Rede von Katharina Krefft zum Antrag „Demokratie leben – Demokratie lebt“
Rede von Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen zum Antrag „Demokratie leben – Demokratie lebt“ in der Ratsversammlung am 26.Oktober 2016
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Herren und Damen Stadträte,
VertreterInnen der Medien und Gäste,
was macht unser Gemeinwesen, unser Zusammenleben aus?
Wir meinen, unser Gemeinwesen, unsere Stadt, in diesem Land Sachsen,
gründet auf der freiheitlichen Grundordnung und bietet Vielfalt Raum. Der Vielfalt der Lebensentwürfe, Biographien, Jungen und Alten, hier Geborenen oder Zugezogen.
Über das Zusammenleben in unserem Gemeinwesen ist allerdings eine Auseinandersetzung entbrannt. Sie wird nicht nur mit Worten ausgetragen. Wir erschrecken vor schriftlichen oder verbalen Aggressionen, Herabsetzungen, Beleidigungen und sind fassunglos über Gewalt gegen Menschen und Sachen.
Mit dem Aufkommen der neurechten Bewegung Gida erlebten wir eine Sprachlosigkeit, ganz unmittelbar: am Arbeitsplatz, im Freundes- und Familienkreis. Es fehlten schlicht die Worte. Soviel schlechtes Benehmen, unverhohlener Chauvinismus und die schrille Ablehnung anderer. Und während die Worte noch gefunden wurden, standen wir mit der humanitäten Katastrophe, die uns in Europa erreichte, helfend und großherzig zu den Flüchtlingen.
Wir leben Weltoffenheit und Mitgefühl, in Leipzig und auch in Sachsen. Dass es anders scheint, liegt an Einzelnen, begleitet von Passivität. Auf Regierungsebene beinhaltete die Passivität eine Handlungsunsicherheit, die entsetzlich ist, weil sie den Antidemokraten Raum gibt, ihre Entfaltung erst legitim macht!
Mit dem Antrag Demokratie leben – Demokratie lebt wollen wir die Demokraten aus der Passivität holen und handlungssicher machen. Wir wollen sie sprechsicher machen, und wir wollen die Vielfalt zeigen. Weil es unser Gemeinwesen ist und nicht das derer, die alles ablehnen. Weil es die Vielfalt ist, die wir verlieren, wenn wir Demokratie und Freiheit abschreiben.
Und weil wir anerkennen, dass es ein Staatsversagen gibt, gerade nicht der Staat diese Freiheit verteidigt, wollen wir darüber sprechen, was sich ändern muss. Die Erfolge der AfD sind eine Antwort auf große Koalitionen, wo der Disput, das Aushandeln über die beste Lösung, auf einen Minimalkonsens abbricht. Wir anerkennen auch, dass Unzufriedenheit ein Ausdruck mangelnder Anerkennung ist. Und wir wissen, dass diesen vor allem ein ostdeutsches Problem ist. Wir akzeptieren aber nicht, dass damit die Ablehnung freiheitlich-demokratischer Grundwerte vertreten wird.
27 Jahre nach der Wiedervereinigung wollen wir in Leipzig zeigen, was Demokratie alles sein kann. Ein ganzes Jahr die geballte Vielfalt der Demokratie ins Bewusstsein heben und möglicherweise neue Antworten finden, wie wir gemeinsam leben wollen, wie wir unser Zusammenleben gestalten wollen. Weiterdenken über Beteiligung. Nachdenken über den Stand der deutschen Einheit. Hinterfragen, was nach 1989 nicht eingelöst wurde. Neue Antworten, andere Antworten. Für die heute die Zeit gekommen ist? Oder weil die Herausforderungen der Zeit so neu sind?
Wir haben Ihnen, Herr Oberbürgermeister, viel Zeit gegeben, sich dieses Vorschlages anzunehmen, seit Februar. Und wir wissen um ihre grundsätzliche Unterstützung. Offenbar aber wollten Sie schon mal zeigen, wie gut wir hier im Stadtrat sind. Wir können uns alleine einigen! Ich danke der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke für die gedeihliche und sehr kurzfristige Neufassung – die CDU haben wir noch nicht überzeugen können, nicht ganz, oder doch? Ich meine jedenfalls, dass wir uns grundsätzlich einig sind, aber in der Sache beherzt streiten können. Diese Debattenkultur, die Empathie für die Position des anderen voraussetzt, ist nötig wieder zu pflegen. Das gehört zur demokratischen Willensbildung und das zeichnet Leipzig aus, woraus schon einmal eine friedliche Demokratisierung ausging.
Zu den einzelnen Punkten:
Grundsätzlich baut dieser Antrag auf der Demokratie- und Vielfaltsarbeit auf, die es in Leipzig bereits gibt. Es braucht aber eben einen konzentrierten Blick auf die Tätigkeiten, mehr Sichtbarkeit. Es braucht die Verstetigung, die einhergeht mit personeller und sächlicher Untersetzung. Wir wollen finanzielle Mittel: für eine Plakatkampagne – aber statt parteilichen Konterfei und Logos soll die Demokratie selber das Motiv geben! Mit diesem Auftakt im Oktober 2017 sollen dann in 2018 verstärkt und fokussiert Aktivitäten zur Demokratie gefördert werden, auch dafür braucht es mehr finanzielle Mittel. Zudem wollen wir die Beteiligung aller Fraktionen und wir wollen weitere Akteure der Demokratiearbeit - aus Volkshochschule, Stiftung Friedliche Revolution, Bürgerkomitee und weitere – in den Kreis der lokalen Partnerschaften aufnehmen. Schließlich wollen wir uns viel stärker der Erwachsenenansprache zuwenden, denn die Demokratiearbeit für Kinder- und Jugendliche ist sehr gut aufgestellt, der Erfolg läßt sich auch an den Einstellungen ablesen, letztlich aber sind es die Erwachsenen, die Eltern, die wertebildend sind und die mit ihren Erfahrungen wesentlich sind für unser Gemeinwesen. Mit der Verstetigung der Mittel nach 2018 erwarten wir für die Folgejahre ganz besonders eine Erhöhung des kommunalen Anteiles an der Förderung der kommunalen Gesamtstrategie für Demokratie und Vielfalt.