Rede von Dr. Tobias Peter vom 10. November 2022 zum Antrag "Kooperativen Wohnungsbau und Wohneigentum fördern"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleg*innen, liebe Gäste,

Leipzig ist eine Mieterstadt. Sage und schreibe 87% der Haushalte wohnen zur Miete. Damit ist eine erhebliche soziale und ökonomische Brisanz verbunden, denn Mieterinnen und Mieter sind stärker Schwankungen, i.d.R. einer Erhöhung der Mietpreise ausgesetzt – sie gilt es zu schützen, und dazu versuchen wir hier im Stadtrat auch alle Spielräume zu nutzen, die uns Bund und Freistaat geben.

Zugleich gilt es aber auch Alternativen zu entwickeln. Denn wir haben uns im Wohnungspolitischen Konzept zu einer Vielfalt an Wohnformen verpflichtet. Die jüngsten Debatten um den STEP Wohnbauflächen haben gezeigt, dass es ein Bedarf auch nach Wohnen jenseits der klassischen Mietwohnung gibt. Viele Familien wollen sich stärker verwurzeln – und eben nicht nur durch das Einfamilienhaus, sondern durch verschiedene Formen des Eigentums, auch in Form von Selbstnutzern, Hausprojekten oder Genossenschaften, die eine gute Alternative sein können.

Wenn wir diese Formen kooperativen Wohnens in Leipzig stärken, können wir vermehrt dazu beitragen, dass junge Familien gehalten und generationenübergreifende Wohnformen ermöglicht werden können. Über den Mehrwert, den kollektive Projekte für ihre Bewohner*innen und die Stadtquartiere bieten, haben wir ja im Kontext der Kontextvergabe erst neulich hier gesprochen. Das Problem: die Gruppen finden keine oder zu wenig geeignete Immobilien. Die Konzeptvergabe ist ein Instrument, das hier ansetzt, aber eben nur für öffentliche Liegenschaften. Ein Großteil der Wohnimmobilien in Leipzig gehört aber Privaten, in der Regel Personen oder Unternehmen, deren Wohnsitz bzw. Sitz sich nicht in Leipzig befindet.

Ein wichtiger Punkt kommt hinzu: Bei vielen Immobilien, die sich noch im Einzeleigentum befinden, zeichnet sich erbfolgebedingt laut Haus&Grund ein problematischer Übergang an institutionelle Investoren ab. An die Stelle vieler Einzeleigentümer, die eben nicht alle Spielräume der Mieterhöhung ausnutzen, drohen Immobilienunternehmen zu treten, die einzig und allein der Gewinnmaximierung verpflichtet sind – hier droht eine neue Mieterhöhungswelle.

Um betroffene Mietergemeinschaften zu schützen, sollten wir das Modell „Aus Mieter*innen wird Eigentümergemeinschaft“ stärken und den bereits sehr guten Ansatz vom Netzwerk Leipziger Freiheit „Mein Haus in gute Hände“ mit mehr Ressourceneinsatz stärken.

Mit Mietergemeinschaften und Kooperativen Projekten können wir den Generationswechsel der Eigentümer*innen aktiv nutzen, wenn die notwendigen Unterstützungsinstrumente entwickelt werden.

Angesichts der dynamischen Entwicklung des Immobilienmarkts können bauwillige Gruppen, aber auch Mietergemeinschaften in der Regel nicht schnell genug reagieren, wenn Immobilien verkauft werden – oftmals erfolgen Verkäufe innerhalb weniger Wochen – hier sind professionelle Akteure ganz klar und logischerweise in Vorteil.

Dieser Vorteil können wir aber gezielt wettmachen – das zeigen Beispiele wie die Genossenschaftliche Immobilienagentur GIMA in München, die Dachgenossenschaft Wohnen Tübingen, Frankfurt und andere Städte. Sie agieren professionell auf dem Immobilienmarkt, können schnell reagieren und geeignete Immobilien erwerben, um sie anschließend Gruppen zur Verfügung zu stellen.

Ebenso kann eine ggf. zeitweilige finanzielle Unterstützung von Baugruppen oder Mietergemeinschaften durch die Zeichnung von Anteilen an entsprechenden Genossenschaften o.ä. ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung von Wohneigentum sein, wie der Blick nach Berlin zeigt, wo es Zuschüsse von bis zu 10% der Kaufsumme gibt.

Wir freuen uns, dass die Verwaltung diesem Ansinnen vom Grundsatz her zustimmt und haben deshalb auf Basis des VSP eine Neufassung entwickelt, bei der uns folgende ergänzende Punkte wichtig sind:

  • Wir stimmen zu, dass der Aufwand einer neuen Gesellschaft unverhältnismäßig ist – wir sollten aber prüfen, ob nicht eine bestehende kommunale Gesellschaft, z.B. LESG oder LEVG geeignet ist
  • Wir wollen den Zwischenerwerb explizit als Aufgabe verankern
  • Den Änderungsantrag der Linken, ein Umsetzungskonzept für einen revolvierenden Stadtentwicklungsfonds zu beauftragen unterstützen wir ausdrücklich – wir würden modifiziert übernehmen und den zbA Wohnen intensiv in den Prozess einbinden.

Für den Haushalt 2023/24 haben wir eine Starteinlage für diesen Zweck beantragt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie uns heute einen weiteren, wichtigen Baustein für vielfältiges und bezahlbares Wohnen in Leipzig auf den Weg bringen. Ich bitte um Zustimmung zu unserer Neufassung mit der erwähnten modifizierten Übernahme des linken Änderungsantrags.

Vielen Dank!

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