Rede von Katharina Krefft zum Antrag Lebendige Auseinandersetzung mit der Friedlichen Revolution

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Herren und Damen Stadträte, werte Gäste und Medienvertreter:innen,

Seit 2009 wird in Leipzig das Lichtfest am 9. Oktober begangen, dem nicht arbeitsfreien Leipziger Feiertag. Vor 3 Jahren installierten wir fraktionsübergreifend das Kuratorium zur Friedlichen Revolution `89, um die Feierlichkeiten breiter diskutiert vorzubereiten. Unser Antrag setzt hier an. Denn das Kuratorium ist das empfehlende Gremium für die Ratsversammlung zum Thema Friedliche Revolution. Nachdem wir also den Tag im Stadtgedächtnis gefestigt haben, die Entscheidungswege zur Vorbereitung des Feiertages als Stadtrat nachvollziehbarer gestaltet haben, wenden wir uns nun der eigentlichen Erinnerungsarbeit zu. Unser Ziel ist es, die Erinnerung an den Herbst `89 lebendiger zu gestalten.

Darum schlagen wir eine wissenschaftliche Evaluierung der Ziele, Inhalte und Struktur der Veranstaltungen und der Formen und Orte des Bewahrens der Werte der Friedlichen Revolution vor. Das Lichtfest lädt die Leipziger:innen nach der Rede der Demokratie in der Nikolaikirche auf den Augustusplatz zu einem Bühnenprogramm und zu den Jubiläen anschließend auf den gesamten Ring ein, wo in künstlerischer Form die Geschehnisse am 9. Oktober inszeniert werden. Schon vor 3 Jahren haben wir thematisiert, dass wir die Stadtgesellschaft stärker einbinden wollen, mit eigenen Programmen und eigenen Formen zum Gedenken beizutragen. Denn eine lebendige Erinnerung bedeutet mehr Teilhabe und mehr Engagement der Zivilgesellschaft. Erfreut nehmen wir wahr, dass das Publikum zum Lichtfest sehr jung ist. Diese Chance, junge Menschen, Menschen, die nicht Zeitzeug:innen sind, zu erreichen, wollen wir unbedingt nutzen. Damit gewinnt die Erinnerungsarbeit und erfüllt das Ziel, Menschen generationen- und biographieübergreifend zusammenzubringen und gemeinsam an die Geschehnisse im Herbst 89 zu denken. Doch welche Inhalte werden transportiert, welche Orte werden bespielt, welche Formen gewählt? Das wollen wir näher beleuchten.

Zentral ist für uns, das Kuratorium, welches wir als Stadtrat eingesetzt haben, den Arbeitsauftrag an diese wissenschaftliche Evaluierung formulieren zu lassen. Das sichert die politische und gesellschaftliche Breite, die einem solchem Auftrag inne liegen muss.

Wichtig ist uns, die Initiative „9. Oktober- Tag der friedlichen Revolution“ mit der Umsetzung dieses Auftrages zu betrauen und das stadtgeschichtliche Museum explizit mit seinen Ressourcen einzubinden sowie punktuell, wo erforderlich im Prozess gesehen, auch Externe. Davon erwarten wir uns die hohe Qualität der Bearbeitung, denn in der Initiative sind Wissenschaft und Praxis vertreten. Hier genau ist der externe Sachverstand, den sich die CDU-Fraktion mit ihrem Antrag wünscht. Tatsächlich gibt es wesentliche Arbeiten zur Erinnerungskultur an die Friedliche Revolution, die gewürdigt und strukturiert und auf unsere Gegebenheiten und Bezugspunkte ausgewertet werden können. Und die Initiative setzt sich aktiv mit diesen Arbeiten auseinander, ist Teil der Debatte zur Erinnerungskultur und Demokratie(zeit)geschichte. Es gibt – sehr geehrter Herr Jung – keinen Grund, die Initiative zu übergehen, wie sie es im VSP tun. Und – da sind wir mit der CDU-Fraktion einig, es gibt keinen Grund, eine Evaluierung an die LTM, an die Leipzig Tourist Marketing, zu geben. Die LTM ist Umsetzerin, Veranstalterin, Verwerterin, sie ist wirtschaftlich tätig und das macht sie gut. Sie ist hingegen definitiv nicht die Einrichtung, die eine Evaluierung vornimmt. Daher lehnen wir den VSP ab.

Wir wollen uns Zeit nehmen, das nächste Jubileum steht 2024 an. Um das Gedenken an die Friedliche Revolution lebendiger zu gestalten, ist uns ein wesentliches Anliegen, die Leipziger:innen stärker in die Vorbereitungen und das Geschehen auf dem Ring einzubinden und mit den Formaten intensiver Neuleipziger:innen und junge Menschen auch inhaltlich stärker anzusprechen. Das Gedenken darf nicht mit den Zeitzeug:innen und der aktiven Erinnerung verloren gehen. Diese Errungenschaften müssen immer wieder lebendig veranschaulicht werden. Wie wertvoll und zugleich wie leicht zerbrechlich sie sind, zeigen uns mit Rassismus, Antisemitismus und Sexismus die anhaltenden menschenfeindlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft. Wir wollen das Gedenken an den friedlichen Kampf um Freiheit, Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärker in Verbindung bringen zu aktuellen Herausforderungen für die Demokratie und ganz praktisch zur demokratischen, wertebasierten politischen Bildung beitragen.

Die öffentliche Kommunikation ist häufig allein fokussiert auf den 9. Oktober. Die Friedliche Revolution hingegen hatte einen Vorlauf, und sie war mit dem 9. Oktober noch nicht erreicht. Welche Orte, Formen und Akteur:innen des Protestes hierbei eine Rolle spielten, kann aus unserer Sicht stärker in den Blick genommen werden, um nachzuzeichnen, wie gesellschaftliche Umbrüche gelingen können. Damit können wir mehr Identifikationspunkte gewinnen, um diese einmalige Zäsur in der Deutschen Geschichte zu verdeutlichen, und für gegenwärtige Diskussionen zu stärken. Die Geschichte der Demokratie, so stellt es die Publikation „Erinnern an Demokratie in Deutschland fest“, nimmt eine verhältnismäßig geringe Rolle ein. Als Stadt der Demokratie können wir folglich die gesamtdeutsche Erinnerungskultur maßgebend bereichern und vielleicht sogar zum Leipziger Markenkern ausarbeiten. Wir finden, das ist der Schritt, den wir nun gehen sollten, weiter gehen.

Tatsächlich sind wir neugierig, wie die Ergebnisse einer solchen Evaluierung aussehen werden, welche Erkenntnisse und Ideen uns mitgegeben werden und wie es dann auch gelingt, diese konzeptionell und praktisch in die Erinnerungskultur der Stadt Leipzig zu transferieren. Mit unserem Antrag unterstützen wir hierbei die Arbeit am Konzept Erinnerungskultur. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

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