Rede von Katharina Krefft zu den Haushalten 2017 und 2018 in der Ratsversammlung am 17. November 2016

- es zählt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Herren und Damen Stadträte,
liebe Gäste und Vertreterinnen der Medien!

Ist dieser Haushalt die Antwort auf die Herausforderungen der Stadt Leipzig?

Die Frage stellt sich angesichts des Wachstums der Stadt, der Aufgaben in Infrastruktur, Personalaufbau, Sozialwesen, die die Stadt zu erfüllen hat und sie stellt sich angesichts der finanziellen Möglichkeiten, die die Stadt hat - wenig aus eigener Kraft, unzureichend aus den Zuweisungen; und schließlich vor der politischen Frage, wie wir die Herausforderungen anpacken wollen.

Wir sind nicht die einzige Stadt, die vor der Aufgabe steht, ihr eigenes Wachstum bewerkstelligen zu müssen. Tatsächlich tauchen wir in Studien erst seit diesem Jahr in der Rangliste der stark wachsenden Städte auf. Münster, Frankfurt, Hannover, Darmstadt, aber auch München oder Koblenz wachsen schon länger stark. Das urbane Wachstum ist nicht nur auf Deutschland beschränkt, Wien wächst seit 20 Jahren kräftig, und ich sehe jetzt mal von der Entwicklung von Megastädten wie in unserer Partnerstadt Addis Abeba ab, die wir als Delegation im Februar erlebten.

Es geht also alles noch größer und noch gewaltiger, aber lassen sie uns festhalten: Wir wachsen wieder seit 15 Jahren, und seit 3 Jahren sogar unerwartet schnell. Und: Wir sind nicht allein mit dieser Herausforderung. Umso misslicher ist, dass der Deutsche Städtetag sich mehr Sorgen um die Regionen macht, die aktuell an Einwohnenden verlieren, als um die Frage, wie die wachsenden Städte ihre Aufgaben erfüllen können.

Urbanität – das ist Anziehungskraft. Diese Anziehung lebt von der Vielfalt, von den Möglichkeiten, auch der Freiheit, die Stadt zu bieten hat, aber natürlich auch von Träumen und Erwartungen. Somit können wir sehr froh und optimistisch sein, dass so viele Menschen nach Leipzig kommen und so viele Familien gründen. Dabei erkennen wir nicht nur einen  Wachstum allein an Menschen. Tatsächlich wachsen wir um Kreativität, Vielfalt und Lebendigkeit.

Daran knüpfen sogleich Interessenkollisionen: Der öffentliche Raum ist begrenzt, Flächen für das Gemeinwesen konkurrieren mit Privatwünschen. Und alles miteinander gefährdet die grünen Lungen der Stadt, die Grünanlagen. Wir müssen sehr behutsam mit neuen Bodenversiegelungen umgehen. Doppelte Innenentwicklung ist das Stichwort, das wir immer wieder nennen werden. Vertikale Nutzungsmischung, effektive Platznutzung, Kreativität! Denken Sie an das Stelzenhaus. Nicht, dass ich jetzt dem Überbauen der Gewässer das Wort rede, aber wir hatten diesen Nutzungsdruck schon einmal in der Stadtgeschichte: die Bauten sind geblieben und erfreuen uns heute noch. Für uns ist die Nutzungsmischung in einem weiteren Punkt wesentlich: Die soziale Vielfalt muss gewahrt bleiben. Die Mietsprünge die wir aktuell erleben, schließen den Großteil der Leipziger Bevölkerung aus und eine Verdrängung in künftig bevorzugten Stadtteilen muss schon heute vermieden werden. Die wirtschaftliche Stabilisierung darf nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir weiterhin unterdurchschnittliche Haushaltseinkommen aufweisen.

Mit dem STEP Verkehr und mit dem wohnungspolitischen Konzept geben wir im Stadtrat Antworten auf die Herausforderungen der Zeit. Ökologisch – also auf Ausgleich mit den natürlichen Ressourcen bedacht. Sozial – also die gesellschaftlichen Bedingungen berücksichtigend. Und demokratisch in der Herangehensweise, indem Lösungen gemeinsam erarbeitet und Kompromisse zwischen den verschiedenen Interessen gefunden werden.

Die vorgelegten Haushaltspläne nun arbeiten die Aufgaben solide ab. Aber ist das schon die Antwort auf die anstehenden Herausforderungen der Stadt?

Uns Grünen fehlt der gestalterische Anspruch. Leipzig ist beliebt geworden bei Kreativschaffenden. Sie beleben die Stadt mit ihrem Spirit, suchen und zeigen uns die Freiräume in Leipzig, füllen sie kreativ und machen die Erlebbarkeit dieser Stadt zu einem hohen Teil aus. Dieser Schwung sollte den Stadtrat wie auch die Stadtverwaltung inspirieren. Die Zeiten des Abwartens und Zögerns sind vorbei. Wir können loslegen! Mutig sein, kreativ! Leipzig wächst und es wird an seinen Aufgaben wachsen, wenn wir mitmachen.

Wir Grüne sind nicht mit den Verzagten, wir Grüne fragen auch nicht erst nach der Realisierbarkeit, sondern untersuchen Möglichkeiten. Wir sind bereit für neues Denken, neue Lösungen, weil wir überzeugt sind, dass sich das am Ende rechnen wird.

Bis jetzt war Leipzig aus sich selbst heraus attraktiv, mit seinen Freiräumen, seiner Offenheit, seiner Freiheit. In dem Maße, in dem dieses aufgeht in der Entwicklung die unsere Stadt nimmt, müssen wir die Attraktivität neu gestalten. Und das tun wir nicht mit Beton, sondern mit modernen Lösungen:

In der Organisation von Mobilität.
Leipzig ist in Bewegung und braucht gute Verbindungen. Also Taktverdichtung und mehr Haltestellen, Lückenschluss und Angebote zu individuellen Mobilitätsketten: Der sichere Abstellplatz fürs Rad am Haltepunkt, die getaktete Bahn mit gutem Umstiegsangebot und der kurze Fußweg zum Ziel. Mit unseren Anträgen wollen wir dem nachhelfen.

Im Angebot von Wohnraum in der lebenswerten Stadt.
Wir wollen und brauchen Spielraum für experimentellen und für kooperativen Wohnungsbau. Will die Stadt gestalten, muss das Liegenschaftsamt generell verstärkt die Konzeptvergabe vor allem im Erbbaurecht zur Anwendung bringen. Also, weg vom Verkauf von kommunalen Grundstücken allein nach dem Höchstgebot! Eine weitere Absenkung der Einzahlungen aus Grundstücksverkäufen ist dafür eine wichtige Voraussetzung!

Zum Wohnen gehört das Umfeld, und hier wollen wir Mittel für mehr Sitzgelegenheiten und Platzgestaltungen. Die Wünsche nach Spielplätzen erreichen weiterhin den Stadtrat, also brauchen wir auch mehr Mittel - on top. Ist das Umfeld attraktiv, wird auch zu Fuß gegangen. Wir stehen zur aktiven Umsetzung des Klimaschutzprogrammes. Die 5000 Bäume sind längst nicht gepflanzt, also machen wir uns dran an die Nacharbeit.

Bei gesunder Luft und wenig Lärm.
Darum wollen wir, dass die Stadt den Luftreinhalteplan fortschreiben kann, also sichern wir das mit einer weiteren Stelle ab. Denn wir verlassen uns nicht darauf, dass beim EU-Vertragsverletzungsverfahren die Schummeleien der Autoindustrie zu unseren Gunsten berücksichtigt werden. Ganz klar gilt: Wir haben mit unseren Maßnahmen die Werte zu erreichen und wenn wir es nicht schaffen, liegt es an unseren Vorgaben.
Weniger Lärm bedeutet für uns nicht eine Musik-freie Mittagspause, sondern endlich weniger Verkehrslärm. Sichere Radwege, fahrradfreundliche Stadtarchitektur, und ein Pflasterstraßen-Programm werden ganztägig für mehr Ruhe sorgen.

Wir suchen moderne Lösungen bei zeitgemäßen Bildungsorten.
Nein, das sind nicht die 0-8-15 - Gebäude, die hier so gerne gefordert werden. Es geht nicht darum, den Bedarf nur abzusichern und 4 Wände mit Deckel hinzustellen. Bildung ist unser Kapital und darin muss investiert werden. Wir sind für die Gebäude zuständig, also bauen wir Orte für Lernfreude, damit die Kinder bestmöglich auf die Zukunft vorbereitet werden. Eine Zukunft, die im Team arbeitet, Vielfalt lebt, Weltläufigkeit erwartet und mit Offenheit umgehen kann. Bildung heute richtet auf, nicht unter. Quartiersschulen und Campusmodelle tragen dem Rechnung, also lassen Sie sie uns auch bauen. Die Ihmelstraße wird nicht nur diesen Anforderungen gerecht, sondern auch die gewachsene Nachfrage nach Kapazität im weiterführenden Bereich abdecken, wenn wir im Stadtrat mal wieder nachhelfen.

Mit Beteiligung der Menschen und Angeboten für alle Lebenslagen.
Leipzig wächst auch an seinen sozialen Aufgaben. Mehr ältere Menschen, mehr Jugendliche, mehr Frauen – die Angebote für Entfaltung, Beratung, Teilhabe müssen finanziell untersetzt werden. Wir wollen es aber nicht bei einzelnen Zielgruppen belassen, sondern gemeinwesenorientiert alle mitnehmen. Dazu ist nun die Zeit reif, Angebote zu entwickeln. Mittel brauchen wir auch für den Ausbau kultureller Angebote sowohl für das Budde-Haus als auch für eine kulturelle Zukunft im Kino der Jugend.


Sie sehen an der großen Anzahl unserer Anträge, wie intensiv wir uns mit der Haushaltsplanung beschäftigen, wie wesentlich für uns diese finanziellen Weichenstellungen sind. Unsere Anträge sind gedeckt, es geht uns nicht um Mehrausgaben, sondern um eine andere Verteilung. Wir gewichten anders. So sind wir  optimistisch bei den Planungsannahmen für direkte Sozialleistungen wie die Kosten der Unterkunft oder der Einnahmeentwicklung der Stadt Leipzig, ohne die Risiken für die Liquidität und die Gefahr vielleicht nicht unerwarteter, aber ungeplanter Ausgaben zu übersehen.

Wir wollen bereits mit der Beschlussfassung der Haushalte 2017 und 2018 festlegen, wohin das Geld geht und keine verdeckten Säckel zulassen. Es ist das hohe Recht des Stadtrates, zu entscheiden, wofür Geld ausgegeben wird und das darf nicht im unterjährigen Ränkespiel zwischen den Dezernaten verausgabt werden. Wir sind gebrannte Kinder, die zu oft hier im Rat hinter das Licht geführt wurden.

Dass unsere Planungsannahmen richtig sind, zeigte sich in der Haushaltsdurchführung der letzten beiden Haushalte. Damals hat es uns noch keiner glauben wollen, diesmal dürfen Sie zuversichtlicher sein. Wie weitsichtig wir sind, und daran darf ich an dieser Stelle erinnern, belegten wir auch mit den Controlling-Pflichten bei der Haushaltsüberwachung, die unser vormaliger Stadtrat Malte Reupert anmahnte. Sowohl bei den Hilfen zur Erziehung wie bei anderen Abrechnungspraktiken in allen Dezernaten – es ist ja nicht immer das Dezernat VI – sehen wir heute, wie richtig diese Mahnung war. Eine große Erwartung legen wir nicht zuletzt an die Einführung der Schlüsselprodukte.

Meine Herren, meine Damen, ich komme zum Schluss.
Wir Grüne stellen uns das Wachstum anders vor, als es viele hier im Haus noch für vorstellbar halten. Wir stehen für das ökologische, soziale und demokratische Wachstum in der Stadt. Kurz: für die Lebensfreundlichkeit unserer Stadt! Die Entscheidung zum Otto-Runki-Platz hat den Dissens zwischen uns und Ihnen schmerzlich, aber eindrucksvoll belegt.

Herr Oberbürgermeister, Wachstum heißt auch Wachstum an Einsicht, an Bereitschaft zur demokratischen Beteiligung. Es heißt auch, anzuerkennen, dass wir Grüne die Ideengeberin und die Treiberin sind. Verscherzen Sie es sich nicht mit uns, würdigen Sie unsere Arbeit! Ob es die Begrüßung bei einer festlichen Eröffnung wie dem Anker ist, für den meine Fraktion mit Michael Weichert jahrelang gestritten und gerungen hat, oder die Erwähnung bei einer Preisverleihung wie zuletzt beim Energiesparprojekt an Leipziger Schulen „Halbe-Halbe“: Sie dürfen großzügiger werden.

Die Würdigung unserer ehrenamtlichen Arbeit ist der Beweis, dass Sie es Ernst meinen mit der Bürgergesellschaft. Die Sie mit Weiterdenken und Beteiligung mitnehmen wollen. Ihr Verhalten uns gegenüber strahlt dann auch in eine Stadt, die nicht nur großartig ist, sondern freundlich und lebenswert.

Zurück