Rede von Katharina Krefft zum Schulentwicklungsplan 2019 in der Ratsversammlung am 26.Juni 2019
-es gilt das gesprochene Wort-
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Herren und Damen Stadträte,
werte Gäste.
Nach zwei Jahren beraten wir erneut die Schulentwicklungsplanung. Nachdem das Schulgesetz geändert wurde, musste binnen eines Jahres eine neue Planung erstellt werden.
Die Kritik aus 2017 ist weiterhin aktuell. Es mangelt an Platz. Der Stadtelternrat hat dazu gestern Raum in der Zeitung bekommen. Die Probleme haben sich gravierend verschärft, ganz deutlich wird dieses am Beispiel der Havarie an der Apollonia-von-Wiedebach-Schule. Es gibt keine Ausweichmöglichkeit für die Schule, der Unterricht findet aktuell und bis auf weiteres an 3 Standorten statt.
Herr Prof. Fabian, auf Sie ist es zurückzuführen, dass wir eine Schulentwicklungsplanung und nicht nur eine Schulnetzplanung haben. Eine Entwicklung des Schulnetzes lässt sich jedoch nicht erkennen. Es ist lediglich ein Ausbau, ein Mehr. Mehr Kinder, mehr Schulräume. Es ist keine Entwicklung von Bildungslandschaften.
An jeder Stelle des Planes ist erkennbar, dass von Schulentwicklung keine Rede sein kann. Die Schulen haben ganz andere Probleme: Sie müssen die Enge aushalten, sie leiden am Lehrer- und Lehrinnenmangel, Ihnen fehlen sächliche Mittel.
Wenn in den Abwägungen des Amtes zu den Stellungnahmen dann den Schulen mitgegeben wird, sie sollten nach pragmatischen Lösungen suchen, zeigt dieses ganz deutlich den Umgang mit Schulen, Lehrenden, Schülern und Schülerinnen und Eltern. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich hier etwas entwickelt.
Die Schulen können seit Jahren gar nichts anderes als pragmatische Lösungen finden. Das ist ihre einzige Überlebensstrategie. An den Förderschulen ist Ende der Fahnenstange, zu lange wurde kooperiert und still gehalten. Es ist schön, dass die SPD-Fraktion das heilen möchte und einen weiteren Schulbau heute in Auftrag geben möchte. Wir Grüne unterstützen dieses, nachdem wir das Thema ja auch auf die Tagesordnung im Ausschuss gehoben hatten.
Es ist ein einziges „Augen zu und durch“, in der Politik wie in der Schule. Und tatsächlich ist es nicht möglich, dass Schule unter permanenten Druck funktioniert. Druck führt zu Zurückzug, ganz sicher nicht zu Vorwärtsbewegungen, zu Entwicklung. Unter Druck bekommen sie Unterricht, mit Freiheit und Ermöglichung aber Aufrichtung, frohe Zuversicht, die wir unseren Kindern so innig wünschen! Sie sollen die Welt beschreiten, entdecken, und brauchen dafür die Freiheit, auch dafür einmal Fehler zu machen und das Vertrauen in Schule, dann auch gehalten zu werden.
Um das zu schaffen, wollen wir beste Bedingungen für die Schulen. Als Stadt sind wir für die räumlichen Bedingungen zuständig. Seit Jahren setzen wir Grüne uns darum für zeitgemäße Bildungsbauten ein: Schulen, die Platz für Entfaltung bieten, für unterschiedliche didaktische Konzepte, Räume, die multifunktional also frei genutzt werden können. Als Stadt sichern wir mit Schulsachbearbeiterinnen, Sozialarbeiterinnen, Hausmeisterinnen, Schulbibliothekarinnen, mit den Horten und dem Budget allerdings auch sehr viel Alltägliches, Atmosphärisches, könnten Freiheit und Sicherheit bieten. Aber da ist in den letzten Jahren viel verdorben worden, unter der rein betriebswirtschaftlichen Sicht von Effizienz. Immerhin ist uns an einzelnen Stellen immer wieder mal gelungen, Schlimmeres zu verhindern und Entwicklung, zumindest etwas, zu ermöglichen.
Die Personalnot jedoch führt ganz immanent dazu, dass sich die Schulen all das gar nicht mehr vorstellen können. Sie sind getrieben von der Sorge, der Aufsichtspflicht nicht nachkommen zu können. Nischen, richtige Garderobenräume, Glaswände, offene Konzepte – all das wird kritisch gesehen, wenn Erzieher und Lehrerinnen im Alltag Unterbesetzung erleben. Gedeckeltes Budget führt zur Bitte an die Eltern, Schulbücher doch bitte selbst anzuschaffen. Alles Zusätzliche erfordert so viel Mehraufwand, dass wir nur froh sein können, wie viele engagierte Lehrerinnen und Schulleiterinnen sich das annehmen und effektiv für Bildungsorte sorgen.
Und auch in der Verwaltung erlebe ich Zurückzug. Mitarbeiter des Jugendamtes treten als Bremser, auf, vergreifen sich scharf im Ton. Mit zeigt das, dass auch diese Fachleute keine Entfaltungsmöglichkeit, keine Entwicklungsperspektive haben. Gängeln, zurückdrängen, Mut nehmen, das ist keine Atmosphäre für Entwicklung!
Sie nehmen den Kindern, den Jugendlichen genauso wie allen die an Schule beteiligt sind, den Raum für ihre Entfaltung, für ihre Entwicklung. Die viel zu späte Schulbauoffensive ist nicht nur unglaublich teuer, sie nötigt allen in den Schulen und dem Fachamt eine unermessliche Leidensfähigkeit ab. Und die Stellungnahmen lassen nicht erkennen, dass hier irgendetwas verstanden, erklärt oder wenigstens im Kleinen ermöglicht wird. Jeder sieht nur, dass er durchkommt. Es braucht eine wirklich große Veränderung, um die Bildungsstadt Leipzig erstehen zu lassen, spüren zu können. Zuvörderst mehr Vertrauen in die Fachleute, mehr Unterstützung von ganz oben und ganz grundsätzlich die Erkenntnis, dass Effizienz nicht effektiv ist, und dass unsere Kinder, die das wertvollste sind, von Anfang an das Beste bekommen sollen: Freiheit, und die gibt es nicht ohne das Vertrauen auf unser Gemeinwesen.