Rede von Kristina Weyh in der Ratsversammlung am 18. Dezember 2019 zur Drucksache „zweite Fortschreibung Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig“
- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
liebe Stadträtinnen und Stadträte,
liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
der Prozess der Fortschreibung des Nahverkehrsplans der Stadt Leipzig bis zur heutigen Beschlussfassung war so lang, dass ihn viele der heute in diesem Saal sitzenden Stadträtinnen und Stadträte nicht vollständig mitgehen konnten – mich eingeschlossen.
Heute beschließen wir nun die zweite Fortschreibung. Sie wird sowohl ambitioniert in der Umsetzung sein, als auch auf Grund der aktuellen Herausforderungen und Erwartungen nicht weit genug gehen.
Die vielen Änderungsanträge und der hohe Debattenbedarf spiegeln das wieder.
Ich frage mich daher: Was wollen und was können wir mit dem Nahverkehrsplan eigentlich erreichen? Und: Was muss und was kann er leisten?
Der Nahverkehrsplan muss eine sehr umfangreiche Gemengelage bedienen. Über allem steht die dringend nötige Verkehrswende – eine unserer großen Zukunftsaufgaben.
Die Herausforderungen an den Nahverkehrsplan sind dabei vielfältig:
Der Klimawandel verlangt nach einer Verkehrswende. Wir haben dazu als Stadt den Klimanotstand ausgerufen.
Unsere Gesundheit verlangt nach der Verkehrswende. Wir haben dazu als Stadt den Luftreinhalteplan und den Lärmaktionsplan als Handlungsgrundlage beschlossen.
Die einstimmig beschlossene nachhaltige Mobilitätsstrategie der Stadt Leipzig gibt die Ausrichtung des Nahverkehrsplans vor.
Unsere verfügbaren Ressourcen an Geld, Menschen und Logistik beeinflussen die Geschwindigkeit der Verkehrswende.
Und es gibt weitere Herausforderungen für die Umsetzung der Verkehrswende. Themen wie Schulwegsicherheit, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, Gerechtigkeit, Daseinsvorsorge und einige mehr müssen wir bei der Umsetzung der Verkehrswende ebenfalls bearbeiten.
In das große Thema Verkehrswende fügt sich nun der Nahverkehrsplan als ein Baustein ein, von dem wir zu Recht viel erwarten. Wir müssen aber auch ehrlich sein und anerkennen, dass unser ÖPNV auch im Jahr 2019 weiterhin einen Sanierungsstau abarbeitet und strukturelle Probleme zu meistern hat.
Die aktuellen Herausforderungen sind umfassend:
Die bestehende Schieneninfrastruktur muss saniert und instand gehalten werden.
Die Fahrzeuge müssen entweder gänzlich neu beschafft, vergrößert, modernisiert und im Antrieb umgestellt werden.
Das Personal muss aufgestockt werden, damit der ÖPNV überhaupt ausgebaut werden kann.
Die Finanzierung muss stehen. Auch und vor allem vor dem Hintergrund des Tarifmoratoriums und der gewünschten Einführung eines 365-Euro-Tickets.
Hier müssen wir Stadträtinnen und Stadträte heute ehrlich sein und eine verbindliche Finanzierung des Nahverkehrsplans in unsere Entscheidung einbeziehen.
Mit der Umsetzung der Verkehrswende stehen wir auch vor der Herausforderung, die Umlandbeziehungen im Verkehr zu regeln. Dazu braucht es Abstimmung und Kooperation mit den umliegenden Kommunen, dem Zweckverband, dem MDV.
Hier braucht es Angebote an Bus- und Bahnverkehr, der das Leipziger Umland an die Stadt anbindet. Auch Park&Ride sowie Bike&Ride müssen verstärkt in den Blick genommen werden.
Leipzigs Ortschaften müssen besser durch den ÖPNV an die Stadt angebunden sein und einen für die Ortschaft attraktiven öffentlichen Verkehr anbieten.
Dazu gehört eine gute Taktung der Angebote, intelligente Linienführungen und Verknüpfungen genauso wie Bike&Ride und Park&Ride.
Hier müssen wir uns als Stadtrat klar dazu bekennen, dass eine hochwertige Anbindung unserer Ortschaften notwendig aber auch finanzierbar ist.
Denn gleichzeitig müssen wir die Herausforderung bewältigen, den öffentlichen Personennahverkehr im inneren Stadtgebiet attraktiv zu halten.
Wir brauchen eine Erweiterung der Kapazitäten auf den Hauptachsen der Stadt, der ÖPNV muss beschleunigt werden, Haltestellen müssen barrierefrei sein und es braucht eine Lösung für die gesamte Verkehrssituation am Hauptbahnhof.
Die Zukunftsaufgaben des Nahverkehrsplans sind enorm und wir werden nach vorliegen der zahlreichen Prüfungsaufträge des Nahverkehrsplans konsequente Entscheidungen zugunsten des Umweltverbunds treffen müssen.
Hinzu kommt die dringend nötige Busnetzreform. Die zahlreichen Änderungsanträge zu diesem Thema zeigen den Bedarf.
Auch hier stehen wir vor einer umfassenden Aufgabe, die wichtige Lösungen für die Verkehre jenseits der Hauptachsen und in den Stadtrandlagen bringen muss.
Gern möchte ich an dieser Stelle noch etwas zum Thema Finanzierung sagen.
Der Nahverkehrsplan wird den Verkehrsträger zu unwirtschaftlichen Leistungen zwingen, damit Ziele wie die Erhöhung des Fahrgastaufkommens erreicht werden können. Dies wird mit den aktuellen Zuschüssen über den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag nicht umsetzbar sein.
Darauf müssen wir als Stadtrat Antworten und Finanzierungsformen finden.
Meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erwartet mit Spannung die Vorlage des Zeit- und Maßnahmenplans für die nachhaltige Mobilitätsstrategie der Stadt Leipzig. Die Baumaßnahmen dieses Zeit- und Maßnahmenplans sind essentiell wichtig für die Zielerreichung und Umsetzung des Nahverkehrsplans.
Wir müssen hier dann aber auch ganz klar die nötige Finanzierung der Maßnahmen verankern und uns als Stadtrat dazu bekennen.
Dafür ist es notwendig, der neuen Landesregierung die Bedarfe einer wachsenden Stadt im Zuge der Verkehrswende deutlich zu machen. Denn ohne Kofinanzierung des Landes können wir als Kommune die Kosten der Verkehrswende nicht stemmen.
Positiv für die Einwerbung von Fördermitteln, auch im Bund, wirkt sich dabei aus, dass wir auf grünen Antrag hin Verkehrsszenarien für die Stadt Leipzig entwickelt haben. Unsere Fortschreibung des Nahverkehrsplans fußt auf dem vom Stadtrat einstimmig beschlossenen Nachhaltigkeitsszenario. Mit diesem strukturierten Prozess sind wir für die Einwerbung von Fördermitteln bestens aufgestellt und vorbereitet.
Ich komme nun zu unseren beiden zur Abstimmung stehenden grünen Änderungsanträgen.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag Nummer 27, der eine Wiedereinrichtung des Bedarfshaltepunkts Bahnhof Knautnaundorf vorsieht.
Dieser Haltepunkt wurde seit dem Jahr 2010 nur noch einmal am Tag mit dem 5:30 Zug bedient. Seit 2018 hält auch dieser Zug nicht mehr.
Nach 10 Jahren sehen wir aber wieder Bedarf an diesem Haltepunkt, da sich Wohnbevölkerung und Mobilitätsbewusstsein geändert haben.
Mit der Wiedereinrichtung des Bedarfshaltes geben wir den Menschen im Südwesten Leipzigs die Möglichkeit, auch ohne Auto an die Stadt angebunden zu sein.
Nur wenn wir ein Angebot schaffen, können wir die Menschen vom Auto in den Umweltverbund lenken und so die Nachfrage überhaupt erst entstehen lassen.
Mit unserem zweiten zur Abstimmung stehenden Änderungsantrag Nummer 35 möchten wir lediglich einen ohnehin vorliegenden Bestand festschreiben.
Die Georg-Schumann-Straße wird aktuell durch die Linien 10 und 11 bis zur Haltestelle Wahren 12 Mal pro Stunde bedient.
Ebenso verkehren die Linien 1 und 2 auf der Könneritzstraße 12 Mal pro Stunde.
Die gleiche Situation haben wir auf der Bornaischen Straße durch die Linien 9 und 11 – hier bitte ich den Tippfehler in der Begründung unseres Antrages zu entschuldigen – bis S-Bahnhof Connewitz.
Und zuletzt möchten wir die Torgauer Straße bis Paunsdorf Nord, bedient mit den Linien 7 und 8, in den Mindestbedienstandard 12 Fahrten pro Stunde aufnehmen.
Auf diesen vier Magistralen sehen wir die verbindliche Festsetzung der bereits vorhandenen Bedienhäufigkeit von 12 Fahrten pro Stunde als nötig und klug an. Der Bedarf ist da und ein verlässlicher ÖPNV stärkt die Kundenbindung.
Ich bitte Sie auch hier um Zustimmung zu diesem Antrag.
Liebe Stadträtinnen und Stadträte,
ein funktionierender und leistungsstarker ÖPNV liegt in unserem gemeinsamen Interesse. Lassen Sie uns heute mit der Verabschiedung der zweiten Fortschreibung des Nahverkehrsplans einen Grundstein dafür legen, den ÖPNV in Leipzig in die Zukunft zu führen.
Heute ist allerdings nur der Anfang und ich hoffe, dass wir gemeinsam in den kommenden Jahren die erfolgreiche Umsetzung ermöglichen. Dies wird nicht immer leicht sein und es wird uns als Stadt viel abverlangen.
Mir ist wichtig, dass der Nahverkehrsplan erfüllbar sein muss. Ich möchte hier keine unerreichbaren Ziele setzen. Gleichzeitig ist die Fortschreibung gemessen an unserer aktuellen Situation im Bereich öffentlicher Personennahverkehr der Stadt Leipzig ambitioniert und nimmt die Herausforderungen von Verkehrswende, Klimanotstand und nachhaltigem Mobilitätskonzept an.
Meine Fraktion möchte mit dem Nahverkehrsplan einen breiten Konsens sowohl im Stadtrat als auch in der Stadtgesellschaft finden. Denn die vielfältigen Herausforderungen müssen wir in der Praxis der kommenden Jahre gemeinsam bewältigen und gemeinsam tragen.
Wir als Stadtrat tragen dabei die Verantwortung, dass die Ziele des Nahverkehrsplans erreichbar sind und letztlich auch tatsächlich erreicht werden.
Ich bin mir sicher, dass unsere wachsende und vielfältige Stadt dies stemmen wird, denn wir können auf einem der größten Straßenbahnnetze Europas und der langen Tradition der Leipziger Straßenbahn aufbauen.
Der ÖPNV hat für die Leipzigerinnen und Leipziger eine hohe Bedeutung. Lassen Sie uns deshalb mit diesem Nahverkehrsplan das gute Leipziger Angebot zukunftsfähig machen und den Menschen so einen attraktiven ÖPNV zur Nutzung anbieten.
Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Wir Grünen möchten sie klimaneutral, gesund, gerecht, bezahlbar und verlässlich anbieten. Der Öffentliche Personennahverkehr ist ein großer und wichtiger Teil dieses Angebots.
Liebe Stadträtinnen und Stadträte,
ich freue mich über Ihre Zustimmung zu unseren beiden grünen Änderungsanträgen und dem Nahverkehrsplan insgesamt.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dem Nahverkehrsplan zustimmen.
Heute legen wir einen Grundstein für die Mobilitätswende in Leipzig.
Weitere werden folgen!