Rede von Katharina Krefft zum Schulentwicklungsplan 2016

Rede zum Schulentwicklungsplan 2016 von Katharina Krefft,
Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Leipzig

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Dr. Leibert, sehr geehrter Herr Englisch, sehr geehrter Herr Meier,
sehr geehrte Herren und Damen,

Trägheit möchte ich meine Rede überschreiben. Trägheit ist das Bestreben von physikalischen Körpern, in ihrem Bewegungszustand zu verharren, solange keine äußeren Kräfte auf sie einwirken. Je größer der Körper, desto höher der Kraftaufwand um ihn zu bewegen.

Mir gefällt dieses Bild außerordentlich. Seit 13 Jahren bin ich Stadträtin, dieses der 3. Schulnetzplan, an dem ich beteiligt wurde und der nun ein Entwicklungsplan genannt wird.

Die Beharrungskräfte vermochten, dass noch vor 10 Jahren Schulen geschlossen wurden, obwohl die Kinder, die sie besuchen würden, bereits geboren waren. Die Weiße-Schule wird tatsächlich dieses Jahr wiedereröffnen und auch in die Coppischule ist neues Leben eingezogen. Dass das Kant-und das Hertz-Gymnasium nicht geschlossen wurden, ist ein großer Segen.

Denn die Schulen sind alle an ihrer Kapazitätsgrenze. In jeder Schulart gibt es sogar Kapazitätsüberschreitungen, also mehr belegte Klassenräume als der Richtwert der Schule vorsieht und in jeder Klasse mehr Kinder. Bei den Grundschulen besuchen in  ¼ der Klassen über 25 Kinder, in den Mittelschulen sind es 1/3 und in der Gymnasien sind sogar in der Hälfte mehr als 28 Kinder. Und die Mittelschulen und Gymnasien sind zudem alle am Kapazitätsrichtwert, 3 bzw. 2 sogar darüber.

Mehr Kinder als Platz vorhanden sind beschult, oder anders gesagt: die Schulen sind wahrlich vollgestopft.

Mehr Platz für die Entfaltung der SchülerInnen ist unsere grüne Forderung! Das bedeutet schleunigste Umsetzung der geplanten und zügige Weiterplanung an weiteren Schulbaumaßnahmen, sei es Neubau, Sanierung, Anbau oder Ausbau.

Die Ansprüche an Schule, an Stoffvermittlung, für das Leben lernen, an Bildungsorte, sind weitgehend. Sie betreffen nichts geringeres als Bildungsgerechtigkeit: immerhin trägt Leipzig weiterhin die rote Laterne beim Schulabbruch und auch das Merkmal Bildungsempfehlung zeigt, wie ungerecht Bildungschancen in dieser Stadt verteilt sind. Mit jedem Bildungsreport, sie erinnern die vergangenen bildungspolitischen Stunden, konnten wir dieses belegen, es änderte sich doch nichts. Die Beharrungskräfte  in der Bildungspolitik sind bleiern. Individuelles Lernen, gar Inklusion wird unmöglich gemacht.

Wir Stadt Leipzig sind der Schulträger, und nicht für die Schulinhalte verantwortlich, aber sehr wohl für die Bildungsorte: Der Raum als dritter Pädagoge muss in das politische Bewusstsein, in die Entscheidungen fließen! Wir brauchen moderne bauliche Voraussetzungen für bessere Bildung: flexible Raumsysteme, Lernlandschaften, interaktives und multimediales Lernen. Nicht die Wissensvermittlung ist die pädagogische Aufgabe der Zeit, sondern Begleitung beim Lernen lernen. Und das braucht Platz, Möglichkeit der Groß- und Kleingruppenarbeit, ja, und wie einfach ist Förderunterricht, GTA oder DAZ, wenn die Räume einfach abgeteilt werden können? Allein: wir investieren in einzelne Schulen erhebliche Summen, aber zeitgemäße Bildungsbauten kommen nicht unweigerlich dabei heraus. Wir Grüne wollen den Kindern in dieser Stadt und ihren Lehrerinnen beste Bedingungen ermöglichen, und Grundlage für den Schulbau ist ein Schulentwicklungsplan.

Auch dieser Schulentwicklungsplan wurde wie seine Vorgänger, mit Verspätung vorgelegt. Wie immer 1 Jahr Verzögerung. Grund: die  fehlende finanzielle Untersetzung der Maßnahmen im Haushalt. Bei 150 Millionen € war 2014 noch nicht klar, wo sie herkommen können. Manche Maßnahmen konnten in der Zwischenzeit sogar schon beschlossen werden, doch der Plan harrte seiner Veröffentlichung.

In der Zeit wurden die Probleme drängender. Immerhin: Der Kapazitätsausbau hat höchste Priorität bekommen, doch was ist mit der Werterhaltung? Erst 2012 fing die Ratsversammlung an, unseren grünen Begehren nach ausreichender Füllung der Haushaltsstelle nachzukommen, die wir seit 2001 thematisierten. Wir könnten in all den Gammelschulen deutlich weiter sein, wenn die Beharrungskräfte hier im Haus nicht so enorm träge gewesen wären!

Die äußeren Kräfte, das sind ganz besonders die Elternschaft, die über ihre Schulen oder den Stadtelternrat für sehr viel Bewegung gesorgt hat. Sie hat es geschafft, dass die Zustände in den Schulen endlich nicht nur abwiegelnd erkannt sondern auch angegangen wurden. Zu spät. Beharrlich wurden Havarien abgewartet, ehe Anlagen erneuert wurden, tatsächlich entstand auf diese Weise erst Investitionsbedarf.  Die Regionalgeschichtliche, die gerade so aufgeplustert wird, zeigte eindrücklich: Jahrelange Versäumnisse im Schulbereich müssen nun von Bürgermeisterin Dubrau in Bewegung gebracht werden. Wer jetzt mit dem Finger auf sie zeigt, zeigt mit 3 Fingern auf sich selber!


Meine Herren, meine Damen, die Schulentwicklungsplanung ist nicht vergnügungssteuerpflichtig, denn eine träge Masse aus Stadtrat, Verwaltung, Dienstberatung des Oberbürgermeisters und öffentlicher Meinung in Gang zu bringen war jahrelange Mühe in der Ebene. Die Schulentwicklungsplanung entsteht in einem geordneten Beteiligungsprozess, mit dem zuständigen Unterausschuss der monatlich tagte, mit den Beteiligungen der Schulkonferenzen und der Schüler- und Elternvertretungen, die abgewogen und gewürdigt wurden.

Meine Herren, meine Damen,
und so kommt es, dass wir Grüne keinen Antrag stellen mussten, weil bereits der Unterausschuss Einvernahmen zu unserem Anliegen zeigte, dass der Entwicklungsplan Grundlage der Schulbaumaßnahmen ist. Hintergrund sind immer neue Vorschläge im politischen Raum, wo eine Schule hin könnte, ohne dass dies fachlich begründet ist. Die Bestellerfunktion des Fachdezernates muss gestärkt werden.

Wir stimmen dem Antrag der Fraktion Die Linke zu, die Investitionspläne in den Stadtbezirksbeiräten turnusmäßig vorzustellen – die Beteiligung gerade auch der SBB ist wesentliche Forderung der Grünen und der Antrag unterstützenswert. Es ist schon schwermütig, dass das erst beantragt werden muss, wo wir hier schon über Bürgerhaushalt und Ortschaftsverfassung für die SBB gestritten haben.
Auch die Investitionsplanung muss strukturiert werden, da waren wir schon weiter und die Verwaltung bleibt hinter den eigenen Zielen.

Den Antrag der CDU/SPD hingegen können wir nicht unterstützen. Richtig ist, auch Daten sind träge, es ist statistisches Einmaleins dass Daten erst im Nachgang zur Verfügung gestellt werden können. Die Geburten sind da bedeutend dynamischer. Wir anerkennen auch, dass Tenor in vielen Stellungnahmen aus dem Beteiligungsprozess war: die Daten sind mangelhaft. Doch mit eigenem Erhebungssystem brauchen wir mehr Personal, oder wie stellen sie sich das vor? Sie riskieren, dass die Schulverwaltung nur mit Datensammeln befasst ist statt mit Fördermittelanträgen – das Problem hatten wir schon mal und es hat uns viel Zeit gekostet. Wir Grüne wollen das nicht riskieren, und auch nicht Vorwand geben, dass dann der Stadt wieder vorgehalten wird, die Fördermittel nicht abgerufen zu haben.

Im Übrigen muss die Schulnetzplanung, wenn sie im Frühjahr 2018 vom Rat beschlossen werden soll, im Erstentwurf 2016 vorgelegt werden, denn: wie gehabt: sie nimmt eine einjährige Schleife, ehe sie in der Dienstberatung bestätigt wird, dazu kommt ein halbes Jahr Beteiligungsprozess, und dann ist Frühjahr 2018. Ihr Antrag ist ein schöner Witz, aber wir haben ja April.

Den Anträgen der Ortschaftsräte stimmen wir zu, das Wachstum bleibt nicht auf die Kernbereiche der Stadt entlang des Auwaldes beschränkt, das Anliegen ist richtig.

Meine Herren, meine Damen,
wir haben uns konstruktiv in den Prozess der Schulnetzplanung eingebracht. Er ist ein Ergebnis seiner Zeit, unzulänglich aber nicht falsch. Wir stimmen zu, weil wir möchten, dass die Fördermittelanträge gestellt werden können, dass gebaut wird, dass zeitgemäße Schulen entstehen. Dazu braucht es eine Schulentwicklungsplanung.

Zurück