllen, steht uns noch bevor. Dies ist zum einen eine Frage des Freistaats, der entsprechende Aus- und Weiterbildungen der Lehrkräfte zugesichert hat. Es ist aber unseres Erachtens auch eine Frage, die der Schulträger zu beantworten hat. Mit den MPZ, den Medienpädagogischen Zentren hat die Stadt Leipzig bereits eine wichtige Infrastruktur, die es im Zuge der Umsetzung des Digitalpakts deutlich zu stärken gilt. Auch hier erwarten wir von der Verwaltung zeitnah Antworten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir dafür sorgen wollen, dass jede Schülerin und jeder Schüler die Digitalisierung nicht souverän und mündig selbst gestalten kann, dann braucht es mehr als Infrastruktur. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam dafür sorgen, dass der Digitalpakt vor Ort mit Leben erfüllt wird.

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