Rede von Katharina Krefft zum Antrag "Entwicklungspartnerschaft etablieren" der SPD-Fraktion

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Herren und Damen Stadträte, liebe Gäste,

der Antrag der SPD Fraktion erinnerte mich unschön an Debatten 2016 ff., die in Reaktion auf die Fluchtbewegungen in die Europäische Union geführt wurden. Verstärkt in Folge der dramatischen Ereignisse in Moria und dem Versagen der Europäischen Union in Anbetracht des Sterbens im Mittelmeer hatten sie nicht etwa dazu geführt, die Abschottungspolitik der Europäischen Staaten zu beenden und Leben zu retten, sondern sie wurden mit dem Ansinnen geführt, Menschen abzuhalten die Flucht über das Mittelmeer anzutreten. Dabei wird in den Kontexten in keiner Weise anerkannt, dass gerade einmal 6% der weitweiten Fluchtbewegungen die EU zum Ziel haben, hauptsächlich ist Flucht ein lokales Thema. 

Dennoch schließt die EU und mit ihr die BRD lieber die Augen und übt sich in Abschreckung. Kooperationen mit den Maghreb-Staaten, der Türkei oder Pakistan, Rückführungen in das instabile Libyen und desaströse Lager wie das berühmteste, Moria, vagabundierende Schiffe der Seenotrettung - weltweit verbreitet kommunizieren diese Botschaften: der tödlich gefährliche Flucht durch Afrika, der riskanten Flucht über das Mittelmeer wird die EU nicht mit nachgeben.

Verstärkt wurde daher die Idee der Entwicklungspartnerschaften kommuniziert. Die Staaten sollten vor Ort mit wirtschaftlicher Unterstützung Perspektiven für junge Menschen geben. Doch schauen wir uns dieses Konstrukt näher an, sehen wir gravierende Nachteile für die eigenständige Entwicklung, ich zitiere am Beispiel afrikanischer Staaten. Studien des deutschen Evaluierungsinstitutes für Entwicklungszusammenarbeit ergaben tatsächlich ein verhaltenes Ergebnis: nämlich „dass der entwicklungspolitische Nutzen privatwirtschaftlicher Zusammenarbeit bislang nicht nachgewiesen sei. Auch Zielkonflikte zwischen Unternehmensinteressen und Entwicklungsvorhaben könnten bislang nicht aufgelöst werden. Vielmehr litten sowohl Wirtschaftsstrukturen in den Partnerländern, als auch die Transparenz bei öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP), die zudem mit einer Entpolitisierung der Entwicklungszusammenarbeit einhergingen. (*Fachgespräch „Entwicklung als Business Case“ der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke). Gerade Landwirtschaftliche Kooperationen kranken an dem Ansatz, industrielle Landwirtschaft zu fördern statt Kleinbäuer:innen, die nachweislich zur Ernährungssicherheit und wirtschaftlichen selbstständiger Strukturen vor Ort beitragen. Gleichzeitig stärken gerade sie auch Demokratisierung gerade im ländlichen Raum. 

Entsprechend verhalten war unsere Reaktion in den Vorberatungen. Der Verwaltungsstandpunkt macht mit diesem Antrag genau das richtige: er läßt die Zielstellung „Fluchtursachen bekämpfen“ heraus, orientiert auf die Entwicklungspartnerschaften mit den Städtepartnerschaften – genau das ist unser Ansatz als Stadt Leipzig und – und das ist der entscheidende Punkt: Lenkt die Verantwortlichkeit auf uns als Stadt und Stadtgesellschaft! Wir im Norden, im Westen, in den sogenannten entwickelten Ländern, wie tragen Verantwortung für die wirtschaftliche Misere, für fehlende Entwicklung in den Ländern des Südens und Ostens. 

Historisch, weil wir im Zuge der Kolonialisierung Strukturen zerstört und postkolonial willkürlich gezogene Grenzen, die nicht überlebensfähigen Staaten hinterlassen haben, Konflikte erst entstehen ließen und bis heute für Unfrieden sorgen. 

Wirtschaftlich, weil wir mit der Förderpolitik der Europäischen Union genau die wirtschaftliche Abhängigkeit der afrikanischen Staaten provozieren. Gerade die industrielle EU-Agrarpolitik zerstört Landschaft und Boden vor Ort und macht die kleinbäuerliche Ernährungssicherung zu Nichte, weil sie versalzene Böden, Trockenheit, leer gefischte Meere und Erosionen hinterläßt. Und weil in Europa geförderte industrielle Landwirtschaft über den Bedarf produziert und in afrikanische Staaten exportiert, dort lokale Strukturen zerstört.

Strukturell, weil privatwirtschaftliche Entwicklungspartnerschaften immer wieder mit Menschenrechte und Umwelt- und Sozialstandards kollidieren. Es braucht eine öffentliche Entwicklungszusammenarbeit, die Förderung von Strukturen der öffentlichen Hand, von Capacity Building. 

Es ist also richtig, die globalen Nachhaltigkeitsziele zu implementieren und verantwortungsbewusst zu wirtschaften, Kooperationen auf Augenhöhe zu fördern und das Energie- und Klimaschutzproramm haushaltärisch zu untersetzen.

Ausdrücklich haben wir die Stadt mit dem Beschluß zum Klimanotstand dazu beauftragt, denn wir haben ein Klima- und Nachhaltigkeitsreferat eingerichtet. Zur Nachhaltigkeit unseres Wirtschaftens gehört der globale geweitete Blick. Unser Handeln ist global spürbar. 

Warum wir das nun nochmal beschließen müssen, und warum wir den Verwaltungsstandpunkt nicht als Sachstand zur Kenntnis nehmen können, bleibt das ewige Geheimnis der Partnerschaft von OBM und SPD, aber wir wollen nicht kleinlich sein vor der Herausforderung der globalen Klimakrise.

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