Rede von Katharina Krefft am 15.03.2022 zur Vorlage "Bewältigung von Aufgaben infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine"
- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Herren und Damen Stadträte, werte Vertreterinnen der Medien und Gäste,
Dieser Krieg sprengt Grenzen. Grenzen des Denkbaren, denn wir konnten in Europa nicht glauben, dass die Drohung Putins real ist. Obwohl er mit seinem Krieg in Tschetschenien 60 000 Tote verantwortet, in Georgien wütete, die Krim annektierte, Moldawien droht. Obwohl er mit dem Diktator Assad gemeinsame Sache macht und einen Pakt mit dem Diktator Lukaschenko hält.
Dieser Krieg greift das Völkerrecht an. Putin missachtet die Kriegskonventionen, indem er Zivilisten nicht schont, keine Fluchtkorridore einhält, humanitäre Hilfe unterbindet.
Dieser Krieg schweißt Europa zusammen. Das europäische Selbstverständnis der Ukraine berührt uns, die EU-Bürgerschaft. Wir spüren, dass Europa mehr ist als eine Wirtschaftsgemeinschaft. Es ist eine demokratische Friedensordnung.
Und ja, in der haben wir uns eingerichtet. Trotz des brutalen Zerfalls Jugoslawiens. Trotz der Auseinandersetzungen in Nordirland, die so lange her sind, dass sie Kinostoff bieten.
Wir haben uns an Frieden gewöhnt, an die friedliche Beilegung von Konflikten. Krieg, Angriffkrieg als Mittel der Politik, haben wir abgewählt. Unsere europäischen Werte sind herausgefordert. Und wir stehen fest. Wir stehen zur Ukraine, we stand with Ukraine. Das ist die Zeitenwende. Sie war dringend nötig.
Und das hat alles sehr viel mit Leipzig zu tun, mit der europäischen Stadt der Demokratiebewegung, wo die russische und die ukrainische Community groß ist. Seit einem Jahr demonstrieren Leipziger*innen gegen die Politik Putins. Für die Freiheitsbewegung in Belarus. Gegen das Atomkraftwerk Ostroyets. Für die Erinnerung an Menschen, die für ein Freies Russland starben. Die Bewegung Freies Russland in Leipzig ist sehr aktiv und ich danke Ihnen, Herr Jung, dass sie von Anfang an immer die Russ*innen mitnannten in den Solidaritätsadressen. Putin ist nicht Russland. Er hat sich Russlands bemächtigt, so wie er sich die Ukraine nehmen will.
Heute geht es um das Sofortprogramm Ukraine. Ohne Beratung in den Ausschüssen stimmen wir 9 Millionen Euro zu. Wir stimmen für sofortige Hilfe. In Kyiv und in Leipzig. Für die von den Bomben Vertriebenen. Europa hat seine Grenzen unverzüglich geöffnet. Das ist die Zeitenwende. Europa hat aus dem Jugoslawienkrieg gelernt, Massenfluchten unbürokratisch zu versorgen. Wir haben in Deutschland 2015 gelernt, wie wir Menschen in den Kommunen versorgen und, ja, der Freistaat Sachsen verlässt sich da ganz auf uns. Die Landesdirektorin erklärt sehr ehrlich, dass sie wenig tun kann. Auch das ist neu. Das Bekenntnis unserer staatlichen und durchaus auch städtischen Strukturen: Wir können es nicht alleine. Wir brauchen Euch.
Euch. Die Zivilgesellschaft. Ihr wart sofort da. Am Bahnhof, an den Spendenannahmen, auf den Demonstrationen. Ihr fahrt Hilfstransporte und transferiert Geflüchtete. Ihr habt Eure Betten gemeldet – und auch das sprengt für viele ja Grenzen, dass ausgerechnet das Linxxnet eine Wohnungsbörse aufsetzte. Danke Jule Nagel und Dein Team. Danke auch der Leipziger Gruppe, die sofort und sehr schnell Hilfesysteme von Spendenannahmestelle bis Büroräume für Vereine, von Leipzig Crowd bis Transport der Spenden organisiert und auf die Beine stellte. Die L zeigt was in ihr steckt. Wir sind Leipziger und wir helfen sofort.
Es war die selbstorganisierte Hilfe, wie von Leipzig helps Ukraine. Sie haben sehr früh sehr klar gesehen, was kommt und was zu tun ist. Sie haben sehr klar kommuniziert. Es ist richtig, dass die Stadtspitze sich genau mit diesem jungen Verein jetzt regelmäßig zum Jour fix zusammensetzt.
Auch das ist die Zeitenwende. Es gibt diese Grenze zwischen wir = Stadt, ihr = Zivilgesellschaft nicht mehr. Mit dem Referat für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt haben wir genau zum richtigen Zeitpunkt ein neues Instrument im städtischen Handeln etabliert, das genau diese Augenhöhe herstellt, schnell alle zusammenholt und Zusammenarbeit organisiert.
Folgerichtig werden mit der Soforthilfe Mittel für Zivilgesellschaftliches Engagement mitbeschlossen, ohne einen eigenen Antrag aus dem Rat. Es ist im Punkt 9 im vierten Anstrich aufgeführt. Vielen Dank für die Einordnung was mit dem Satzungsinhalt gemeint ist, mit dem Hinweis auf die Leipzig Crowd. Es geht um die Soforthilfe.
Womit wir bei der Kommunikation sind. Denn die setzt Grenzen. Es ist zu vieles nicht ausreichend bekannt. Wir Stadträte sind nicht vorab informiert – wir vertrauen Ihnen, wir bekommen, Herr Hörning, Frau Kador, unverzüglich Antwort. Alle gehen ans Telefon oder antworten kurzschriftlich. Aber die Stadtgesellschaft braucht klare Kommunikation. Eine automatisch generierte Email von Ukraine@leipzig, die nicht klar sagt, dass die Registrierung priorisiert abläuft. Eine Webseite, die nicht hilft, wenn Privatquartiergeber Fragen haben, wie es nun weitergeht. Genau da hilft Öffentlichkeitsarbeit: klare Kommunikation, was die Stadt tut; um Verständnis werbende Kommunikation, was Stadt eben nicht tun kann und Transparenz. Sie muss so klar sein wie Leipzigs Haltung - mit der gehissten ukrainischen Fahne, der Illumination des Rathauses und der Resolution; vielen Dank dem Referat Internationales und insbesondere Dr. Goldfuß für Ihren Redebeitrag am 24. März, mittags, als wir spontan auf dem Markt zusammenkamen! Als wir zusammenstanden in unserer Trauer und Sie Worte hatten.
Sie gestatten mir, die Struktur dieser Vorlage mit einem Ausblick zu verlassen. Denn mit aller Deutlichkeit sagen wir: die Energiewende ist der Schlüssel zum Frieden. Sie macht uns unabhängig von Energiehunger der Welt, sie sichert Frieden. Mit dem kommunalen Wärmeplan haben wir eben im Februar diese Zeitenwende vorangetrieben. Die Zukunft ist erneuerbar, das spüren wir jetzt an den Tankstellen und bei der Beschaffung von Energiestoffen. Schnellstens müssen wir den Turbo einlegen für den Ausbau Erneuerbarer Energien, Effizienz und Energieeinsparung. Für rückwärtsgewandte Diskussion haben wir definitiv keine Zeit.
Keine Zeit. Soforthilfe. Wir stimmen zu und bedanken uns bei allen in der Stadtverwaltung tätigen, die wieder abgeordnet werden und pausenlos für die Menschen da sind. Von einem Krisenmodus in den nächsten. Wir wünschen uns allen, und ganz besonders den Vertriebenen, Demokratie und Frieden.