Rede von Dr. Tobias Peter vom 19. Januar 2022 zum Antrag des SBB Mitte "Qualität im öffentlichen Raum und in der Baukultur für den „Freiladebahnhof Eutritzscher Straße/Delitzscher Straße“ - Bebauungsplan Nr. 416 sicherstellen"
- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,
der Freiladebahnhof Eutritzsch ist allein aufgrund der schieren Größe eine der größten städtebaulichen Herausforderungen unserer Stadt. Herausfordernd sind dabei nicht nur Themen wie Mobilität, Stadtklima, Energieversorgung oder Abfallentsorgung. Herausfordernd ist vor allem die Frage, ob dieses Quartier als lebendiges und vielfältiges Quartier funktionieren wird. Denn die Entwicklung von Quartieren durch einen Investor birgt immer die Gefahr einer gewissermaßen monolithischen Gestaltung mit wenig Abwechslung. Das ist einer der Gründe, warum sich unsere Fraktion für eine andere, gemeinwohlorientierte Form der Quartiersentwicklung mit einer Vielfalt von Bauherren einsetzt, die eine entsprechende Vielfalt von Perspektiven, Nutzungen und mithin Gestaltungsweisen einbringt – eine Vielfalt, die letztlich auch Lebendigkeit hervorbringt und die genau dem Charakter unserer gründerzeitlichen Quartiere entspricht.
Um diesem Geburtsfehler entgegenzuwirken, war es richtig, mit dem Nachbarschaftsforum genau diejenigen an der Entwicklung des Quartiers zu beteiligen, die dessen potentielle Nutzer/innen sind. In intensiver Beratung mit diesem Forum ist ein städtebaulicher Entwurf entstanden, der die typische gründerzeitliche Struktur Leipzigs aufnimmt und neu interpretiert. Unsere Fraktion hat sich dabei von Anfang an dafür eingesetzt, möglichst viel des Bestands zu nutzen, leider ist dies zwar beim Ladeschuppen, nicht aber z.B. beim So&So gelungen.
Wir haben hier im Rat mit der letzten Änderung der PEV vor einem reichlichen Jahr hart gerungen, dass die Qualitätsstandards bei diesem Projekt hochgehalten werden. Denn angesichts der mehrfachen Eigentumsübertragungen ist der Renditedruck stark gestiegen, während sich zeigt, dass die erzielbaren Mieten nicht ins Unermessliche steigen. Die Konsequenzen daraus sind Teil des unternehmerischen Risikos, sie dürfen keineswegs zu Lasten der Qualität und damit der Allgemeinheit gehen.
Deshalb sind wir den Antragstellerinnen dankbar für den Antrag, den wir hiermit gern zustimmen. Mit den im VSP zugesicherten Realisierungswettbewerben an städtebaulich relevanten Punkten ist die formale Voraussetzung für hohe Qualität gegeben, sie muss freilich inhaltlich, in den Ausschreibungen gefüllt werden. Wir gehen deshalb davon aus, dass wir in als Fachausschuss auch intensiv in die Erarbeitung der Ausschreibungen dieser Wettbewerbe einbezogen werden.
Ebenso wichtig und richtig ist die Überarbeitung des Gestaltungshandbuchs. Eine Herausforderung besteht dabei in der Berücksichtigung der vom Investor geplanten Holzbauweise, die spezifische Merkmale und Anforderungen an die Gestaltung aufweist. Das Gestaltungshandbuch in der bisherigen Fassung von Prof. Springer weist jedoch unabhängig davon eine weitere Problematik auf. Denn die Inspiration der Meyerschen Häuser, die das Handbuch verfolgt, dementiert eben den gründerzeitlichen städtebaulichen Entwurf und setzt auf eher auf Einheitlichkeit statt auf Vielfalt. Eine Überarbeitung des Gestaltungshandbuchs sollte insofern stärker die – mit der Holzbauweise grundsätzlich mögliche – Vielfalt der Fassaden in Gliederung und Materialität ermöglichen und zugleich einen typischen Charakter des Quartiers wahren. Durch die Einbindung des Gestaltungsforums kann das Gestaltungshandbuch dabei nur gewinnen.
Liebe Kolleginnen und Kolleginnen, wir freuen uns über den Antrag und den VSP, noch mehr freuen wir uns auf die hoffentlichen hervorragenden Entwürfe und Bauten, die daraus entstehen – wir stimmen gern zu. Vielen Dank!