Rede von Dr. Tobias Peter vom 20. Januar 2022 zur Vorlage "Veräußerung städtischer Grundstücke für Eigenheime mittels Erbbaurecht"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

kaum ein Gebäudetypus ist so heiß geliebt und zugleich so umstritten wie das Eigenheim. Für einen ist es die Verheißung des kleinen Glücks, des Wohneigentums schlechthin. Für die anderen ist es Symbol für Spießigkeit und Flächenfraß. Eigenheimflächen innerhalb und außerhalb der Stadt scheinen rar gesät und ganzseitige Zeitungsartikel wert und die Empörung ist groß, wenn – wie im letzten Jahr z.B. in Hamburg geschehen – die Ausweisung von Eigenheimgebieten eingeschränkt wird. Zugleich haben wir intensive Diskussionen um den Schwund von Grün- und Freiflächen, zurzeit z.B. anhand des Bürgerbahnhofs Plagwitz, wo schon eine maßvoll geplante Bebauung auf erheblichen Widerspruch stößt. Und in der Tat: auch wenn unsere Fraktion zu einer Vielfalt der Wohnformen steht, sehen wir die problematischen Aspekte des Typus Eigenheim hinsichtlich Verkehr und Flächenverbrauch.

Vor diesem Hintergrund ist es alles andere als trivial, wenn die Stadtverwaltung mal eben 50 Eigenheimgrundstücke durch einen OBM-Beschluss vermarkten will – ich freue mich, dass es mittlerweile ein Beschlussvorschlag ist - ohne dass es dafür einen Grundsatzbeschluss des Stadtrates gibt. Denn eigentlich erwarten wir mit der Wohnflächenkonzeption eine grundsätzlichere Vorlage von der Verwaltung, mit der wir das oben benannte Spannungsverhältnis diskutieren und klären wollen, in welchem Umfang wir für welche Formen von Wohngebäuden die immer wertvolleren Flächen bereitstellen wollen. Eine Vorlage, in der wir auch grundsätzlich klären müssen, ob das viel beschworene Argument, dass wir Familien in Eigenheimgebiete des Umlands zu verlieren drohen, wirklich trägt. Eine Vorlage, in der wir auch klären müssen, was attraktives Wohnen für Familien wirklich heißt. Im Hinblick auf diese und weitere Fragen stellt die hier in Rede stehende Vorlage einen Vorgriff dar.

Gleichwohl erkennen wir an, dass die Vorlage grundsätzlich in die richtige Richtung geht, in dem sie die Vergabe von Eigenheimgrundstücken grundsätzlich in Erbbaupacht, nur in vorhandenen Gebieten und unter Nutzung eines Kriterienkatalogs vollziehen will. Den die Vergabe über Erbbaupacht ermöglicht es gerade Familien ohne größeres Einkommen oder Vermögen, an die eigenen vier Wände zu kommen. Zugleich können ökologische Kriterien dazu beitragen, dass die an sich relativ flächenintensive Form des Bauens z.B. durch Gründächer und geringe Versiegelung einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck hinterlässt.Diesem Vorgehen stimmen wir grundsätzlich zu, wollen jedoch mit unsrem Änderungsantrag – den wir noch einmal neugefasst haben - noch wichtige Punkte hinzufügen:

1. Es erfolgt ausschließlich eine Vermarktung von Baulücken in bestehenden Eigenheimsiedlungen sowie Grundstücken mit Bestandsgebäuden,
Die Vermarktung von Eigenheimgrundstücken muss vor dem Hintergrund einer zunehmenden Versiegelung im Stadtgebiet verantwortungsvoll erfolgen. Die Vorlage ist hier noch etwas uneindeutig. Deshalb erfolgt hier eine Klarstellung, dass lediglich Baulücken bestehender Eigenheimsiedlungen sowie von Grundstücken mit Bestandsgebäuden – darunter verstehen wir Bestandsgebäude, die als Eigenheime genutzt bzw. saniert werden können - vermarktet werden. Weil die Frage aufkam: Baulücken können auch mehrere unbebaute Grundstücke nebeneinander in Eigenheimgebieten umfassen und natürlich sollen ohnehin geplante und beschlossene Eigenheimsiedlungen vermarktet werden werden. Es soll lediglich ausgeschlossen werden, dass quasi durch die Hintertür eine Ausweitung oder Neuausweisung von Eigenheimgebieten erfolgt. Denn genau über diese ist im Rahmen der anstehenden Wohnflächenkonzeption zu entscheiden.

2. Die Bewertungsfaktoren werden hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasemissionen bei der Errichtung (Graue Energie und Einsatz nachwachsender Rohstoffe auch in der Konstruktion) ergänzt.

Die vorgelegte Bewertungsmatrix, die ökologische Kriterien berücksichtigt, begrüßen wir ausdrücklich, auch wenn wir uns bestimmte Mindeststandards gewünscht hätten. Gleichwohl werden klare Anreize für ökologischeres Bauen gesetzt, die wir gern ergänzen möchten. Wir knüpfen an die Grundsatzbeschlüsse zur Grauen Energie und zur Holzbauoffensive an und möchten beide Themen bei den Bewertungsfaktoren berücksichtigen. Es soll eben einen Vorteil im Ranking ergeben, wenn ich als Bauherr nicht nur – wie derzeit vorgesehen -, die Dämmstoffe, sondern auch die Konstruktion aus nachwachsenden Rohstoffen gestalte. Und es muss ein Vorteil sein, wenn ich mit einer Lebenszyklusanalyse nachweisen kann, dass ich bereits bei der Errichtung möglichst wenig Graue Energie verbrauche. Schließlich macht die graue Energie etwa 50 % des Energieverbrauchs im Lebenszyklus aus und kann eine Minderung bis zu 80 % erzielt werden. Beides, sowohl Holzbau als auch die Einsparung Grauer Energie mittels einer Lebenszyklusanalyse für ca. 500 EUR kann ohne weiteres von Bauherren als auch Verwaltung nachvollzogen werden.

3. Im Sinne der Transparenz soll der GVA rechtzeitig vor Ausschreibung informiert werden, welche Grundstücke konkret in die Vermarktung gegeben werden.

Aus guten Gründen sind in der Vorlage nicht die konkreten Standorte benannt – das ist richtig so. Dennoch müssen wir als Stadtrat den Überblick behalten, sowohl was die Lage als auch die konkreten Konditionen der zu vermarktenden Grundstücke angeht. Deshalb sollen die entsprechenden Grundstücke dem GVA rechtzeitig vor Ausschreibung bekannt gegeben werden, so dass ggf. noch eingegriffen werden kann.

4. Dem Stadtrat wird bis zum 2. Quartal 2023 eine Evaluation des Verfahrens vorgelegt.
Schließlich wollen wir zum 2. Quartal 2023, also ein Jahr, nachdem die ersten Ergebnisse der Ausschreibung bekannt sind, eine Evaluation vornehmen. Diese soll nicht nur beim mangelnden Erfolg des Verfahrens, sondern grundsätzlich erfolgen. Denn schließlich müssen wir prüfen, ob die Bewertungsmatrix angemessen ist und ob z.B. ökologische Kriterien nachgeschärft oder soziale Belange ausreichend berücksichtigt sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich denke, wir können mit diesem Änderungsantrag das Verfahren entscheidend qualifizieren und nicht nur vielen Leipziger Familien ein gutes Zuhause geben, sondern auch unserer ökologischen Verantwortung gerecht werden. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Vielen Dank!

Zurück