Rede von Jürgen Kasek am 21. Juli 2021 zum Antrag Startschuss für Jogger und Naturschutz

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Zuschauer*innen und Zuhörerin*innen!

Sie haben es geahnt: Wenn es zum Thema Auwald geht, dann kann ich schlechterdings nur den Kollegen Neuhaus sprechen lassen, dann fühle ich mich auch bemüßig, etwas dazu zu sagen. Diesmal ist es nicht so, wie zuletzt, dass wir uns streiten. Herr Köhler hatte schon ganz unruhig nachgefragt, ob das ein Debatte gibt. Nein, wir sind uns diesmal weitgehend einig. Allerdings möchte ich den Schwerpunkt tatsächlich noch auf ein paar andere Punkte legen.

In Leipzig gibt es relativ viele sogenannte Hochwasserschutzanlagen, weil das Land jahrelang einen technischen Hochwasserschutz betrieben hat. Die Flüsse sind begradigt worden, sie sind eingedeicht worden mit dem Ergebnis, dass wir den Auwald, ein natürliches Überschwemmungs-gebiet, jahrelang vor dem Wasser schützen. Das heißt, ein System, das von Überschwemmung lebt, wird vor diesem Wasser tatsächlich geschützt.

Das kann sich auch in Zeiten des Klimawandels als fataler Fehler erweisen, denn begradigte Flussanlagen führen im Regelfall dazu, dass die Fließgeschwindigkeit sich erhöht. Wenn wir dann extreme Starkregenereignisse haben, die - und da darf ich an meine Rede vom letzten Mal anknüpfen - aufgrund der Clausius-Clapeyron-Gleichung der Physik dazu führen, dass mehr Wasser bei höherer Temperatur herunterkommt, dann kann es eben auch dazu kommen, dass temporäre Hochwasserereignisse die logische Folge sind. Wir sind also vor allen Dingen gefordert, an dieser Stelle anzusetzen.

Nun ist es so, dass die Landestalsperrenverwaltung festgestellt hat, dass der Deich, um den es an der Stelle geht, nicht mehr als Hochwasserschutzanlage gebraucht wird. Warum auch? Dahinter befinden sich völlig überraschenderweise keine wertvollen Sachgüter, sondern etwas viel Wertvolleres: der Leipziger Auwald. Das ist nicht nur an dieser Stelle so, sondern auch am Möckernschen Winkel und an vielen anderen Stellen auch gibt es Streit mit der Landestalsperrenverwaltung. Allein - und das muss deutlich an der Stelle sagen, und deswegen regt mich der Punkt auch so auf - uns läuft die Zeit davon. Eigentlich nicht uns, dem Wald läuft die Zeit davon. Der Wald braucht schleunigst mehr Wasser. Er braucht die Wiederherstellung der natürlichen Auendynamik, und hier an der Stelle wäre die große Chance.

Um das, was Herr Neuhaus gesagt hat, noch einmal ein Stück weit zu vertiefen: 2002 gab es ein Hochwasser in Sachsen. Damals wurde beschlossen, dass 7.000 Hektar Retentionsflächen geschaffen werden sollen. 2013, als das Wasser auch in Leipzig relativ hoch stand, waren von 7.000 versprochenen Hektar schmale 100 Hektar umgesetzt.
2011 folgte der Tornadoschutzerlass, den ich noch einmal ins Wort heben möchte. Was damals passiert ist, werde ich nie vergessen. Aufgrund einer vorgeblichen Gefahr, dass die Standsicherheit an Deichen gefährdet ist, wurden auch in Leipzig entlang sämtlicher Deichanlagen Bäume gefällt, zum Teil 100 Jahre alte Eichen, auch am Hochufer der Nahle. Ein ökologisches Verbrechen, möchte ich an der Stelle sagen, ohne jede vernünftige Rechtsgrundlage, wie man später festgestellt hat. Dieser Eingriff in der Naturhaushalt - und das ist der nächste Skandal - ist seitdem nicht ausgeglichen worden. Das heißt, wir haben einen unglaublich großen Einschlag in die Natur, in den Naturhaushalt, und wir haben keinen Ausgleich davon, weil man sich nicht einigen kann.

Wir haben jetzt die Möglichkeit - und deswegen ist es umso wichtiger, dass wir das geschlossen machen -, deutlich zu machen, dass wir dort vernünftig prüfen, wo der Deich tatsächlich zurückgebaut werden kann, um den Fluss aus seinem engen Bett zu befreien und ihn wieder mäandrieren zu lassen. Die Zielstellung ist, dass der Wald wieder mehr Wasser bekommt, und in dem Moment natürlich auch, wie es im Punkt 4 des Antrages heißt, dass wir auch die Gerinne im Wald als solches wiederherstellen. Das wird Herr Geisler sicherlich auch noch einmal sagen.

An einer Stelle muss ich Herrn Neuhaus widersprechen: Sie kritisieren Herrn Günther. Ich bin sehr froh, dass wir endlich einen Umweltminister haben, der sich mit dem Thema auskennt und wenigstens begonnen hat, sich damit auseinan-derzusetzen. Weil das, was vorher passiert ist - der Tornadoschutzerlass - geht auf das Konto von Herrn Kupfer. Die Nichtumsetzung der Maßnahmen geht auf das Konto von Herrn Schmidt. Das ist beides CDU. Deswegen muss man auch die CDU, so leid es mir tut, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hier tatsächlich in die Verantwortung nehmen. - Es geht um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und in einem christlichen Kontext um den Erhalt der Schöpfung, und auch die CDU sollte sich einmal damit auseinandersetzen. Ich bitte um große Zustimmung zum Antrag. - Vielen Dank.

Zurück