Rede von Katharina Krefft am 17. Mai 2023 zum gemeinsamen Antrag "Jugendwohnen - Angebot in der ganzen Stadt"
- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Herren und Damen Stadträte, Vertreter*innen der Medien und Gäste,
Kinder erregen gerne Mitleid, bei Wohnungslosen aber irgendwie nicht. Wir wissen aus der seit 2019 ergänzten Berichterstattung zur Wohnungslosenstatistik des Bundes: 26% der Wohnungslosen sind unter 25 Jahre – 12% unter 21 Jahre.
Zu stark ist die Marginalisierung, dass hier gerne weggesehen wird. Wir wissen auch, dass unter den unter-25 Jährigen 80% junge Frauen sind – und wie schon bei der Wohnungslosigkeit bei Frauen, wird dieses Phänomen nicht erkannt.
Derweile die Zahl steigt. Ein nicht gesehenes Problem wird ja nicht einfach kleiner, indem man wegsieht. Junge wohnungslose Frauen sind vielleicht unvorstellbar – aber: sie verstecken sich hinter der „verdeckten Wohnungslosigkeit“.
Wir können aktuell nur die Daten der Bundesebene hinunterbrechen und mit der Beobachtung abgleichen: durch die Bahnhofsmission, die Streetworker, von Tante E. Und mit den Daten des Leipziger Jugendwohnens. Hier, beim einzigen Angebot für junge Wohnungslose, meldeten sich im letzten Jahr 180 junge Menschen, das sind noch einmal 30% mehr als im Jahr davor. Auf der Warteliste stehen inzwischen 26 Bewerber*innen für die 19 Plätze plus 2 Wohnungen für junge Familien.
Damit ist aus unserer Sicht der Antragstellerinnen ausreichend belegt, dass wir das Jugendwohnen ausbauen müssen.
Wir haben im aktuellen Haushalt zunächst die eigenständige Finanzierung des Leipziger Jugendwohnens etabliert – das ist ein wichtiger Schritt, dieses Angebot aus der jährlich neu zu entscheidenden Jugendhilfeförderung herauszunehmen. Und ich will ausdrücklich daran erinnern, dass es der Jugendhilfeausschuss war, der dieses Angebot etabliert hat! Es war die Politik, die gegen die Verwaltung durchgesetzt hat, dass es überhaupt ein Angebot für junge Erwachsene gibt.
Die Daten des Jugendwohnens weisen auf die prekäre Lebenslage dieser Jugendlichen. War der Ansatz beginnend, jungen Erwachsenen aus der Jugendhilfe, die mit 18 Jahren nicht ausreichend selbstständig sind, ein Angebot machen zu können, sehen wir heute: Ins Jugendwohnen kommen nur zu 21% Jugendliche der Jugendhilfe.
Insgesamt 67% kommen aus Wohnungslosigkeit, davon 24 % aus Obdachlosigkeit. Das sind dann Jugendliche die nicht einmal mehr ein Sofa irgendwo haben. Jugendliche, die wirklich auf der Straße sind – es sind unhaltbare Befunde.
In Juni 2022 wurde das Jugendhilfegesetz im § 41 SGB VIII geändert. Nunmehr sind Hilfen auch jungen Volljährigen zu gewährleisten. Dazu sollte es eigentlich keinen Antrag aus dem Stadtrat mehr brauchen – wir konstatieren, dass die Schnittstellenabstimmung hier aber noch nicht erfolgt ist. Das steht auch im VSP: Die rechtliche Verortung der Maßnahme im SGB VIII insbesondere in Bezug zum § 41 SGB VIII muss geklärt werden.
Das ist ein eklatantes Armutszeugnis und ich muss es hier so deutlich anklagen. Während hier in der Stadtverwaltung Schnittstellen abgestimmt werden, verlieren wir draußen Jugendliche.
Dabei ist der gesetzliche Auftrag unmissverständlich: Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt;
Damit nicht einer wachsenden Zahl Jugendlicher ohne geeignete Unterstützung erneute oder neue Obdachlosigkeit, Schulden und oft auch Straffälligkeit droht, ist die Stadt Leipzig gefordert, eine unverzügliche Implementierung des Gesetzes in Leipzig zu leisten und auch entsprechende Unterkünfte für wohnungslose Jugendliche vorzuhalten. Daher fordern wir den sukzessiven Aufbau von Einrichtungen, welche schrittweise in jedem Stadtbezirk angeboten werden sollen.
Der VSP hebt darauf ab, zunächst die Daten zu erheben. Das unterstützen wir. Er folgert dann, dass die sozialräumlich verteilte Implementierung des Angebotes bedarfsgerecht erfolgen soll – und meint damit irgendwie die Verzögerung rechtfertigen zu können. Das ist nicht tragbar – wir brauchen zügig die Ausweitung des Angebotes – dabei aber mit der fachlichen Expertise und Untersetzung.
Herr Jung, damit sprechen wir auch Sie an, denn es ist ihre Organisationshoheit, diese Schnittstellenklärung zwischen Sozial- und Jugendamt zu beschleunigen.
Entsprechend haben wir die Neufassung geschärft und wollen hier deutlich mahnen, im Bereich der Wohnungslosigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen eher als später zu handeln.