Rede von Katharina Krefft in der Ratsversammlung am 20. Mai 2020 zum Antrag „Nachbarschaften stärken, Quartiersmanagements ausbauen - Pilotprojekt für Gemeinwesenarbeit in Connewitz starten“

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Jung,
sehr geehrte Herren und Damen Stadträte,
werte Gäste,
in unserer wachsenden Stadt werden in den Stadtbezirken verschiedene Konflikte offenbar, weil sich die Quartiere verändern. Die Stadtentwicklung verläuft in einigen Gebieten mit Hochdruck, andere holen in den letzten Jahren verstärkt auf. Die Veränderung bezieht sich auf die soziale, soziodemographische und die Umweltentwicklung, es entsteht neuer Wohnraum, an den Magistralen und Straßen öffnen neue Geschäfte und Lokale, Freiflächen verschwinden. Das wird naturgemäß nicht durchgehend positiv gesehen. In der so verdichteten Stadt setzt sich Funktionalität durch, Raum für Kreativität schwindet. Eine kluge Stadtpolitik nimmt darauf Rücksicht und schafft Alternativen, durchaus auch setzt sie auf den Erhalt von Flächen und Milieus. Wesentlich bleibt, dass die Stadtgesellschaft einbezogen ist und Mitsprache hat. Das Konzept von Nachbarschaftlichkeit setzt auf intakte Quartiere, und Nachbarschaft zu stärken ist auch der Ansatz, Konflikte frühzeitig zu erkennen, zu respektieren und friedlich auszutragen.
In Connewitz, haben wir den Eindruck, wird zu wenig Rücksicht auf die Nachbarschaften genommen. Dabei haben wir gerade hier eine hohe Vielfalt an Lebensentwürfen, sehr viel kreatives Potential und eine für Leipzig einzigartige Durchmischung von Generationen und Milieus. Aus unserer Sicht birgt das auch das Potential für Auseinandersetzungen, wenn Wohnentwicklung vorangetrieben wird – klar, hier wollen auch viele leben, der Stadtteil ist sehr attraktiv. Wenn aber Freiräume verschwinden, wird gerade hier auch protestiert.
Connewitz ist dabei zu einem Synonym geworden, der dem Stadtteil in keiner Weise gerecht wird. Der Fokus liegt immer wieder auf Ereignissen, die medial aufbereitet, sehr stark verzerrt und hochgejazzt werden, zuletzt mit den Silvesterabend sogar die Hauptnachrichten und die Bundespolitik erreichte und den Oberbürgermeisterwahlkampf dominierten. Mit unserem Antrag aus dem Dezember wollten wir in eine sachliche Debatte kommen. Wir hatten darum ein Instrument aus der Stadtentwicklung aufgegriffen, nämlich das Quartiersmanagement, wissend, dass Quartiersmanagement herkömmlich nicht in entwickelten Stadtteilen eingesetzt wird. Uns ging es um die Moderation, um das Zursprachebringen von Konflikten und um die Suche nach gemeinsamen Lösungen. Und vor allem ging es uns darum, Connewitz nicht allein zu lassen. Es ist Aufgabe der Stadt Leipzig, in Connewitz Verantwortung zu übernehmen. Ausdrücklich teilen wir nicht, dass die Zivilgesellschaft das alleine lösen soll.
Nun hat die Verwaltungsspitze einen sehr geeigneten Vorschlag gemacht: der Oberbürgermeister selber wird ein Stadtteilgespräch veranstalten und mit allen zivilgesellschaftlichen Akteuren offen in die Auseinandersetzung gehen und mit Leipzig Weiterdenken, so schlagen wir vor, soll eine Stadtwerkstatt eingerichtet werden, wo mit Ressourcen der Stadt vor Ort an den Problemen gearbeitet werden kann.
Richtig ist der Änderungsantrag der Linken, die ja bereits vor 4 Jahren eine Neuausrichtung der Quartiermanagement gefordert hatten, um den Entwicklungen, gerade auch den Verwerfungen in der wachsenden Stadt gerecht zu werden.
Weil wir nun zügig vorankommen wollen, verzichten wir auf eine ausführliche Beratung des Beteiligungskonzeptes im „Sachverständigengremium Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement“, sodass wir meinen, eine Information im zuständigen FA Stadtentwicklung und Bau ist ausreichend.
Nach den Vorfällen vor 3 Jahren hatte der Stadtrat eine wissenschaftliche Betrachtung der Entstehung urbaner Gewalt beschlossen; die analytische Arbeit von Prof. Oliver Decker von der Universität Leipzig ist weiterhin nicht abgeschlossen, zeigt allerdings sehr gut, dass Diskussionen in verschiedenen Milieus eine Dynamik entfalten, die Konflikte verschärft, statt die Interessen anzunähern. – Die andere vom Institut B3 hatte sich gezielt mit Lösungen auseinandergesetzt und sollte vergangenen Oktober vorgestellt werden. Leider fand das nicht in Leipzig, sondern erst im Dezember in Dresden statt. Dabei wurde aufgezeigt, dass angemessene Ressourcen bereitgestellt werden, Strukturen und Netzwerke eingebunden werden und Debatten auch wirklich geführt werden müssen. Es hilft eben nicht, mit innerer Sicherheit zu agieren, sondern soziale und wirtschaftliche Aspekte zu sehen und Nachbarschaften zu stärken.
An diesem langfristigen Ansatz wollen wir arbeiten und hoffen, dass das Stadtteilgespräch dazu beiträgt, einen neuen Anfang zu nehmen, Fehlerkultur zu entwickeln und Gemeinschaft zu stärken. Connewitz als bunten und vielfältigen Stadtteil ins Licht zu rücken und nicht als Ort von heftigen Auseinandersetzungen – das wäre der Gewinn für Leipzig. Persönlich würde ich mich freuen, wenn wir Silvester mit einem gemeinsamen Fest am Kreuz diese Friedlichkeit sichtbar machen können.

 

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