Rede von Jürgen Kasek in der Ratsversammlung am 11. Dezember zur Drucksache „Forstwirtschaftsplan“

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Kolleg*innen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,

wir befassen uns heute mit dem Forstwirtschaftsplan. Dieser ist ein Betriebsplan und regelt den Umfang der Maßnahmen, die in der Forsteinrichtung beschlossen wurden. Mehr als 300 Mails und Nachrichten haben die Fraktionen dazu erhalten. Es gab Stellungnahmen und Gegenstellungnahmen und Meinungsäußerungen.

Entgegen der Annahme des ein oder anderen Kollegen möchte ich sagen: Ja, die Vielzahl an Mails ist anstrengend. Aber die Vielzahl an Mails und Einwendungen zeigt auch das Bedürfnis vieler Bürger*innen und der Anteilnahme am Geschehen am und um den Wald. Dies wiederum ist ein gutes Zeichen. Das Bedürfnis der Bürger*innen nach Informationen wird damit deutlich. Und es ist auch unsere Aufgabe als Stadträt*innen diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen und den Austausch mit den Bürgern zu suchen, nicht nur bei diesem Thema.

Aber es zeigt eben auch, dass es zum Teil am Wissen mangelt, worum es konkret geht, was die Auswirkungen sind und worüber wir reden. Und auch deswegen muss sich die Verwaltung den Vorwurf gefallen lassen, dass die Kommunikation zum Forstwirtschaftsplan dieses Jahr nicht optimal gelaufen ist.

Wir reden über einen Forstwirtschaftsplan, der als Betriebsplan jährlich aufgestellt werden muss. Die Stadt ist also rechtlich dazu verpflichtet einen solchen Plan jährlich aufzustellen. Die Forderung keinen Plan aufzustellen ist schlicht und ergreifend die Forderung nach einem Gesetzesbruch.

Warum gibt es dann die Einschläge im Wald?

Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie hat zum Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen. Die Vernetzung dient der Bewahrung, (Wieder-)herstellung und Entwicklung ökologischer Wechselbeziehungen sowie der Förderung natürlicher Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse.

Sie dient damit der von den EU-Mitgliedstaaten 1992 eingegangenen Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt (Biodiversitätskonvention, CBD, Rio 1992).

Zu diesen Lebensräumen gehört auch der Sternmieren-, Eichen-, Hainbuchenwald und ebenso wie hier zu starke forstwirtschaftliche Einschläge gefährlich sind, ist auch die Ausbreitung FFH_ untypischer, invasiver Arten schädlich und gefährden den Biotobtyp. Ein Biotoptyp der eigentlich durch eine Auenmorphologie gekennzeichnet ist und damit regelmäßige Überschwemmungsereignisse vorsieht.

Der Leipziger Auwald ist einzigartig aber er ist und das muss man klar sagen, eben kein Urwald mehr sondern ein kulturell überprägter Raum. Durch die Begradigung der Luppe in den 1930 er Jahren wurden die natürliche Überschwemmungsdynamik unterbrochen.

Wenn wir heute darüber diskutieren müssen wir eigentlich deutlich stärker darüber diskutieren, wie wir den Wald insgesamt stärker schützen können, wie wir auch der bestehenden Übernutzung bestimmter Bereiche entgegentreten können und die Wiedervernässung fördern. Klar ist für uns auch, dass der Wald mehr Raum braucht und mehr Wasser und Eingriffe und Baumaßnahmen im Wald nur unter sehr strengen Voraussetzungen genehmigt werden dürfen.

Wenn wir keine Eingriffe mehr vornehmen, dann würde das auch zu einer deutlichen Abnahme der Biodiversität führen und ebenfalls den FFH Gebietstypus gefährden. Wer den Wald liebt und die Umwelt schützen will, kann daher nicht ernstlich fordern, dass keinerlei Maßnahmen mehr erfolgen sollen. Auf der anderen Seite bleiben bei uns Fragen zurück. Fragen auch hinsichtlich des Umfangs der Eingriffe, im Bereich der Mittelwaldbewirtschaftung und Fragen hinsichtlich des offenen Klageverfahrens. Sollte das Klageverfahren erfolgreich sein, bedeutet dies, dass zukünftig verpflichtend eine Natura 2000 Prüfung vor Einschlägen in den FFH Typen durchgeführt werden muss.

Bislang war dies nicht der Fall und im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH im Verfahren zum Bialawicza Nationalpark kann man ernstlich daran zweifeln, dass die bislang nicht durchgeführte Prüfung rechtlichen Bestand haben wird. Sollte das OVG Bautzen oder im Hauptverfahren festgestellt werden, dass eine Natura 2000 Prüfung verpflichtend durchgeführt werden sollte, dann hätte dies Auswirkung auf die Forstwirtschaft in ganz Deutschland einerseits und es droht wegen Nichtumsetzung der EU FFH Richtlinie , 92/43/EWG, zu einem Vertragsstrafenverfahren zu kommen. Mit einem Urteil im Eilverfahren ist jedenfalls wahrscheinlich bereits im Januar zu rechnen.

Auf der anderen Seite bestehen für uns auch Fragen, hinsichtlich der Mittelwaldbewirtschaftung und den dort stehenbleibenden Hochbäumen in Bezug auf die klimatischen Veränderungen. Einzelstehende Hochbäume, die in einem bisherigen Hochwald standen, zeigen Veränderungen je nach Typ hinsichtlich Standfestigkeit und Seitentrieben aus. Zudem ist damit ein erheblicher Eingriff in die Mykorrhiza inbegriffen.

Und gerade bei der Bewirtschaftung des Waldes sind die klimatischen Auswirkungen auf die Maßnahmen sehr genau zu untersuchen, was wir im Stadtratsbeschluss zum  Klimanotstand geffordert haben. Hier ist für uns perspektivisch die Frage zu erörtern, inwieweit auch Anstelle des Einsatzes von Harvester schonendere Methoden der Waldbewirtschaftung in Betracht kommen und dafür mehr Geld zur Verfügung gestellt werden kann.

Aufgrund dessen können wir dem Forstwirtschaftsplan nicht geschlossen zustimmen, da zum Teil Zweifel überwiegen.

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