Rede von Jürgen Kasek zur Klimapolitischen Stunde am 14. Juli 2022

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich hatte eigentlich eine Rede, ich hatte die eigentlich etwas anders aufgebaut, aber in dem, was bis jetzt passiert ist, ist mir etwas aufgefallen, was mit etwas schwer im Magen liegt.

Wir haben mehrere Impulsvorträge gehört. Eine junge Frau tritt nach vorne, stellvertretend für die Klimagruppen, die sich sehr ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Die genau das gemacht hat, was das Bundesverfassungsgericht übrigens ausgeurteilt hat: Sie hat über die Freiheit gesprochen. Die Freiheit der kommenden Generationen. Und es ist unsere Aufgabe, der hier Lebenden, die Freiheit der kommenden Generationen zu gewährleisten. Darüber hat sie gesprochen. Und das ist ihr gutes Recht und das hat sie sehr gut gemacht.

Und deswegen irritiert mich das dann etwas, wenn dann Fragen kommen, wo ich den Eindruck habe, dass versucht wird, sie bloß zu stellen, dass sie es gegenrechnen kann, weil das verdammt nochmal ist nicht ihre Aufgabe! Das ist die Aufgabe der Politik!

Die Gesellschaft soll Vorschläge unterbreiten, und wir haben diese Vorschläge umzusetzen. Vielleicht machen wir das anders. Vielleicht sagen wir dann zukünftig jedem einzelnen Bürger, der irgendeinen Vorschlag macht: Geh nochmal zurück, leg uns ein komplettes Konzept vor, rechne das gegen und sag uns wo das Geld herkommt. Nur dann beschäftigen wir uns damit. Dann brauchen wir aber diesen Stadtrat nicht mehr. Dann können das die Bürger alleine machen. Aufgabe verfehlt!

Herr Neuhaus hat das Bild bemüht der Titanic, und hat gesagt der Eisberg sei noch nicht gerammt. Ich sehe es etwas anders. Sie werden es mir nachsehen. Ich sehe es so, dass wir den Eisberg bereits berührt haben, aber auf der Brücke noch fröhlich Champagner ausgereicht wird und es kann ja so weitergehen wie bisher. Ich habe heute in der Zeitung, in der LVZ gelesen, einen offenen Brief. In dem offenen Brief steht drin: Wir sollen uns bitte wieder mit Russland verbrüdern, wir sollen uns wieder abhängig machen. Genau das Gegenteil übrigens von dem, was Herr Götz vorhin gesagt hat. Und Klimapolitik sei doch sowieso ideologisch. Und es geht alles nicht. Es ist mein Gefühl, wir haben den Eisberg gerammt und oben, auf dem Oberdeck in der Ersten Klasse wird gesagt: lieber noch zehn gute Jahre! Und wenn die anderen Generationen, alles was nach uns kommt, absäuft, haben die doch Pech. Können die doch sehen, wo sie bleiben.

Ich kann nur dringend empfehlen, das Grundgesetz und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nochmal zu nehmen und sich damit intensiv sich auseinanderzusetzen. Frau Fleischhauer und auch Herr Neuhaus haben die Situation beschrieben. Wir müssen uns vielleicht auch mal auseinandersetzen, dass wir derzeit 2022 mit den Hitzewellen, die noch kommen werden, in einem der kältesten Jahre dieses Jahrzehnts leben. Und das ist erst der Anfang, das sagen alle Wissenschaftler durch die Bank!

Es ist nicht die Frage, ob wir den Klimawandel haben oder nicht. Und es ist auch nicht mehr die Frage, ob der Klimawandel menschengemacht ist oder nicht. Sondern die Frage ist, wo fangen wir an, tatsächlich zu handeln und die Freiheit der kommenden Generationen zu gewährleisten.

Und da kann man natürlich diskutieren, was dann immer kommt: naja Deutschland, das sind doch nur zwei Prozent und das heißt, wir müssen gar nichts machen. Das erinnert mich so an meine Schulzeit, wo die einen sagen: ach, ich muss keinen Müll trennen. Und kein Fleisch essen auch nicht, weil das Fleisch ist ja trotzdem da. Und wenn ich keinen Thunfisch esse, dann wird der Flipper trotzdem umgebracht. Nach dem Motto: Ich muss ja gar nichts machen, es ändert sich ja nichts. Das, ehrlich gesagt, ist unredlich! Natürlich spielt unser Verhalten eine Rolle.

Das, was die Politik an der Stelle machen kann – übrigens die FDP selber sagt an der Stelle Innovation: ja, die brauchen wir! Aber zu diesen Innovationen kommen wir nur, wenn wir einen entsprechenden ordnungsrechtlichen Rahmen setzen, wo wir genau das fördern. Nämlich die Reduktion von CO2 einerseits und die Umstellung andererseits, weil: Es ist auch eine soziale Frage! Wenn wir nichts tun, werden am stärksten diejenigen betroffen sein, die auch jetzt am wenigsten Geld haben. Weil das werden diejenigen sein, die sich die Klimaanlage nicht leisten können. Das wird das Problem sein. Und deswegen müssen wir die Frage diskutieren.

Wenn wir das Energie- und Klimaschutzprogramm der Stadt nehmen – und ich will das gar nicht so schlecht reden, da sind viele lohnenswerte Ansätze drin! Ich habe nur zwei große Bauchschmerzen an dieser Stelle. Fast alle Ziele, die sich die Stadt bislang gesetzt hat, haben wir nicht erreicht. Jetzt kann man sagen: Die waren alle schon zu ambitioniert, wir müssen das an die Realität anpassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lösung muss sich an der Größe des Problems orientieren, und nicht nach dem, was wir bisher gemacht haben!

Im Energie- und Klimaschutzprogramm ist drin: Wir wollen die Maßnahmen evaluieren. Das ist richtig. Aber wir brauchen tatsächlich an der Stelle – und da komm ich zum Ende, das ist die eine Minute mehr, die auch Herr Neuhaus drüber war –  einen Gegenpunkt, wo wir sagen können: das sind die quantifizierbaren Ziele, das sind die Zwischenziele und das sind die Maßnahmen, die wir zwischendurch einsetzen können, wenn wir die Ziele nicht erreichen. Sonst werden wir es nicht erreichen. Dann wird es für die kommenden Generationen keine Freiheit mehr geben. Und ich will es nicht meiner Tochter erklären, warum wir es nicht gemacht haben.

Danke.

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